Corona-Pandemie - Zeit für ein bisschen Zuversicht

Nach allem, was bereits über Omikron bekannt ist, könnte sich die Pandemie gerade von selbst erledigen und Sars-CoV-2 endemisch werden. Nach zwei Jahren pandemiegetriebener Politik sind das sehr gute Nachrichten. Höchste Zeit also, langsam aus der Angst herauszukommen.

FFP2-Maske auf einem Tisch / dpa
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Autoreninfo

Ben Krischke ist Leiter Digitales bei Cicero, Mit-Herausgeber des Buches „Die Wokeness-Illusion“ und Mit-Autor des Buches „Der Selbstbetrug“ (Verlag Herder). Er lebt in München. 

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„Das Sein bestimmt das Bewusstsein“ ist ein viel zitierter Satz, bei dem es sich genau genommen um eine Verkürzung eines Satzes handelt. In ganzer Länge notierte dereinst nämlich Karl Marx in einem Vorwort: „Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.“

Marx’ Studie „Zur Kritik der politischen Ökonomie“ ist 1859 erschienen und damit über 150 Jahre, bevor Corona über die Welt gekommen ist. Und dennoch lässt es sich, losgelöst von seinem Ursprung, gut anwenden auf das, was wir in den vergangenen zwei Jahren erleben und ertragen mussten, über das wir gegrübelt und geschimpft haben, und an dem manch einer derart verzweifelt ist, dass es lange dauern wird, Kopf, Herz und Seele wieder in einen prä-pandemischen Zustand zu versetzen. 

Ein neuer Kollektivismus

Das Sein bestimmt das Bewusstsein, und deshalb lässt sich über die Corona-Pandemie auch sagen, dass ein gesellschaftliches Sein, das nicht (wie bei den Ungeimpften) oder nur arg reduziert existiert (wie bei den Geimpften), sehr wohl etwas macht mit unserem Bewusstsein; damit, wie wir uns selbst und unser Umfeld wahrnehmen, und in letzter Konsequenz dann auch das Leben selbst.

Wenn man sich überdies vergegenwärtigt, dass die Gesellschaft gespalten ist – obgleich sich manch Protagonist bis hin zum Bundeskanzler stur einzureden weiß, dass dem angeblich nicht so sei –, offenbart sich denn auch die gesamte Tragik, die diese Pandemie, aber auch der oftmals kompromisslose Umgang mit ihr, über unsere Gesellschaft gebracht hat. Eine Gesellschaft, in der das Prinzip Leben und Leben lassen vielfach abgelöst wurde durch einen neuen Kollektivismus, mit dem man die Pandemie sinnvoll zu bekämpfen meinte – der aber auch viel verbrannte Erde hinterlassen hat. 

Im Sinne der Vernunft

Auf dem Weg ins Büro bin ich heute morgen an einer Teestube vorbeigekommen. Aushänge wiesen nicht nur auf eine FFP2-Maskenpflicht hin, sondern auch auf eine ganze Reihe Symptome, die dazu führen, dass, so haben es die Besitzer entschieden, Menschen ihre Stube nicht betreten dürfen. Darunter solche, die ganz typisch sind für die Winterzeit –  wie Husten und Schnupfen – und die immer typisch für sie waren.

Nun würde der eine oder andere sicher argumentieren – und mir fallen ad hoc ein Dutzend Publizisten meiner Zunft ein, auf die das zutreffen würde –, dass es in Zeiten wie diesen doch nur richtig sei, mit Symptomen, die auch mit Sars-CoV-2 zusammenhängen könnten, nicht in eine Teestube zu gehen. Das ist auch nicht ganz falsch, aber ob es auch im Sinne der Vernunft ist, steht eben auf einem anderen Blatt.

Sagen wir so: Wer nur vom möglichen Risiko her denkt, der denkt von der Angst her, und ist man erst einmal drin in der Angst, kommt man aus ihr so schnell nicht wieder raus. Wie jene, die mittlerweile bei jedem Schnupfen die Seuche wittern, obwohl die naheliegende Erklärung die ist, dass es draußen halt wieder kalt ist. Doch das Sein bestimmt das Bewusstsein, und so bestimmt das pandemische Sein eben auch das Bewusstsein des Seuchenbürgers.

