Pandemiepolitik - Fehler aus Unwissenheit? - Teil 2

Politiker und Medien rechtfertigen die massiven Freiheitseinschränkungen während der Pandemie mit dem fehlenden Wissen über das Coronavirus. Doch das ist ein Mythos - bereits frühzeitig waren die mangelnde Aussagekraft von Inzidenzen und die erheblichen Impf-Nebenwirkungen bekannt.

Die Bundesregierung ignorierte wissenschaftliche Studien, die im Widerspruch zu ihrer Linie standen / picture alliance
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Autoreninfo

Boris Kotchoubey ist Professor am Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie an der Universität Tübingen.

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Den ersten Teil, in dem es darum ging, was man schon frühzeitig über die Effekte von Lockdowns und Maskenpflicht wissen konnte, finden Sie hier

Massentestung und „Inzidenzen“ 

1980 veröffentlichte die israelische Psychologin Maya Bar-Hillel einen der meistzitierten Artikel zur Methodologie von Testverfahren. Demnach nehmen die meisten Menschen selbstverständlich an, dass die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Test einen Fehler macht, einzig und allein von der Qualität des Tests abhängt. Bessere Tests machen weniger Fehler als schlechtere Tests, nicht wahr? Nein, nicht ganz. 

An einem Novembertag des Jahres 2022 berichtete das RKI, dass in Deutschland 9% der Menschen Atemwegserkrankungen haben, davon fielen 10% auf Covid-19. Nehmen wir an, dass wir einen Covid-Test haben, der nur 2% Fehler in jede Richtung macht, d.h. von 100 Covid-Erkrankten erkennt er 98, und von 100 anderen (Patienten oder Gesunden) erkennt er von 98, dass sie kein Covid haben. Nun testen wir auswahllos eine Million Menschen mit diesem Test. Laut den obigen RKI-Daten hatten 0,9% von ihnen Covid, d.h. 9000 Menschen. Der Test erkennt die Krankheit bei 8820 von ihnen (98%). Die restlichen 991.000 Getesteten haben kein Covid-19, doch unser Test diagnostiziert Covid-19 bei 2% von ihnen, also bei 19.820 Menschen. Insgesamt beobachten wir 19.820 + 8820 = 28.640 positive Testergebnisse. All diese positiv Getesteten werden in die Quarantäne geschickt, evtl. behandelt o.ä. 

Davon haben aber 19.820, d.h. mehr als zwei Drittel, kein Covid-19! Sie sind sogenannte Falschpositive. Der Test macht nur 2% Fehler, doch die Fehlerrate liegt bei 69%. 

Zahl der falschen Testergebnisse hängt nicht nur von der Testqualität ab

Alternativ dazu können wir nur 100.000 Personen testen, und zwar nur solche, die Atemwegbeschwerden haben. Wir wiederholen die gleiche Prozedur auf der Basis derselben RKI-Zahlen. 10.000 Getestete haben Covid-19; der Test fällt bei 9800 von ihnen positiv aus. 90.000 haben andere Viren oder Bakterien; der Test ist bei 2% von ihnen, also bei 1800 Menschen, positiv. Insgesamt haben wir 11.600 positive Testergebnisse, und die Fehlerrate, also der Anteil von Falschpositiven, beträgt rund 15%. Das ist zwar immer noch mehr als die 2%, welche die Testqualität charakterisieren, aber kein Vergleich mit der erschreckenden Fehlerquote von 69%! 

Der erste Schluss, der sich aus diesem Rechenbeispiel ziehen lässt, ist: Die Zahl der falschen Testergebnisse hängt nicht nur von der Testqualität ab, sondern – entscheidend! – davon, wie viele und wen wir testen. Daraus folgt natürlich der zweite Schluss: Weil die WHO – unabhängig von der Schwere der Krankheit – eine Pandemie als weltweite Verbreitung von Fällen einer Infektionskrankheit definiert, kann mit Hilfe von Massentests gesunder Personen immer (auch z.B. morgen früh, also bitte keine Überraschung!) eine Pandemie ausgerufen werden. Man braucht dafür nichts als (a) ausreichend viel Testmaterial, um Hunderte Millionen Menschen in verschiedenen Ländern zu testen, und (b) das Unwissen der Öffentlichkeit über die obengenannten Sachverhalte. 

