CSU - Die Krise der Anderen

Bayern geht es blendend. Und doch wird die CSU von allen Seiten scharf kritisiert. Dabei kann man nicht das schöne Bayern loben und zugleich dessen „Staatspartei“ verdammen. Trotzdem bleibt Horst Seehofer eine doppelte Schmach wohl nicht erspart

Neuer und alter Gestalter des erfolgreichsten Bundeslands: Markus Söder und Horst Seehofer auf dem CSU-Parteitag / picture alliance
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Wolfgang Bok war Chefredakteur und Ressortleiter in Stuttgart und Heilbronn sowie Direktor bei der Berliner Agentur Scholz & Friends. Der promovierte Politologe lehrt an der Hochschule Heilbronn Strategische Kommunikation.

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Verkündet werden demoskopische Tiefs lustvoll. So auch das der CSU. Auf kümmerliche 35 Prozent soll sie gefallen sein, verkündete unlängst der „Bayerntrend“ des Bayerischen Rundfunks. Nach solchen Werten würden sich zwar alle anderen Parteien die Finger lecken. Doch für die „bayerische Staatspartei“ ist alles ein Debakel, was ihr einen Koalitionspartner aufzwingt. Immerhin regiert man seit 1962 nahezu allein. Auch ist es noch nicht lange her, als „50 plus x“ zum regelmäßigen Wahlziel in Bayern ausgerufen wurde. Dass die Volkspartei SPD in Bayern mit der Zweistelligkeit ringt, die Zerklüftung des Parteiensystems samt buntscheckiger Koalitionen andernorts längst selbstverständlich ist – geschenkt. Jetzt werden die ewigen Quengler und Quertreiber aus dem Süden an ihren eigenen Maßstäben gemessen. Und nach denen komme es einem „politischen Erdbeben“ gleich, wenn die CSU bald die absolute Mehrheit verliere.

Grüne Lobhudler und ihre Widersprüche

Die Großdeuter außerhalb des Freistaates lassen nichts unversucht, den verschärften Flüchtlingskurs von Seehofer, Söder & Co. als Grund für den „Niedergang der CSU“ auszumachen. Ignoriert wird bei dieser Schuldzuweisung allerdings, dass die AfD in Bayern deutlich schlechter als in Ostdeutschland oder jenen Bundesländern abschneiden dürfte, die eher auf Angela Merkels Willkommens-Linie liegen. Vielleicht ist genau das Gegenteil der Fall: Dadurch, dass die CSU einen klaren Begrenzungskurs bei der „Mutter aller politischen Probleme“ fährt, hält sie die AfD erst auf Abstand. Genaues weiß man nicht. Was freilich weder Medien noch politische Konkurrenz hindert, das mögliche Wahlergebnis schon mal mit der eigenen politischen Agenda zu begründen.

Fast sehnsüchtig werden die Grünen als idealer Koalitionspartner hochgeschrieben – vor allem von der Süddeutschen Zeitung in München, die endlich ihr Ziel in greifbarer Nähe sieht. Den grünen Lobhudlern fallen die Widersprüche der journalistischen Lieblingspartei nicht einmal mehr auf. Denn die einstige „Antipartei-Partei“ (Petra Kelly), die durch Angstkampagnen (Atom, Waldsterben, Gentechnik, Klimagau) groß geworden ist, geriert sich jetzt mit dem Slogan „Mut geben statt Angst machen“. Sie fordert „bezahlbaren Wohnraum“, und treibt mit ihrer Politik (Verknappung von Bauland, Energiesparauflagen und offene Grenzen) die Kosten für Bauen und Wohnen nach oben. In Bayern wird das Voralpenland weder durch gigantische Wind-Parks verschandelt noch durch Flächen-fressende Maisplantagen, wie etwa in Ländern mit rot-grüner oder grün-schwarzer Regierung. Von Grünen-Chef Robert Habecks Schleswig-Holstein ganz zu schwiegen.   

