Nach Corona - Das Virus beendete die Pandemie, die Impfung half

Der wichtigste Faktor zum Eintritt in das endemische Geschehen war die Ausbildung einer breiten Immunität gegen Covid. Unverhältnismäßige Maßnahmen des Staates und die Diffamierung von Ungeimpften erzeugten massive soziale Kollateralschäden.

Ein Mitarbeiter eines mobilen Impfteams bereitet eine Impfung vor / dpa
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Professor Dr. med. Detlev Krüger leitete von 1989 bis 2016 das Institut für Virologie an der Charité Berlin. Seit 2012 ist er Chefredakteur der Fachzeitschrift Virus Genes, die in New York erscheint.

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Klaus Stöhr war Leiter des Globalen Influenza-Programms der WHO und Sars-Forschungskoordinator. Ab 2007 arbeitete er in verschiedenen leitenden Positionen in der Impfstoffbranche von Novartis und ab 2015 in der Firmenzentrale in Basel. Seit 2018 ist er als freier Konsultant tätig.

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Die Covid-19-Pandemie – einschließlich der Maßnahmen mit dem Ziel ihrer Kontrolle – hat in den letzten drei Jahren gravierend in unser Leben eingegriffen. Wer aus den Erfahrungen dieser drei Jahre nicht lernen möchte, wird bei möglichen nächsten Epidemien oder Pandemien durch neue Krankheitserreger die gleichen Fehler begehen; zumal dann sehr wahrscheinlich eine neue Generation von Akteuren verantwortlich sein wird. Deshalb muss jetzt ehrlich festgestellt werden, welche Maßnahmen sinnvoll und welche unnötig oder schädlich waren. Und wodurch kam es zur Beendigung der Pandemie?

Wie war das bei Aids?

Vielleicht hilft es bei der Einordnung, zunächst eigene Erfahrungen aus der Bewältigung einer anderen Pandemie zu erwähnen. In den 1980er-Jahren brach eine deutlich bedrohlichere Viruspandemie aus: Aids. Die Sterblichkeit der Infizierten betrug vor der späteren Einführung der wirksamen Chemotherapie fast 100 Prozent (!), eine Schutzimpfung existiert bis heute nicht.

Wie jede zuvor unbekannte Infektionsgefahr führte diese Erkrankung in einigen Kreisen der Bevölkerung zu Angst und auch Hysterie; Politik und Medien eingeschlossen. So gab es in der Bundesrepublik Vorstellungen zu Zwangstestungen von Risikopersonen sowie zur Zwangsquarantäne von Infizierten. Ein Gesundheitsminister, der derartige „vorsorgliche“ Stimmungen zur Infektionsbekämpfung aufgenommen oder sogar von sich aus aktiv angeheizt hätte, würde sicherlich einigen Schaden für das Land verursacht haben.

Es ist wohl vor allem der damaligen (1985-88) Bundesgesundheitsministerin Rita Süssmuth zu verdanken, dass sich in der Bundesrepublik in der Aids-Bekämpfung, trotz sehr vieler Unbekannten zum Virus und der Krankheit ein liberaler Handlungsansatz durchgesetzt hat: Vorbeugung durch Aufklärung, Selbstschutz, verantwortungsvolles Handeln gegenüber anderen Menschen.

Im damaligen Leiter der Abteilung Virologie am Robert-Koch-Institut Berlin und Leiter des Deutschen Aids-Zentrums, Meinrad Koch, fand sie dabei den fachkompetenten Partner. Solch bemerkenswert besonnene und sachkundige Interaktion der zuständigen politischen und fachlichen Akteure hätte Deutschland auch während der Corona-Pandemie gutgetan.