Anzahl positiver Testergebnisse hat nur geringe Aussagekraft

Wir sprechen vom Unwissen der Öffentlichkeit, denn für jeden Experten ist das Erläuterte selbstverständlich. Medizinstudenten lernen die entsprechenden Sachverhalte und lösen die entsprechenden Aufgaben in einem der ersten Semester, lange bevor sie erfahren, was ein Virus ist.

Herr Professor Drosten hat deshalb noch 2014 die Regierung von Saudi-Arabien für die häufigen Tests während der MERS-Epidemie kritisiert. Regelmäßiges Testen gesunder Personen, bemerkte er vollkommen korrekt, führt notwendigerweise zum Überfluss positiver Testergebnisse, wodurch gesunde Menschen fälschlicherweise als MERS-Kranke behandelt werden. Auch die Internetseite des RKI beinhaltet die korrekte Information, nur der Text erweckt beim fachfremden Leser den Eindruck, dass diese Information lediglich für die antigenbasierten Schnelltests zutrifft. Das ist natürlich falsch: Das Argument betrifft auch den PCR-Test und überhaupt jeden Test, denn er beruht auf rein mathematischen Überlegungen, und Mathematik ist die einzige Wissenschaft, deren Wahrheiten ewig und unveränderbar sind; 2+2=4, unabhängig davon, ob Planeten, Nüsse oder Protonen addiert werden. 

Das bedeutet, dass die Einführung politischer Maßnahmen aufgrund der sogenannten Inzidenzen, d.h. der bloßen Anzahl positiver Testergebnisse, offensichtlich keinen Sinn macht und dass dies jedem Experten, ja jedem Medizinstudenten als Bestandteil des Prüfungsstoffes bekannt sein sollte. Die Aussage „die Inzidenz ist 100“ ohne die Angaben, wie viele Personen unter welchen Bedingungen getestet und nach welchen Kriterien sie zum Testen ausgewählt wurden, bleibt genauso inhaltsleer wie die Aussage „der Gegenstand hat eine Länge von 100“ ohne die Erklärung, ob es sich um 100 cm, 100 Zoll oder 100 Seemeilen handelt. 

Fazit: Da die Anzahl positiver Testergebnisse für sich genommen keine Aussagekraft hat, waren alle Maßnahmen und Einschränkungen aufgrund dieser Zahl sinnlos. Sie hatten keinen Bezug zum epidemischen Geschehen und konnten dieses Geschehen keineswegs beeinflussen. Diese Schlussfolgerung lässt sich aus den medizinischen Grundkenntnissen ziehen, die man nicht „nicht wissen“ konnte.  

Wirksamkeit der Impfstoffe 

Wer über Grundkenntnisse der Virologie verfügt, weiß, dass Coronaviren sehr schnell mutieren, noch schneller als Grippeviren, und dass die Grippeimpfungen aufgrund rascher Mutation nur eine moderate Wirkung haben, die mit der Zeit schnell abklingt. Allein deshalb konnte man vermuten, dass das Rennen zwischen Impfstoffherstellern und Mutationen einem Rennen zwischen Hase und Igel gleichen würde.  

Als die ersten Impfstoffe Ende 2020 fertig waren, berichteten ihre Hersteller über eine Wirksamkeit von zwischen 90 und 95%. Was bedeutete das? Jeder Medizinstudent lernt nach den ersten vier Semestern zwischen einer relativen und einer absoluten Wirksamkeit zu unterscheiden.

Für die Gesamtbevölkerung ist nur die absolute Wirksamkeit von Interesse, was durch ein einfaches Beispiel illustriert werden kann: Wenn von 100.000 Behandelten keiner stirbt, von 100.000 Unbehandelten hingegen einer verstirbt, folgt daraus eine relative Wirksamkeit der Behandlung von 100%! Wenn aber von 10.000 Unbehandelten 5000 sterben und von 10.000 Behandelten 4000 sterben, so ist die relative Wirksamkeit nur 56%, obwohl die absolute Wirksamkeit 10% beträgt, weil die Behandlung 1000 von 10.000 Menschenleben gerettet hat, und im ersteren Fall nur ein Leben von 100.000, was einer absoluten Wirksamkeit von 0,001% entspricht. Anders ausgedrückt: Im ersten Beispiel müssen wir, um ein Leben zu retten, 100.000 Menschen behandeln, im zweiten Beispiel müssen dafür nur zehn Menschen behandelt werden. Offensichtlich ist die Behandlung im zweiten Fall wirksamer. 

