Dienstpflicht - Alt und Jung müssen zusammenstehen

Mit ihrer Forderung nach einer Wiedereinführung der Wehrpflicht haben CDU-Politiker eine Kontroverse ausgelöst. Als Angriff auf die Jugend hatte Constantin Wißmann diesen Vorstoß bezeichnet. Dabei könnte der Dienst für junge Leute ein wichtiger Beitrag zur res publica sein

Der Zustand der Bundeswehr ist desolat. Aber würde die Wiedereinführung der Wehrpflicht daran etwas ändern? / picture alliance
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Dr. Klaus-Rüdiger Mai, geboren 1963, Schriftsteller und Historiker, verfasste historische Sachbücher, Biographien und Essays, sowie historische Romane. Sein Spezialgebiet ist die europäische Geschichte.

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Die Diskussion über die Dienstpflicht, die in der Union aufgekommen ist, ist eine typische Sommerlochdebatte. Eigentlich lohnt es nicht, diese Debatte zu führen, denn schon jetzt zeichnet sich ab, dass sie ein bewusst in die Runde geworfenes Placebo ist, weil sie nicht mit europäischem Recht vereinbar ist. Aber was ist das für ein europäisches Recht, das einem Volk nicht erlaubt, für seine Verteidigung zu sorgen? Es stellt sich die Frage, ob es der CDU-Generalsekretärin Annegret Kamp-Karrenbauer nicht lediglich darum geht, die Konservativen in der Partei zu beschäftigen. Wäre es so, wäre das unehrlich den Parteimitgliedern, aber auch den Bürgern gegenüber. Es würde zeigen, wie unwichtig der Union inzwischen Deutschlands Sicherheit ist. Wie zur Bestätigung dieser Interpretation hat die stellvertretende Regierungssprecherin gestern bekannt gegeben, dass die „Widerrufung der Aussetzung der Wehrpflicht nicht zur Debatte“ stehe. Auch, wenn man im Kanzleramt alles, was man sagt, für alternativlos hält, wird die Debatte weitergehen, weil sie dringend weitergehen muss. 

Öffentlich wird darüber nachgedacht, ob man die Wehrpflicht wieder einführt und als Äquivalent dazu eine Dienstpflicht für diejenigen einrichtet, die es ablehnen, an Waffen ausgebildet zu werden. Constantin Wißmann hat die Vorstellung, junge Männer und Frauen zum Dienst für ihr Land im militärischen oder sozialen Bereich zu verpflichten, einen Angriff auf die Jugend genannt. Er führt ins Feld, dass die Perspektiven auch ohne ein Dienstjahr für die Jungen nicht rosig sind und dass die Hälfte der Singles zwischen 25 und 35 von Armut bedroht sind. Zudem verweist er auf die Beitragsbelastung der Jüngeren, wenn die sogenannten Babyboomer in Rente gehen. Damit hat er recht. Nicht recht hat er mit der Gegenüberstellung von Jungen und Alten. 

Die Verrentung der Babyboomer und ihre Folgen 

Viele der Babyboomer sehen die Politik der CDU unter Angela Merkel, die Umsetzung von grünen Ideen, wie sie auch die Abschaffung der Wehrpflicht war, gerade deshalb sehr kritisch, weil sie befürchten, dass diese Politik auf Kosten der Jungen geht, nämlich auf Kosten ihrer Kinder und Enkel. Ältere sind auch Eltern, die hoffen, dass es ihren Kindern einmal besser gehen wird. Bis jetzt haben die Babyboomer salopp gesagt, den Laden am Laufen gehalten. Sie finanzieren zu großen Teilen den Staat, die Sozial- und Rentensysteme und haben auch in die  Ausbildung ihrer Kinder investiert. Was man ihnen vorwerfen kann, ist, dass sie nicht genügend Kinder gezeugt haben. Es ist kein Zufall, dass die Bundesregierung das Rentenniveau nur bis zum Jahr 2025 garantiert. In diesem  Jahr werden mehrere negative Entwicklungen zusammentreffen: Explodierende Sozialkosten werden auf eine schwächelnde Wirtschaft treffen. Potenziert wird das Problem durch die Einwanderung von Migranten. 