Kontaktreduktion ist keine nachhaltige Bekämpfungsstrategie von respiratorischen Viren

Infektionserkrankungen „leben“ vom direkten zwischenmenschlichen Kontakt oder durch Übertragung von Ausscheidungen. Die Kontaktvermeidung war seit Jahrtausenden die erste, „natürliche“ Strategie zur Verminderung der Übertragung von Erregern. Heute nennen wir das „nicht-pharmazeutische Intervention“, da als Alternative zur Kontaktvermeidung gegen viele Infektionen jetzt auch Medikamente und Impfstoffe zur Verfügung stehen. Beim Aids-Virus, das durch direkten Körperkontakt übertragen wird, konnte man durch Kontaktreduktion die Infektion ziemlich sicher verhindern.

Beim Erreger von Covid-19, dem Sars-Coronavirus-2 (Sars-CoV-2), geht das nicht – übrigens auch nicht bei den vielen anderen über die Luft übertragenen Atemwegsviren. Kein Wunder also, dass selbst die drakonischsten Maßnahmen, wie z.B. in Wuhan und anderen Städten, die weltweite Verbreitung von Sars-CoV-2 nicht verhindern konnten. Die Übertragung mit der Atemluft ist weitaus schwieriger zu kontrollieren als die über direkten Körperkontakt.

Eigentlich war bei der Corona-Infektion von Anfang an klar: Der weltweite Ausbruch kommt erst dann zum Stehen und geht in eine Basiszirkulation des Erregers über (endemischer Zustand), wenn der Großteil der Bevölkerung gegenüber dem neuen Erreger immun ist. Klar dürfte jedoch auch gewesen sein: Ein (injizierter) Impfstoff kann zwar die schlimmsten gesundheitlichen Auswirkungen abmildern, aber die Viruszirkulation nicht entscheidend unterbinden.

Anfang 2020 war ersichtlich, dass ohne entsprechende Kontaktreduzierung die Covid19-Erkrankung das Gesundheitssystem überfordern würde. Mit den Erfahrungen aus Wuhan stand auch fest, dass man die Infektion der Menschen letztendlich nicht verhindern kann, aber sie weiter nach „hinten“ verschieben musste. Ein solcher Zeitgewinn eröffnet prinzipiell mehrere Möglichkeiten:

  • inzwischen die Krankenhauskapazitäten auszubauen, neue Therapieverfahren zu entwickeln und bis zum Erreichen der Bevölkerungsimmunität eine stabile Gesundheitsfürsorge zu ermöglichen;
  • Impfstoffe zu entwickeln, zu produzieren und anzuwenden;
  • dem zoonotischen Virus Zeit für die Anpassung an den Menschen zu geben, damit Virusvarianten mit abgeschwächtem Krankheitspotential entstehen und sich ausbreiten können.

Die zeitliche „Streckung“ des Infektionsgeschehens war zu Beginn also der einzig richtige und mögliche Weg. Allerdings „mutierte“ dieses Ziel dann zu mehreren unrealistischen Ansätzen: Unabhängig vom Risiko einer schweren Erkrankung sollte möglichst jegliche Infektion verhindert und die „Infektionsinzidenz“ selbst im Winter auf unter 50/100.000 Einwohner gedrückt werden. Den Höhepunkt derartiger Überlegungen bildeten die selbst von Beratern der Bundesregierung propagierten null-realistischen Null-Covid-Strategien.

 

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Es wurde ausgeblendet, dass die anfänglich richtige Kontaktreduzierung das Infektionsgeschehen verlangsamt – aber, wenn man sie unverhältnismäßig ausweitet und unnötig verlängert, auch die für das Ende der Pandemie notwendige natürliche Immunisierung in die Zukunft verlagert wird. Dadurch wurden unverhältnismäßige Kollateralschäden für Wirtschaft, Kultur sowie die psychische und physische Gesundheit der Menschen verursacht – umso höher, je länger, unspezifischer und rigider die Maßnahmen ausfielen.