Bei den postulierten 90-95% handelte sich ausschließlich um die relative Wirksamkeit, die mit gespielter Naivität jedoch einfach „Wirksamkeit“ genannt wurde, so als ob die Damen und Herren Pharmaforscher von anderen Wirksamkeitsmaßen nie gehört hätten. Dabei ist seit den 1990er-Jahren bekannt, dass die Datendarstellung nur in Begriffen der relativen Wirksamkeit (ohne andere Wirksamkeitsmaße) ein Verkaufstrick ist, mit dem die Bereitschaft, ein Pharmaprodukt zu kaufen, künstlich erhöht wird (Zusammenfassung der entsprechenden Studien). Was die absolute Wirksamkeit betrifft, so konnte sie aus den veröffentlichten Zahlen der Zulassungsstudien berechnet werden; sie lag im Bereich zwischen wenigen Promille und wenigen Prozenten. 

 

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Neben der Unterscheidung zwischen verschiedenen Wirksamkeitsmaßen ist die Frage von Interesse, wogegen die Impfung wirksam sein soll. Die in den Zulassungsstudien berichteten 90-95% betrafen die relative Wirksamkeit gegen asymptomatische Infektion, d.h. einen positiven PCR-Test, und gegen symptomatische Infektionen, d.h. gegen erkältungsähnliche Erkrankungen mit Husten, Hals- und Kopfschmerzen, leichtem Fieber und anderen gemeinhin bekannten Symptomen.

Die Zulassungsstudien Ende 2020 zeigten nicht, ob die Impfungen gegen schwere Formen von Covid-19 (Lungenentzündungen, Hospitalisierung, intensivmedizinische Behandlung) auch nur eine relative Wirksamkeit aufwiesen. Der Grund ist sehr einfach: Die Impfstoffe wurden vorwiegend an Menschen mittleren Alters untersucht, obwohl sie danach als Erstes bei Älteren und Alten angewendet werden sollten, was für sich genommen schon ein grober Verstoß gegen entwicklungstechnische Regeln ist. Im mittleren Alter treten schwere Formen von Covid-19 so selten auf, dass die Anzahl der entsprechenden Fälle in den Zulassungsstudien zu niedrig war, um vernünftige statistische Größen zu berechnen. 

Dabei ist die potentielle Reduktion schwerer Covid-Fälle nicht nur von prinzipiellem inhaltlichen Interesse, sondern diese Reduktion ist gleichfalls erklärtes Ziel der bedingten Zulassung eines Medikaments und so mithin der einzige Grund, warum es bedingt zugelassen werden kann, statt die übliche Prozedur der normalen Zulassung durchlaufen zu müssen. Ob ein paar Tausend Menschen tatsächlich vom Schnupfen „gerettet“ werden können, ist dabei ziemlich irrelevant. Die Ironie besteht darin, dass die Impfbefürworter es für völlig normal halten, wenn ein frisch Geimpfter ein bis zwei Tage subfebrile Temperatur sowie Kopf- und Muskelschmerzen hat – wenn also die Impfung etwa dieselben niedrigschwelligen Symptome auslöst, die bei einer Covid-Ansteckung laut den Zulassungsstudien durch die Impfung verhindert werden. 

Zum Zeitpunkt der Zulassung keine Hinweise auf Wirksamkeit

Ein klarer Zielwert für eine Notzulassung wäre die Absenkung der Gesamtsterblichkeit, denn gerade deshalb verkürzt man alle Überprüfungsprozesse, um die Bevölkerung vor der drohenden Übersterblichkeit zu schützen. Doch in den Zulassungsstudien erwies sich die Gesamtzahl der Verstorbenen in den geimpften und ungeimpften Gruppen als ungefähr gleich. 