Die Verdienste der CSU

Was die Kritiker der CSU gerne übersehen: Hätten in Bayern SPD und Grüne das Sagen gehabt, gäbe es weder einen Großflughafen München, noch ein dichtes Autobahnnetz und auch kein Airbus/EADS. Die vorzügliche Infrastruktur samt der vielen Dax-Konzerne ist auch das Ergebnis einer wirtschaftsfreundlichen CSU-Politik, die den Freistaat in beinahe allen Rankings an die Spitze geführt hat. Man kann nicht das schöne Bayern in den Himmel loben und zugleich die CSU verdammen. Es war Franz Josef Strauß, der die arme Agrarregion zum Hightech-Land umgebaut hat. Etwa in der Oberpfalz. Lederhosen und Laptop wurden hier gelebt, noch bevor Marketing-Berater derlei Slogans überhaupt ersonnen hatten.

Dass sich die SPD in Berlin zum Großkritiker von Seehofer und seiner CSU aufspielt, ist fast schon makaber. In Bayern sind die Genossen dem Status der Splitterpartei jedenfalls näher als dem Anspruch, noch Volkspartei zu sein. Die Spitzenkandidatin Natasche Kohnen wirbt mit „mehr Gerechtigkeit“ und dem Slogan „Aus Liebe zu Bayern. Für mehr Europa“. Einem Europa, in dem mittlerweile rechtsnationale Parteien den Ton angeben, an denen gemessen die CSU als liberale Kraft erscheint. Macht nichts: Das Böse kommt nicht aus Rom, Prag, Budapest oder Warschau, sondern aus der Münchner CSU-Zentrale.

Die Mär vom Linksruck in Bayern

Auch die Hoffnung, dass am 14. Oktober das Ende der „Mia-san-Mia“-Überheblichkeit eingeläutet wird, hält einer genaueren Analyse nicht stand. Denn rechnet man zu den 35 Prozent der CSU die prognostizierten elf Prozent der Freien Wähler und die sechs Prozent für die FDP sowie etwa ein Drittel der AfD-Protestwähler hinzu, so ergibt sich für das bürgerlich-konservative Bajuwaren-Lager noch immer eine satte absolute Mehrheit. Der Aufwind für die Grünen geht hingegen mit dem Absturz der SPD einher. In der Summe ist von einem erhofften „Linksruck“ nichts zu spüren.

Das alles hilft freilich Horst Seehofer wenig. Der CSU-Vorsitzende, der mit seiner Sprunghaftigkeit Kritiker wie Getreue anhaltend verärgert hat, ist als Sündenbock bereits jetzt ausgemacht. Da zählen alle Erfolge nicht mehr, die er als bayerischer Ministerpräsident und Bundesinnenminister vorzuweisen hat. Die CSU mag hie und da Positionen abrupt wechseln, ihr Markenkern bleibt unangetastet: keine Gnade für die Erfolglosen, oder genauer: Für die, die man der Erfolglosigkeit bezichtigen kann. Seehofer droht die doppelte Schmach: Nicht nur der Verlust aller Ämter, sondern auch die Aussicht darauf, vor Angela Merkel aus dem Amt zu scheiden. Das ist für den Ingolstädter besonders bitter: Machtlos einer weiter frohgemut regierenden Angela Merkel zusehen zu müssen.

Am 07. Oktober, unmittelbar vor den Landtagswahlen 2018 in Bayern, diskutiert der bayerische Ministerpräsident Markus Söder mit den beiden Cicero-Chefredakteuren Alexander Marguier und Christoph Schwennicke über das Thema „Wie weiter mit  Bayern“. Ort: BMW-Welt, Doppelkegel, Zeit: 11 Uhr (Einlass ab 10.30 Uhr). Tickets kosten zwölf, für Schüler und Studenten ermäßigt 10 Euro

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