In anderen Ländern wurden nach dem Impfangebot die Maßnahmen schrittweise reduziert bzw. beinahe gänzlich aufgehoben. Nicht so in Deutschland, wo z.B. die Maskenpflicht noch bis 2023 reichte. Unberücksichtigt blieb auch, dass sich während der Zeitdauer derartiger Kontaktreduktions-Maßnahmen bei den Menschen auch kein notwendiger Immunschutz gegen die vielen anderen, permanent in unserer Umwelt zirkulierenden Infektionserreger aufbaut; es entstand eine „Immunitätslücke“. Die Konsequenzen sahen wir in China nach der Beendigung der Null-Covid-Strategie oder bei uns in Deutschland im starken Anstieg von Infektionen mit dem Influenza- und Respiratory-Syncytial-Virus im Winter 2022/23.

Leider hat das Gesundheitssystem den Zeitgewinn im Infektionsgeschehen ab 2020 wenig genutzt. Obwohl damals in Deutschland fast eine Milliarde Euro an Steuergeldern allein in die Schaffung zusätzlicher Intensivbetten floss (wir reden hier gar nicht über all die anderen, noch weitaus höheren Kosten der „Corona-Maßnahmen“), kam es in der Folgezeit dennoch zum kontinuierlichen Rückgang der Behandlungskapazitäten – insbesondere durch Abwandern des für die Bettenbetreibung notwendigen Fachpersonals, aber auch durch fehllaufende finanzielle Anreize für die Kliniken.

In den drei Jahren Corona hat man den Beschäftigten in der Kranken- und Altenpflege eine konsequente Verbesserung von Gehalt, Arbeitsbedingungen und gesellschaftlicher Anerkennung vorenthalten; „Applaus vom Balkon“ allein reicht hier nicht.

Wirksame und unwirksame „Schutzmaßnahmen“

Die genannten „Corona-Maßnahmen“ haben vielfältige Kollateralschäden in der Gesellschaft hervorgerufen, über die bereits detailliert in wissenschaftlichen Fachzeitschriften und den Medien berichtet wurde. Bei der notwendigen Schaden-Nutzen-Abwägung stellt sich die Frage, welche der einzelnen „Corona-Maßnahmen“ überhaupt einen wirksamen Einfluss auf die Virusübertragung in der Bevölkerung hatten.

Der Bericht des Sachverständigenausschusses der Bundesregierung vom Juni 2022 gibt darauf kaum eine Antwort. Eher wird hier auf die verpassten Forschungsmöglichkeiten und den eklatanten Datenmangel hingewiesen. International gibt es viele Publikationen und Metaanalysen; viele der von der Bundesregierung unterstützen „Dogmata“, wie z.B. das der Infektionsschutzwirkung von Masken in der breiten Bevölkerung, geraten durch deren Schlussfolgerungen unter Druck.

ie Forschung in Deutschland hat bis dato wenig zum Erkenntnisgewinn auf dem Gebiet der nicht-pharmazeutischen Interventionen beigetragen. Deshalb haben die Verfasser im April 2023 mit anderen besorgten Kollegen in Vorbereitung auf eine mögliche nächste Pandemie eine umfassende Evaluierung der Bekämpfungsmaßnahmen durch die Bundesregierung gefordert: Ohne unabhängige Analyse besteht die Gefahr, dass gleiche Fehler wiederholt werden.

Der Bundesgesundheitsminister hat bereits eingeräumt, dass Aufenthaltsbeschränkungen im Freien wohl eher unnötig waren. Dies war für das Coronavirus als respiratorisches Virus eigentlich von Anfang an klar. Dennoch wurde die Schließung von Spiel- und Sportplätzen, das Verjagen der Bürger von Parkbänken und das Verbot von Demonstrationen unter freiem Himmel exerziert.

Lässt sich das Virus sogar ausrotten?

„Null-Covid“- und verwandte Ideen verfolgen die Absicht, durch noch rigorosere Zwangsmaßnahmen gegenüber der Bevölkerung die Verbreitung des Atemwegsvirus Sars-CoV-2 möglichst komplett zurückzudrängen. Einige Vertreter dieser Utopien träumen sogar von der „Ausrottung“ des Virus in Verkennung der notwendigen Voraussetzungen für ein solches Unterfangen, die aus den Erfahrungen bei der Ausrottung des Pockenvirus eigentlich schon lange gut bekannt waren:

  • Vorhandensein eines wirksamen Impfstoffes, der die Virusweitergabe verhindert;
  • genetische Stabilität des Virus, wodurch der Impfschutz nicht leicht durch Virusmutanten „unterlaufen“ werden kann;
  • Nichtvorhandensein tierischer Virusreservoire, aus denen das Virus zum Menschen zurückverschleppt werden könnte.