Konnte man zumindest vermuten, dass die Impfung die Übertragbarkeit der Infektion verhindert? Aus theoretischen Gründen war diese Annahme vom Anfang an implausibel, da die durch die Impfung entstandenen Antikörper im Blut vielleicht vor dem Eindringen der Viren in die Lungen (theoretisch) schützen könnten, nicht aber die Viren in der Nase und im Rachen bekämpfen. Denn die Schleimhaut der oberen Atemwege hat ihr eigenes Immunsystem, das mit dem System der erworbenen Antikörper nicht zusammenhängt. Und das sind die Viren der oberen Atemwege, die durch Husten und Niesen weitergegeben werden. Kein Wunder also, dass die Vizedirektorin von Pfizer auf die direkte Frage, ob ihr Impfstoff auf den Fremdschutz (d.h. Schutz vor Übertragung) getestet wurde, eine genauso direkte Antwort gab: Niemals; daran habe man gar nicht gedacht. 

Fazit: Zum Zeitpunkt der Zulassung (Ende 2020) gab es keine Hinweise auf eine Wirksamkeit der Impfstoffe. Die damals vorhandenen Wirksamkeitsdaten beruhten erstens auf falschen Wirksamkeitsmaßen, was die Experten zweifellos wissen mussten, und zweitens auf irrelevanten Gesundheitsparametern: dem Vorhandensein eines Erregers in der Schleimhaut (auch ohne Symptome) oder Bagatellerkrankungen. 

Impfnebenwirkungen 

Während für die Annahme einer Wirksamkeit der Impfstoffe Ende 2020 keine Gründe vorlagen, konnten ernsthafte Nebenwirkungen durchaus angenommen werden. Zum einen handelte es sich um eine vollkommen neue Impftechnologie, und alle großen Übersichtsstudien zeigen, dass prinzipiell neuartige Medikamente nur in seltenen Ausnahmefällen gleich von Beginn an effektiv und sicher sind. Tierstudien im Langzeitverlauf, die gezeigt hätten, dass zumindest bei Tieren mit keinen ernstzunehmenden Nebenwirkungen zu rechnen wäre und die wenigstens eine erste Entwarnung hätten geben können, lagen ebenfalls nicht vor und tun dies noch heute nicht. Im Gegenteil gab es in Tierstudien Hinweise auf Schädigungen von Leber und Lungen. 

Bis dato war diese neue Technologie nur zur Behandlung von Krebspatienten experimentell eingesetzt worden, meistens an kleineren (20-40) Stichproben von Patienten, die zum Zeitpunkt der Behandlung an einer lebensbedrohlichen Krankheit litten. Nun sollte diese Technologie weltweit Massen von gesunden, zum größten Teil nicht bedrohten Personen verabreicht werden. Bei gesunden Menschen wurden mRNA-basierte Vakzine vor 2020 nur an kleinen Gruppen getestet, wobei insgesamt 4% aller Teilnehmer schwere Nebenwirkungen erlitten. Die Zulassungsstudien von 2020 schlossen zwar fünfstellige Probandenzahlen ein, aber die Beobachtungen waren nur über zwei Monate (statt der üblichen 12–24 Monate) gelaufen, womit jegliche Daten zu möglichen Spätnebenwirkungen fehlten.

500.000 gemeldete schwere Nebenwirkungen

Ende des Jahres 2020 war ebenfalls bekannt, dass die Impfstoffe zumindest potentiell toxische Komponenten wie Lipidnanopartikel beinhalten. Da die toxischen Wirkungen des Spike-Proteins, welches das SARS-Cov-2 Virus produziert, zu diesem Zeitpunkt bereits gut untersucht waren, gab es keinen Grund, ohne Weiteres daran zu glauben, dass das durch die mRNA-basierte Impfung im Körper hergestellte Spike-Protein harmlos sein würde. Da man das Impf-Spike dem Virus-Spike genau nachgebildet hatte, besitzt es weitestgehend dieselben toxischen Eigenschaften. Gleichzeitig wusste man nichts darüber – und weiß auch heute nicht –, welche Menge von Spike-Proteinmolekülen nach der Impfung gebildet wird und wie viele davon sich frei im Blut- oder Lymphsystem bewegen.  

Für die Fälle, in denen ein Medikament aus dringenden Gründen in Umlauf gesetzt werden muss, ohne dass seine potentiellen Gefahren ausgeschlossen worden sind, existiert der Begriff „Pharmakovigilanz“: Die genaue Verfolgung der Ereignisse im Laufe der Anwendung. Dieses System hat bisher erfolgreich funktioniert, da mehrere Medikamente und Impfstoffe in den Jahren 2010-2020 aus dem Verkehr genommen wurden, nachdem etwa ein Dutzend Verdachtsmeldungen berichtet worden waren, nach denen sie Todesfälle hervorrufen können.

