Verschobener CDU-Parteitag - Die Hängepartie ist ein Schaden für die Union

Es gibt gute Gründe dafür, den CDU-Parteitag zu verschieben. Doch die Partei hat damit auch Chancen vertan. Pascal Reddig von der Jungen Union glaubt, dass die ungelöste Führungsfrage ein Problem für den Bundestagswahlkampf werden wird.

Röttgen, Merz, Laschet: Ausufernde Personaldiskussionen / dpa
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Vieles spricht dafür, dass uns mit Blick auf die Anzahl der Neuinfektionen und die dynamische Entwicklung noch schwere Wochen und Monate bevorstehen. Wenn wir schon jetzt einen neuen „Lockdown light“ in Erwägung ziehen, muss uns bewusst sein, dass die Lage im Dezember wohl kaum besser sein wird. Ein Parteitag mit 1001 Delegierten, Gästen und Journalisten kann deshalb für einige nur noch Wunschvorstellung, aber kaum erwartete Realität gewesen sein. 

Die Absage des CDU-Bundesparteitags in Präsenzform durch die zuständigen Gremien war deshalb in erster Linie verantwortungsvoll und vorausschauend. Für weniger verantwortungsvoll halte ich aber die Entscheidung, auch eine alternative Durchführung des Parteitags abzulehnen. Ein digitales Format des Bundesparteitags mit anschließender Urnen- oder Briefwahl wäre ebenso möglich und umsetzbar gewesen, wie die Verteilung der Delegierten auf mehrere Hallen. Stattdessen entschied der CDU-Bundesvorstand, darüber erst im kommenden Jahr befinden zu wollen. 

Ungelöste Führungsfrage

Uns als Partei wird diese Entscheidung schaden. Bis zur Bundestagswahl sind es keine zwölf Monate mehr und wir tragen weiter eine ungelöste Führungsfrage vor uns her. Unter vielen Mitgliedern nimmt der Wunsch zu, Gewissheit zu haben, wer uns als Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat in die Nach-Merkel-Ära führen wird. Ich halte diesen Wunsch für berechtigt. Insbesondere, weil wir wissen, dass monatelange Personaldiskussionen mehr schaden als nutzen. Wir müssen nur zu unserem Koalitionspartner schauen, der eindrucksvoll bewiesen hat, wie sich eine Partei dank der eigenen Selbstbeschäftigung in kürzester Zeit halbieren kann. 

Viel gelesen habe ich nach der Entscheidung des Bundesvorstands das Zitat „Erst das Land, dann die Partei, dann die Person“. Mit Blick darauf wäre es allerdings nützlicher gewesen, dem Land und uns als Partei ausufernde Personaldiskussionen zu ersparen. Ich würde mir wünschen, dass wir die Parteivorsitzendenfrage zeitnah klären – auch um eine inhaltliche Lähmung der CDU zu verhindern. 

Chance vertan

Wir haben mit der Entscheidung darüber hinaus auch konzeptionell eine Chance vertan. Als 75-jährige Partei wirken unsere Strukturen nicht nur in der öffentlichen Wahrnehmung, sondern auch aus der Innenansicht heraus, häufig zu starr und verkrustet. Mit einem innovativen Konzept für den Parteitag könnten wir Vorreiter sein und beweisen, dass wir bereit sind, andere Wege zu gehen. Wir fordern gerade von der Schule bis zur Wirtschaft mehr Digitalisierung und kreative Lösungen. Diesem Anspruch an andere sind wir mit der grundsätzlichen Absage selbst nicht gerecht geworden. 

Unterschiedliche Meinungen sollten in einer gut funktionierenden Partei zur Selbstverständlichkeit gehören. Zur innerparteilichen Demokratie gehört aber auch, dass man sich mit seinem Punkt einmal nicht durchsetzt und dann die Mehrheitsmeinung akzeptiert. Noch bedauerlicher als die generelle Absage des Parteitags war für mich deshalb der Vorwurf eines Kandidaten, mit der Verschiebung des Parteitags solle seine Wahl zum Vorsitzenden verhindert werden. Gerade jetzt darf aus einer Verfahrens- keine Machtfrage werden. Wir dürfen nicht in ein „Wir gegen die“ verfallen. Denn klar ist auch: Ein neuer Parteivorsitzender muss die Fähigkeit besitzen, zusammenzuführen. Wer stattdessen lieber spaltet, ist ganz sicher ungeeignet, eine Partei und erst recht ein Land zu führen. 

Dieser Beitrag ist Teil eines Pro & Contras. Lesen Sie hier die Gegenmeinung des CDU-Bundestagsabgeordneten Nikolas Löbel.

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