Alle drei Bedingungen müssen für eine Virusausrottung erfüllt sein; für Sars-CoV-2 ist es aber nicht einmal eine einzige. „Null-Covid“ verschärft lediglich die Kollateralschäden, wie die Geschehnisse in China auf traurige Weise bestätigt haben.

Kinder im Fokus der Pandemiebekämpfung

Wohl kaum eine Bevölkerungsgruppe hat durch Isolation, Mangel an sozialer Teilhabe und Bildungsdefizite während der „Corona-Maßnahmen“ mehr Schaden erlitten als die Kinder. Die strengen Maßnahmen gegen die Kinder standen im krassen Gegensatz zu der früh in der Pandemie bekannten Tatsache, dass die Virusinfektion bei Kindern in der Regel ohne Erkrankung oder nur mit leichteren Symptomen verläuft. Sehr schwere Verläufe oder gar Todesfälle sind glücklicherweise sehr selten; das war bereits Anfang 2020 aus den Daten aus China abzuleiten und wurde durch das Berichtssystem der Kinderintensivkrankenhäuser in Deutschland früh belegt.

Bereits Ende 2020 wurde auch klar, dass Infektionen in Kindergärten und Schulen meist durch Erwachsene hineingetragen wurden und diese Einrichtungen keine „Hotspots“ der Infektionsausbreitung waren. (Als Begründung für Masken und Zwangstestungen oder gar Schließung der Einrichtungen wurde schließlich suggeriert, dass infizierte Kinder ja ihre „Großeltern töten“ könnten.)

In einer Pressekonferenz im November 2022 bilanzierte der Bundesgesundheitsminister schließlich, dass Kitaschließungen „nach heutigem Wissen“ unnötig waren. Hier fehlte nicht nur die Entschuldigung – hier wird auch Schönfärberei versucht mit dem Hinweis, dass man es ja „damals“ nicht besser wusste. Doch man hätte einfach besser auf die entsprechenden deutschen Fachgesellschaften hören müssen, die auf guter Datengrundlage bereits früh die Öffnung der Kitas und auch Grundschulen mit entsprechenden Hygienekonzepten forderten.

In derselben Veranstaltung bilanzierte die Bundesfamilienministerin den massiven Leidensdruck bei Kindern, der durch die Corona-Maßnahmen hervorgerufen worden ist, und beklagte die „Verschärfung der sozialen Ungleichheit schon bei den Kleinsten“. Als häufigste psychische Erkrankungen im Zusammenhang mit Corona nannte sie Depressionen, Angst- und Essstörungen.

Massentestung und „Kontaktverfolgung“

Eine der in Deutschland breit praktizierten Ideen zur Infektionsbekämpfung war es, mittels anlassbezogener und anlassloser Testung sowie „Kontakt-Nachverfolgung“ möglichst viele Kontaktpersonen von Infizierten zu erfassen und in Quarantäne zu schicken. Über die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme bei einer sich rapide verbreitenden Infektionswelle kann man streiten: vor allem, da auch bis dato keine Studie vorliegt, welchen Effekt dieser gigantische Aufwand hatte.

Ganz praktisch stellte sich aber heraus, dass die beauftragten Gesundheitsämter, die personell und logistisch dafür gar nicht ausgestattet waren, den Infektionen offensichtlich lediglich „hinterherliefen“. Durch diese Überlastung wurde der Öffentliche Gesundheitsdienst auch von seinen eigentlichen Aufgaben abgehalten, so von der Unterstützung der stationären und ambulanten Krankenpflege bei dringend notwendigen Hygienekonzepten: Immerhin traten in diesem Bereich mehr als 60% der Covid-19-assoziierten Todesfälle auf.