Die maximale weltweite Anzahl der Todesmeldungen, aufgrund derer ein neues Medikament widerrufen wurde, lag bisher bei 50. Bereits der erste Pharmakovigilanz-Bericht von Biontech-Pfizer vom 28.Februar 2021 enthielt 1200 Verdachtsmeldungen über Todesfälle im möglichen Zusammenhang mit der Impfung. Bis zum 4. Juni 2021 wurden in den USA 4249 und in Europa (EU + Schweiz) 3606 Verdachtstodesfälle gemeldet, was die „Alarmschwelle“ von 50 um einen Faktor von 157 überschreitet. 

Selbstverständlich konnten nur wenige der Meldungen mit Hilfe von Obduktionen genau bestätigt werden; aber das trifft sowohl für die 7855 Meldungen nach Covid-Impfungen als auch für die früheren 50 Meldungen zu, und es gibt keinen Grund anzunehmen, warum dieses Argument einmal entscheidend, ein anderes Mal belanglos sein kann. Die Gesamtzahl der gemeldeten schweren Nebenwirkungen in Europa und den USA lag zu diesem Zeitpunkt über 500.000. Damit war die Häufigkeit der Verdachtsmeldungen pro eine Million Impfdosen für schwere Nebenwirkungen ca. 150 Mal höher als bei Grippeimpfungen, für Todesfälle zwischen 20 und 50 Mal höher als bei Grippeimpfungen. 

Umgekehrte Beweislast

Angesichts dieser alarmierenden Zahlen könnte man erwarten, dass die entsprechenden Strukturen, in erster Linie das Paul-Ehrlich-Institut, entweder die bedingte Zulassung sofort anhalten, oder das passive Meldesystem, bei dem die Meldung völlig freiwillig ist (was zu einer erheblichen Dunkelziffer von nicht erfassten Nebenwirkungen und Todesfallen führen kann), durch die aktive Erforschung einer repräsentativen Stichprobe von verdächtigten Fällen ersetzt. Stattdessen beließ es der Entscheidungsträger bei dem trivialen Statement, dass nicht jedes Ereignis, das im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung steht, auch tatsächlich von dieser verursacht wird.

Damit wird die Beweislast umgekehrt: Nicht die Hersteller und Anwender müssen argumentieren, dass die Impfstoffe nebenwirkungsarm sind, sondern im Gegenteil, jeder Geschädigte und jeder Hinterbliebene eines nach der Impfung Verstorbenen muss nun kausal beweisen, dass der eingetretene Schaden im direkten Zusammenhang mit der Wirkung der Impfstoffe steht. 

Fazit: Ernstzunehmende Verdachtsmomente zu möglichen schweren Impfnebenwirkungen lagen bereits im Moment der Notzulassung vor. Eindeutige Alarmsignale, die in der Vergangenheit zu einem sofortigen Stopp der Anwendung eines Medikaments geführt haben, wurden spätestens im Juni 2021 bekannt. 

Logische Inkonsistenz 

Die gegenwärtig verbreitete Behauptung, dass zum Zeitpunkt der Entscheidungen empirische Grundlagen, sprich Daten, für diese Entscheidungen fehlten, widerspricht dem Zeitablauf der Dinge. Aber außer diesem faktischen Widerspruch ist diese Behauptung auch in sich inkonsistent. Denn zu jenen Zeitpunkten, als die entsprechenden politischen Entscheidungen (z.B. Lockdown, 3G-, 2G-Maßnahmen) getroffen wurden, wurden sie uns eben nicht als Entscheidungen unter hoher Unsicherheit präsentiert, als riskante Politik im Nebel der Ungewissheit, sondern genau umgekehrt, als glasklare Sicht im hellen Licht der einzig wahren Wissenschaft. Diese Entscheidungen wurden nicht als notwendiges Übel, sondern als absoluter Segen beschrieben.