Ein kluges Virus

Immerhin ist ein Virus immer nur so klug und überlebensfähig, wie die Zahl der Menschen hoch ist, die es bekommen und nicht daran versterben. Und nach allem, was wir derzeit über Omikron wissen, ist die neueste Mutante ein kluges Virus, jedenfalls klüger als ihre Vorgänger. Omikron verbreitet sich schneller, weshalb die Inzidenzen mancherorts wieder merklich steigen, dafür ist es, das belegt eine aktuelle Studie, aber auch weniger tödlich und schickt insgesamt weniger Menschen auf die Intensivstation. 

Nun bin ich kein Virologe oder Epidemiologe, aber erstens sind Sie das wahrscheinlich auch nicht, und zweitens lese ich wirklich viel zu dieser vermaledeiten Pandemie. Und nach allem, was ich jüngst dazu gelesen habe, klingt das für mich nach einer ziemlich guten Nachricht. Denn Sars-CoV-2 scheint derzeit langsam, aber sicher endemisch zu werden und sich vielleicht sukzessive selbst herabzukühlen auf etwas, das vom todbringenden Virus in Richtung wiederkehrende Grippe mutiert.

Ein neuer Optimismus

Weil dem so ist, gibt es wirklich gute Gründe für ein bisschen mehr Optimismus. Dafür, dass es nach zwei Jahren Pandemie und einer milderen Virusvariante eine gute Zeit wäre für mehr Zuversicht. Übrigens gemeinsam. Denn unterm Strich haben alle irgendwie ihren Beitrag geleistet. Die einen, weil sie sich haben schützen lassen vor einem vielleicht schweren Verlauf früherer Varianten, und die anderen, weil sie es nicht getan, dafür aber allerlei anderes über sich haben ergehen lassen. 

Und, was soll ich sagen, Veränderung beginnt nun einmal im Kopf, und da ich nichts von einer Impfpflicht halte, weil die meines Erachtens weder angemessen, noch – mit Blick auf Omikron ohnehin, aber auch mal ganz grundsätzlich – verhältnismäßig ist, bin ich lieber im Team Versöhnung. Wenn Sie mich fragen, haben es alle, wirklich alle Menschen im Land mittlerweile verdient, dass man ihnen ein gutes Gefühl auch einfach mal lässt. 

Stattdessen lese ich Verwirrendes von Susanne Johna, der ersten Vorsitzenden des Marburger Bundes, die dem Redaktionsnetzwerk Deutschland kürzlich sagte: „Es besteht die Gefahr, dass viele Menschen ihre Corona-Infektion gar nicht als solche wahrnehmen und lediglich von einer Erkältung ausgehen.“ Dabei klingt das für mich kein bisschen gefährlich, sondern äußerst erstrebenswert. 

Und ich lese Deprimierendes von Karl Lauterbach (SPD), der es als Berufspessimist bis zum Bundesgesundheitsminister gebracht hat: „Stellen Sie sich eine Sekunde vor, dass die Omikron-Variante deutlich tödlicher wäre. Dann wären wir jetzt in existenzieller Gefahr. Für die Zukunft ist das auch nicht ausgeschlossen. Es kann niemand garantieren, dass sich demnächst nicht eine Variante entwickelt, die sehr viel gefährlicher ist.“

Natürlich kann das niemand garantieren, sei an dieser Stelle angemerkt, denn Prognosen sind halt immer schwierig und bekanntlich vor allem dann, wenn sie die Zukunft betreffen. Und der Mensch kann auch nicht dauerhaft im Panikmodus leben und Angst vor einem Morgen haben, der kommen könnte oder vielleicht auch nicht. Sonst gehört er lieber früher als später auf die Couch, weil er sonst einfach durchdreht irgendwann. 

Bis drei Uhr morgens

Ich glaube deshalb, dass wir mehr Optimismus brauchen in der Politik und weniger Schwarzmalerei, auch, wenn die derzeit noch mehr Aufmerksamkeit und die besseren Posten bringt. Denn das Sein bestimmt eben das Bewusstsein, und zur Abwechslung möchte ich irgendwann, am besten zeitnah, wieder in einer Welt leben, in der wir – Sie und ich, geimpft oder ungeimpft – einfach nur sein können, da das Leben so oder so gefährlich ist. 

Da ich irgendwann sterben muss, wäre es jedenfalls schön, wenn Medien, Politik und Gesellschaft wenigstens langsam rauskommen würden aus der Angst. Denn je länger, das schrieb ich bereits, man da drin steckt, desto schwieriger wird der Ausweg. Es lohnt sich, dann und wann daran zu denken. Und bis ich sterbe irgendwann, würde ich gerne nochmal Zugfahren ohne Maske oder bis drei Uhr morgens Bier trinken in einem Wirtshaus. Seite an Seite mit einem ungeimpften Freund. 

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