Anekdotisch sei ein Bericht der Stadtverwaltung der Landeshauptstadt Potsdam erwähnt, wonach sie zur Verstärkung der „Kontakt-Nachverfolgung“ auch Beschäftigte anderer Abteilungen der Verwaltung abgeordnet habe, darunter Angehörige des (personell ohnehin unterbesetzten) Jugendamtes. Wäre es gerade in dieser Zeit nicht viel nötiger gewesen, dass diese Mitarbeiter ihren Aufgaben im Jugendamt weiter nachgegangen wären und sich um die im Lockdown gefährdeten und besonders belasteten Kinder gekümmert hätten?

Covid-19 versus Influenza

Ein Vergleich mit der pandemischen und saisonalen Influenza, einer anderen über die Atemluft übertragenen Infektionskrankheit, wäre für das Verständnis vieler Aspekte der Corona-Pandemie, zum Beispiel der Virusweitergabe, von Anfang an sehr hilfreich gewesen. Die Influenza (echte Grippe), hervorgerufen durch das Influenzavirus, ist eine schwere Erkrankung. Risikogruppen für schwere Verläufe und Todesfälle sind ältere Menschen, Schwangere und Kinder. Bei Kindern verlaufen Infektionen mit Influenzaviren in der Regel sogar schwerer als Infektionen mit dem Coronavirus.

Im Mainstream wurde jede vergleichende Betrachtung von Influenza und Covid-19 als „Bagatellisierung“ von Covid-19 verurteilt. Wer die vergleichende Betrachtung beider Infektionskrankheiten ablehnte, hat aber möglicherweise die Grippe mit dem „grippalen Infekt“ verwechselt, worunter im Volksmund eine ganze Reihe von meist harmloseren Erkältungskrankheiten zusammengefasst werden.   

Nutzen, Grenzen und Risiken der Impfung

Die Bereitstellung der Covid-19-Impfstoffe in kürzester Zeit kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Ihre Entwicklung und Testung zielte allerdings vor allem darauf, die klinische Schwere der Infektionsverläufe zu vermindern: Ein injizierter Impfstoff gegen Atemwegsviren führt nicht zu einer sterilen Immunität. Wegen der Umgehung des Atemtraktes bei der Verabreichung des Impfstoffes durch Injektion entwickelt sich keine ausreichende Immunität auf den Schleimhäuten. Auch ist die Immunität, die durch ein komplettes Virus sowie Proteine mit natürlicher Struktur ausgelöst wird, nachhaltiger und breiter als die durch ein einzelnes (durch Impfung induziertes) Protein. Geimpfte werden also auch weiterhin für die Infektion empfänglich bleiben und können infektiös sein.

Die Impfung konnte die gesundheitlichen Auswirkungen der Erstinfektion der Menschen erheblich abmildern, war aber nicht „das Wundermittel“ zur Beendigung der Pandemie. Die Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen, die mit viel Medienunterstützung beschlossen wurde, hatte nur begrenzten Nutzen zur Infektionseindämmung, da Geimpfte das Virus eben trotzdem weitergeben konnten.

Ungeimpfte Menschen hatten zwar für sich selbst ein statistisch höheres Risiko, bei Infektion schwerer zu erkranken, aber sie waren keine „unsolidarischen Pandemietreiber“, wie es in vielen Medien, von vielen Politikern und sogar Wissenschaftlern suggeriert wurde. Wenigstens hat der Bundestag 2022 eine allgemeine Impfpflicht für die Bevölkerung abgelehnt. Sie wäre zu diesem Zeitpunkt sowieso epidemiologisch zu spät gewesen; ganz abgesehen von den gesellschaftlichen Kollateralschäden.