Alt und Jung sitzen in einem Boot 

Schaut man sich die Probleme an, so betreffen sie in unterschiedlicher Weise die Älteren und die Jüngeren gleichermaßen. Jüngere werden unter hohen Beitragslasten leiden, Ältere gehen in Altersarmut. Sie werden nicht einmal einen Bruchteil von dem ausgezahlt bekommen, was sie jahrzehntelang eingezahlt haben. Deshalb müssen Ältere und Jüngere hier gemeinsam für Problemlösungen eintreten. Sie dürfen sich nicht  nach dem berühmten Teile-und-Herrsche Spiel gegeneinander aufhetzen lassen. Das wird aber von Politikern und Medien sehr gern aufgeführt, um von der Misere abzulenken, die sie zu verantworten haben. Es existiert kein Konflikt zwischen jung und alt, sondern zwischen den Interessen der Bürger und der desaströsen Politik der Bundesregierung, die das Land in die Krise steuert. Der hochgeschriebene vermeintliche Generationenkonflikt soll das lediglich kaschieren. 

Der römische Historiker Tacitus machte die Dekadenz des Imperiums Romanums an der Abschaffung der Wehrpflicht fest. Wenn der Bürger nicht mehr mit Leib und Leben für die res publica eintritt, diese allerhöchste Verantwortung nicht mehr übernimmt und stattdessen einen Sklaven oder einen Söldner schicken kann, dann ist das Gemeinwesen nichts mehr wert und wird zerfallen. In seiner Antrittsrede 1961 sagte der amerikanische Präsident John F. Kennedy: „Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann – fragt, was ihr für euer Land tun könnt. Meine Mitbürger in der ganzen Welt: Fragt nicht, was Amerika für euch tun wird, sondern fragt, was wir gemeinsam tun können für die Freiheit des Menschen.“

Dem Land dienen gehört zur Demokratie

Freiheit und Verantwortung gehören zusammen, Freiheit ohne Verantwortung ist Verwahrlosung. Seinem Land ein Jahr zu dienen gehört zur res publica, ist eine zutiefst demokratische Frage. 1989 hat die DDR-Führung auch deshalb die Nationale Volksarmee (NVA) nicht gegen das Volk eingesetzt, weil sie sich nicht sicher sein konnte, ob die Soldaten auf ihre Brüder und Schwestern, auf ihre Eltern, Großeltern und Freunde schießen würden. Alle Aufstände im Ostblock wurden in der Hauptsache von sowjetischen Besatzungstruppen niedergeschlagen. Aber - und da stimme ich Constantin Wißmann vollkommen zu – , dann muss der Bund junge Bürger auch effizient ausbilden. Er darf nicht ihre Zeit verschwenden.

Übrigens führt Schweden die Wehrpflicht wieder ein, auch weil durch die Kriminalitätsentwicklung infolge der Migrationspolitik die Polizei überlastet ist. 

Existenzielle Fragen der Sicherheit

Wenn wir ehrlich sind, haben wir keine Bundeswehr mehr. Sie wurde unter Merkel, Guttenberg, de Maizière und von der Leyen in einen beunruhigenden Zustand versetzt. Die Wahrheit ist: Deutschland ist nicht verteidigungsbereit. Wie groß die Not ist, zeigen die Überlegungen, Söldner im Ausland anzuwerben. Wie soll man sich das vorstellen? Will Frau von der Leyen mal beim IS oder bei den Taliban anfragen, ob die zufällig ein paar Söldner übrig haben? Die Gesellschaft darf den Jungen etwas abverlangen 

Allerdings kommt es jetzt darauf an, über den Zustand der deutschen res publica zu diskutieren, und zwar aus der deutschen Perspektive, aus der Perspektive der Interessen der Bürger. Dazu gehören die existentiellen Fragen der inneren und der äußeren Sicherheit. Deutschland muss in der Lage sein, sich selbst zu verteidigen, im Innern die Rechtsordnung wie nach Außen die territoriale Integrität des Staatsgebietes. Hierzu gehören eine funktionierende Polizei und eine effiziente Bundeswehr als Bürgerarmee. Für dieses Land müssen jung und alt zusammenstehen, und jeder hat seinen Beitrag zu leisten. Da darf die Gesellschaft auch den Jungen etwas abverlangen – auch im Interesse der Jungen, denn es geht um ihre Zukunft. Und sie muss die Jungen schützen vor unbezahlten Praktika, vor dem Jobsurfen, vor der unverschämten Ausbeutung, die mit dem perfiden Argument gerechtfertigt  wird, dass die Jungen ja noch jung sind und noch viel Zeit hätten. Doch niemand hat Zeit, wo keine Zukunft ist.

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