Wählen und wählen lassen - Wettlauf um Merkels Rockzipfel

Der Kronprinz sucht die Nähe zur Kanzlerin: Armin Laschet kündigt stolz zwei gemeinsame Wahlkampfauftritte mit Angela Merkel an. Denn Konkurrent Olaf Scholz setzt sich bereits als deren Erbe in Szene.

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Daniel Gräber leitet das Ressort Kapital bei Cicero.

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Dem SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz wird nachgesagt, er verdanke seine derzeitige Favoritenrolle im Wettkampf um die Merkel-Nachfolge dem erfolgreichen Versuch, sich als Angela 2.0 zu verkaufen. Er verkörpere ihren „mittigen“ Kurs und kopiere ihre Wahlkampftaktik der asymmetrischen Demobilisierung, also der Einschläferung des gegnerischen politischen Lagers. Ein Sozi präsentiert sich als legitimer Thronfolger der CDU-Kanzlerin? Das können und wollen die Christdemokraten nicht auf sich sitzen lassen.

Erst warb Merkel im Bundestag mit so deutlichen Worten für den Kanzlerkandidaten Armin Laschet, dass sich die SPD-Abgeordneten gegenseitig in den Arm kneifen mussten. Die hatten offenbar ganz vergessen, dass die GroKo-Kanzlerin Mitglied der CDU ist, ja sogar einige Jahre (18 an der Zahl) Vorsitzende dieser Partei war.

Beim zweiten TV-Triell – ein Wort, das vor Annalena Baerbocks Ausrufung zur grünen Kanzlerkandidatin kaum jemand kannte und das nach der Wahl in knapp zwei Wochen wohl bald wieder in Vergessenheit geraten wird – fuhr Laschet persönlich seinem Widersacher in die Parade. Er, der als nordrhein-westfälischer Ministerpräsident Merkels hochumstrittene Migrationspolitik 2015 und 2016 stets verteidigt hatte, betonte am Sonntagabend vor den Fernsehkameras erneut, dass er die damalige Nichtschließung der deutschen Grenze weiterhin für richtig halte.

Historische Fehlentscheidung

Laschet selbst brachte das Thema Asyl-Migration zu Sprache. Von den anderen beiden Kandidaten und den Moderatoren wurde es konsequent gemieden. Im rot-grünen Lager mag er mit diesem Bekenntnis Pluspunkte gesammelt haben, an der CDU-Basis wäre eine vorsichtige Distanzierung von Merkel, zumindest in dieser Frage, sicher besser angekommen. So wie es ihm bei einer anderen historischen Fehlentscheidung der Kanzlerin, dem hastigen Abschied von der Atomenergie, gelungen ist. Erst aus der Kernkraft und dann aus der Kohle auszusteigen, sei für die Klimaschutz genau die falsche Reihenfolge, betonte er am Sonntag erneut. Freilich ohne die dafür Verantwortliche zu erwähnen. 

Seinen Schmusekurs mit der Kanzlerin will Kronprinz Laschet mindestens bis zum Wahltag fortsetzen. Als er am Montag im Konrad-Adenauer-Haus sein 100-Tage-Sofortprogramm vorstellte, wurde er von einem Journalisten nach Wahlkampfterminen mit Merkel gefragt. Stolz lächelnd zählte er, dass ein gemeinsamer Auftritt mit der Bundeskanzlerin in Stralsund (ihrem bisherigen Wahlkreis) sowie ein weiterer in Aachen (Laschets Wahlkreis und Heimatstadt) geplant seien. Am Freitag vor dem Wahlsonntag stehe schließlich der Wahlkampfabschluss in München mit dem CSU-Rivalen Markus Söder im Unionskalender.

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