Diffamierungen gegen Ungeimpfte

Es wäre ein Akt des gesellschaftlichen Ausgleichs und des Respekts gegenüber dem Elektorat, wenn diejenigen, die den gröbsten moralischen und faktischen Druck auf Ungeimpfte (oder auf Personen, die sich wegen schwerer Nebenwirkungen bei der ersten Impfung nicht noch einmal impfen lassen wollten) ausgeübt haben, ihr Bedauern über ihr eigenes Vorpreschen ausdrücken würden. Es muss erschrecken, mit welcher Rigorosität und scheinbaren Freude an der Diffamierung in einer demokratischen Gesellschaft gegen alle Mitbürger vorgegangen wurde, die auch nur die geringsten Zweifel an der Richtigkeit der Impfpolitik hatten.

Die mehrfach von exponierten Politikern und Medien geäußerte Behauptung, die Covid-19-Impfung sei „nebenwirkungsfrei“, entsprang wohl eher dem Wunsch als der Realität. Bei Personen mit medizinischer Vorbildung muss man wohl an Inkompetenz glauben, wenn man nicht noch Schlimmeres vermuten möchte. Besonders fatal war der politische und moralische Druck auf die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die von der Impfung nur sehr marginal profitierten. Der „Fall“ Joshua Kimmich steht hier nur exemplarisch. Völlig unverständlich bleibt die Nachbestellung von vielen Millionen Impfdosen und Verschwendung von Milliarden an Steuergeldern zu einem Zeitpunkt, da der schwindende Nutzen und Bedarf der Impfung bei der Pandemieeindämmung in Deutschland bereits absehbar war.  

Umso heftiger werden jetzt die möglichen langfristigen Impfkomplikationen, von denen offensichtlich besonders jüngere Personen betroffen sind, diskutiert. Die Diagnose des sogenannten PostVac-Syndroms, das in seinen Symptomen dem Post-Covid (Long-Covid) gleicht, ist jedoch außerordentlich schwierig. Seine Häufigkeit und seine Abgrenzung von Post-Covid sind schwer einzuschätzen, da die meisten Menschen inzwischen sowohl mehrfach geimpft als auch infiziert sind.

Schutz der Alten und Vorerkrankten

Der Altersmeridian der durch die Covid-19-Erkrankung (oder aus anderer Ursache bei gleichzeitig diagnostizierter Sars-CoV2-Infektion) Verstorbenen liegt in Deutschland bei 83 Jahren – also noch über der durchschnittlichen Lebenserwartung. Leider ist nie sauber für die Entscheidungsfindung erhoben worden, wer „durch“ und wer „mit“ Corona verstorben ist.

Von Anfang an war klar, dass Covid-19 vor allem eine Erkrankung der Alten und Vorerkrankten („Vulnerablen“) ist und bei ihnen die schwersten Krankheitsverläufe auftreten. Daraus erwuchs eine Diskussion, ob man wirklich die ganze Gesellschaft in den Lockdown versetzen muss oder nicht besser die Ressourcen auf den Schutz der Vulnerablen konzentrieren sollte. Idealerweise hätte dieser Schutz in der Durchsetzung von effizienten Hygienekonzepten, z. B. in Alten- und Pflegeheimen, bestanden, statt im „Wegsperren“ und einsamen Sterben dieser Menschen.

Die Vulnerablen haben dann am meisten von der Corona-Impfung profitiert, weil sich dadurch die Zahl der durch Covid-19 schwer Erkrankten reduziert hat, also die Krankheitslast der Infektion weiter gesenkt wurde. Die Impfung wird auch in der Zukunft ein entscheidender Bestandteil einer antipandemischen Strategie bleiben. Das ändert nichts daran, dass bei Sars-CoV-2 für jüngere Menschen die Impfung kaum notwendig und das Nutzen-Risiko-Verhältnis ein ganz anders war als bei Älteren.

Die genetische Entwicklung des Pandemievirus

Das Sars-CoV-2 wird, genau wie seine bereits beim Menschen zirkulierenden vier „Coronavirus-Geschwister“, in der Zukunft für einen Teil der jährlichen Atemwegsinfektionen verantwortlich bleiben. Seine weitere Entwicklung und die Krankheitslast werden sich sehr der der anderen endemischen Coronaviren des Menschen nähern. Die überzogene Diskussion um Killer- und Turboviren gehört hoffentlich bald auch der Vergangenheit an.