Es gab keine Aussagen der Art: „Wir wissen nicht, ob die Maßnahme XYZ mehr Schaden als Nutzen verursacht, aber wir müssen angesichts der unklaren Lage etwas ausprobieren, und falls das erwartete Ergebnis ausbleibt oder Probleme auftreten sollten, beenden wir diese umgehend.“ Im Gegenteil wurden die falschen Behauptungen in der Regel im Ton einer über alle Zweifel erhabenen Wahrheit formuliert: „Masken schützen von Virusübertragung“, „Kinder sind Virenschleudern“, „Impfungen sind nebenwirkungsfrei“. In ihrer durch einen Rhetoriker-Preis gekrönten Rede verglich Angela Merkel die Notwendigkeit eines Lockdowns mit der objektiven Notwendigkeit physikalischer Gesetze, wie etwa des Schwerkraftgesetzes. Das ist das genaue Gegenteil einer Sprache, in der Handlungen unter hoher Unsicherheit beschrieben werden.  

Wer im Nebel fährt, riskiert einen Unfall

Wer unsicher ist, sucht nach Informationen und ist bereit, andere Meinungen zu hören und alternative Vorschläge zu diskutieren. Derartige Vorschläge wurden bereits Mitte 2020 zahlreich ausgearbeitet. Es genügt, hier nur zwei dieser Konzepte zu benennen: Das Programm der Gruppe um Prof. Dr. Matthias Schrappe sowie den Vorschlag der US-Epidemiologen Prof. Jay Bhattacharya, Prof. Martin Kulldorff und Prof. Suneta Gupta, der international von Hunderttausenden von Ärzten und Wissenschaftlern unterzeichnet wurde. Dass die Entscheidungsträger diese substantiierten Vorschläge keinesfalls beachteten, weist darauf hin, dass sie – entgegen dem gegenwärtigen Medientenor – sich ihrer Strategie vollkommen sicher waren. 

Jetzt kursiert die Formulierung, die Regierung musste unter den damaligen Bedingungen „auf Sicht fahren“. Wer allerdings auf Sicht fährt, vermeidet Eile und bleibt bremsbereit. Die Corona-Politik zeichnete sich dagegen durch hohe Geschwindigkeit aus und durch die Unfähigkeit, einmal abzubremsen oder die geplante Richtung zu ändern. Wer so im Nebel fährt, riskiert einen schweren Unfall. 

Allgemeines Fazit 

Die gegenwärtig in den Medien verlautbarte Meinung, die Fehler in der Corona-Politik erklären sich durch die hohe Unsicherheit der damaligen Lage und unsere jetzige Beurteilung dieser Fehler beruhe auf einem Wissen, das damals gar nicht vorhanden war, kann nur in Bezug auf den ersten Lockdown im März-Mai 2020 akzeptiert werden. Alle weiteren Corona-Maßnahmen wurden angeordnet, nachdem deutliche Hinweise darauf, manchmal sogar klare Signale darüber vorlagen, dass die Maßnahmen mehr schädlich als nützlich sein würden

In den Fällen, in denen tatsächlich Daten fehlten, wie z.B. die Daten zur Unterscheidung zwischen „an“ und „mit“ Corona Erkrankten und  Verstorbenen, war zumindest klar, dass sie fehlten, obgleich sie für die Entwicklung einer wissensbasierten Corona-Politik notwendig waren. Es war klar, dass diese Daten unbedingt ermittelt werden mussten. Diese notwendigen Untersuchungen wurden aber nicht durchgeführt. Aus diesem Grunde lässt sich auch in diesen Fällen nicht sagen, dass die Entscheidungsträger einen wichtigen Sachverhalt nicht wussten, sondern vielmehr, dass sie ihn nicht wissen wollten, und das ist bei Weitem nicht dasselbe.  

In anderen Fällen waren die Grundlagen für Maßnahmen wissenschaftlich sinnfreie Messgrößen, wie die Anzahl positiver Testergebnisse (unabhängig davon, wer und wie viele getestet wurden) oder die relative Wirksamkeit. Dass diese Messgrößen nichtssagend sind, ist seit Jahrzenten Teil des medizinischen Grundwissens. 

Schließlich widerspricht die Behauptung über „Unsicherheit und Ungewissheit“ als den bestimmenden Faktoren für Fehlentscheidungen der gesamten Rhetorik der damaligen Politik, die – im genauen Gegenteil zu dieser Behauptung – versucht hat, uns davon zu überzeugen, dass alle Maßnahmen „vom Ende gedacht“, streng wissensbasiert und alternativlos gewesen seien.

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