CDU-Vorsitz - Warum nicht Lammert?

Laschet, Merz, Röttgen. Diese Herren kämpfen um den Parteivorsitz. Aber sind das wirklich die geeignetsten Kandidaten? Der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert hat Erfahrung, Durchsetzungskraft und ist rhetorisch überlegen - warum also nicht er?

Norbert Lammert, Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung und ehemaliger Bundestagspräsident, beim 60. Geburtstag der Friedrich-Naumann-Stiftung / picture alliance
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Stefan Dietrich leitete bis 2011 das Ressort Innenpolitik bei der FAZ und lebt heute als Publizist in Celle

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Warum, zum Donner, fragt niemand Norbert Lammert, ob er für eine Übergangszeit bereit wäre, den Vorsitz der CDU zu übernehmen und der Partei, der er seit 54 Jahren angehört, aus der Patsche zu helfen? Lammert könnte das. Er genießt hohes Ansehen in der Bevölkerung und Autorität in der CDU. Er ist ein Mann von makelloser Integrität; einer, der das politische Geschäft und seine Partei wie wenige andere kennt.

Er wird nicht Kanzler werden wollen und ist gerade deshalb prädestiniert dafür, die CDU neu auszurichten und ihr bei der Suche nach einem vorzeigbaren Nachfolger zu helfen. Aber man wird ihn darum bitten müssen. Warum tut das niemand? Lammert kann besser reden als Merz, ist durchsetzungsfähiger als Laschet und allemal erfahrener als Spahn und Röttgen. Aber gibt es nicht gerade schon ein Überangebot an Kandidaten aus NRW? Das kann es ja wohl nicht sein.

Sein Name ließe Hoffnung keimen

Käme er auf die Bühne, wären es gleich weniger. Sein Name ließe aufhorchen und Hoffnung keimen, dass es für die CDU vielleicht doch noch ein Leben nach Merkel geben könnte. Bei den vier männlichen Kandidaten, die bisher die Hand gehoben haben und den vier Frauen, die jetzt unversehens ins Schaufenster gestellt werden, hat sich ein solcher Effekt noch nicht eingestellt.

Lammert ist schon oft nicht gefragt worden. 32 Jahre lang drückte er die Abgeordnetenbank, ohne je über den Status eines Parlamentarischen Staatssekretärs (in drei verschiedenen Ministerien) hinauszukommen. Weder Helmut Kohl noch Angela Merkel wollten ihn in der ersten Reihe ihrer Ministerriege sehen. Auch 2010, als Merkel händeringend einen Nachfolger für den zurückgetretenen Bundespräsidenten Köhler suchte, ließ sie Lammert links liegen und fragte Wulff.

Nervig, aber überlegen

Ach, hätte sie doch den anderen gefragt! Beide Kanzler fürchteten wohl, dass Lammert – ob als Kabinettsmitglied oder als Hausherr im Schloss Bellevue – sie rhetorisch überstrahlen und ihnen intellektuell in die Quere kommen würde. Einer wie er war als Parteisoldat nicht zu gebrauchen, wenn es um die Wahl zwischen Opportunität und politischer Notwendigkeit ging.

Das hat er als Bundestagspräsident oft genug bewiesen. Er scheute sich nicht, die Rechte des Parlaments gegenüber der Regierung und sogar das Rederecht einzelner Abgeordneter gegenüber der Unionsfraktion zu verteidigen. Mit einem Wort: Er nervte. Darum wird Merkel ihn auch jetzt nicht fragen.

Ein Mann der Pflicht und kein Parteisoldat

Lammert ist 2017, auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn, aus der Politik ausgestiegen, ohne dass ihn jemand dazu gedrängt hätte. Ganz offensichtlich waren private Gründe dafür ausschlaggebend; der Wunsch, mehr Zeit mit seiner Frau, den vier Kindern und seinen Enkeln zu verbringen.

Sicher würde er es auch jetzt spontan ablehnen, sich noch einmal für das höchste Parteiamt in die Pflicht nehmen zu lassen, gerade weil Pflicht für ihn nie ein leeres Wort war. Die Not der CDU muss vielleicht noch größer werden und der Ruf nach Lammert müsste zu einem Chor anschwellen, damit er sich besänne. Wo bleibt der Chor?

Lammert als Retter in der Not?

Mit dem Fahrplan der gegenwärtigen Parteivorsitzenden steuert die CDU mit Sicherheit auf eine größere Notlage zu. Die Wahl ihres Nachfolgers oder einer Nachfolgerin Ende April wird die gegenwärtige Führungskrise nicht lösen, sondern vertiefen.

Der oder die neue Vorsitzende hätte weitere eineinhalb Jahre an der Seite der Bundeskanzlerin unfallfrei zu überstehen und, wenn es schlecht läuft, dabei noch den Machtkampf um die Kanzlerkandidatur gegen weitere Parteifreunde auszufechten. Diese Tortur wird keiner der jetzt angetretenen Kandidaten überleben. Norbert Lammert aber könnte der Schutzpatron sein, unter dessen Führung die CDU aus der Endzeit der Ära Merkel mit heiler Haut und einem vorzeigbaren Anwärter auf das Kanzleramt herauskäme. Also warum fragt ihn keine(r)?

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