Natürlich wird die Fehleranfälligkeit von RNA-Viren bei der Vermehrung zu Mutationen und dem Entstehen neuer genetischer Corona-Virusvarianten (Mutanten) führen. Einige davon werden sich dann durchsetzen und in größeren zeitlichen Abständen die vorher zirkulierenden Virusstämme verdrängen, weil sie die Immunität des Wirtes partiell unterlaufen. Die Möglichkeit, dass sich Mutanten mit höherem Krankheitspotential durchsetzen, ist dagegen sehr unwahrscheinlich und biologisch unplausibel, muss aber durch Überwachung des Infektionsgeschehens im Auge behalten werden.

Ob man die Impfstoffe – so wie bei der Influenzaimpfung – regelmäßig anpassen wird, hängt davon ab, ob eine Impfung für die Vulnerablen weiterhin im gesellschaftlichen Interesse ist. Das war bei den bisher bekannten humanen Coronaviren nicht der Fall. Auch ist die Krankheitslast durch diese endemischen Coronaviren geringer als bei der Influenza. Auf jeden Fall würde man dann ebenso wie bei der Influenza ein aufwendiges globales Virus- und Krankheitsüberwachungssystem benötigen und die Interaktionen mit der Impfstoffindustrie zentral koordinieren müssen.

Die seit circa einem Jahr weltweit dominierende, sich effizient ausbreitende Omikron-Variante hat es möglich gemacht, dass eine Infektion großer Bevölkerungsgruppen mit einem geringen Anteil von schweren klinischen Fällen auftreten konnte. Dies führte zu einer natürlichen „Durchimmunisierung“ (zum Teil auch durch wiederholte Infektionen) breiter Teile der Bevölkerung und damit zum Übergang ins endemische Geschehen. Dabei war es von Bedeutung, dass viele der besonders Vulnerablen bereits geimpft waren.

Das Coronavirus wird in Zukunft auf niedrigem Niveau in der Bevölkerung weiter zirkulieren; so wie beim endemischen Auftreten der vielen anderen menschlichen Atemwegsviren. Allerdings wird es nicht das letzte Pandemievirus sein: Medizin-historische Untersuchungen zeigen, dass es im letzten Jahrtausend im Durchschnitt aller 30 Jahre eine (Influenza-)Pandemie gab. Wir sind gut beraten, in Vorbereitung darauf die Lehren aus den vergangenen drei Jahren zu ziehen und vorhandene Erfahrungen beim nächsten Mal auch zu berücksichtigen.     

Fazit

Der entscheidende Faktor zum Eintritt in ein sogenanntes endemisches Geschehen – das Virus zirkuliert weiter, ist aber nicht mehr von überragender Bedeutung als Krankheitsauslöser – war die Ausbildung einer breiten Immunität gegenüber dem Sars-Coronavirus-2 in der Bevölkerung. Die genetische Anpassung des Virus an den Menschen führte zur beschleunigten Virusausbreitung in der Bevölkerung bei gleichzeitiger Abschwächung seiner Pathogenität. Das Virus konnte sich deshalb mit reduzierter Krankheitslast schnell verbreiten und so schrittweise zur natürlichen Immunisierung führen.

Die Impfung half zudem, die Krankheitslast bei Personen mit hohem Risiko für schwere Verläufe (Alte, Vulnerable) zu vermindern. Kontaktreduktionen waren zunächst sinnvoll zur zeitlichen Überbrückung bis zur Impfung und der genetischen Abschwächung des Virus. Die Wirksamkeit und Angemessenheit der in Deutschland besonders weit gehenden und zeitlich ausgeuferten „nicht-pharmazeutischen Corona-Maßnahmen“ bleibt, auch im internationalen Vergleich, fraglich.

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