Wählen und wählen lassen – Die Kolumne zur Bundestagswahl - Warum die FDP keine Ratschläge von Markus Söder braucht

Markus Söder verlangt von der FDP eine klare Absage an eine Ampel-Koalition mit SPD und Grünen. Aber warum eigentlich sollte die FDP etwas tun, wozu CDU und CSU selbst aufgrund ihrer misslichen Lage schlicht nicht willens und in der Lage sind?

Grafik Cicero; Autorenfoto: Antje Berghäuser
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Mit 87,6 Prozent ist Markus Söder an diesem Freitag für weitere zwei Jahre als Parteivorsitzender der CSU bestätigt worden. Nun könnte man einwenden, dass das entsprechende Ergebnis vor knapp zwei Jahren noch bei 91,3 Prozent lag – und Söder mithin trotz seiner Omnipräsenz leichte Einbußen zu verzeichnen hatte. Umgekehrt gilt aber auch: Der gescheiterte Versuch, die Kanzlerkandidatur zu erringen, hat dem bayerischen Ministerpräsidenten nicht wirklich geschadet, auch nicht die permanenten Sticheleien gegenüber der Schwesterpartei. Auf die Delegierten der CSU ist jedenfalls weitgehend Verlass.

Bahn frei also für Markus Söder, der zwei Wochen vor der Bundestagswahl (und mit düsteren Aussichten für die Union) wohl oder übel so tun muss, als hielte er Armin Laschet tatsächlich für den richtigen Mann fürs Kanzleramt. Laschet selbst ging auf dem Parteitag an diesem Samstag kaum auf die Obstruktionen seines Rivalen ein und beschwor vielmehr mit einer kämpferischen Rede die Gemeinsamkeiten von CDU und CSU sowie deren „klaren Kurs“ insbesondere an historischen Wegmarken. Tatsächlich wirkte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident bei seinem Gastauftritt vor der Schwesterpartei regelrecht befreit; deren Delegierte quittierten es hinterher mit stehendem Applaus. Man scheint Burgfrieden geschlossen zu haben, zumindest zeitweilig.

Was aber alles noch längst nicht bedeutet, dass Söder der dritten Partei im sogenannten bürgerlichen Lager nicht ein paar gute Ratschläge mit auf den Weg geben könnte: Von der FDP forderte er am Freitag eine klare Absage an eine Ampel mit SPD und Grünen. „Ich würde jetzt gerne von Christian Lindner und der FDP wirklich wissen, (...) wollen sie die Ampel oder nicht“, so der CSU-Chef. Die FDP müsse erklären, „dass sie dieses unmoralische Angebot der Linken ablehnen“. Da beginnt im Hans-Dietrich-Genscher-Haus zu Berlin jetzt ganz gewiss das große Zittern, wenn der bayerische Löwe derlei mahnende Worte spricht.

Fokussierung auf Inhalte

Man könnte aber auch mit Fug und Recht fragen: Warum sollte die FDP eigentlich etwas tun, wozu CDU und CSU aufgrund ihrer misslichen Lage schlicht nicht willens und in der Lage sind – nämlich eine Koalition mit SPD und Grünen ausschließen? Dem Vernehmen nach könnten sich mit einer solchen Liaison der eine oder andere Unionist sogar eher anfreunden als mit Schwarz-Gelb. Quod licet Iovi, non licet bovi? Einmal davon abgesehen, dass die Liberalen keine Tipps von der politischen Konkurrenz benötigen –  wenn sie jetzt eine Ampel ausschlössen, stünde das in exaktem Widerspruch zu allem, womit sie in den vergangenen Jahren politisches Kapital gesammelt haben. Nämlich der Fokussierung auf Inhalte anstatt auf irgendwelche Farben.

Inhaltliche Gründe waren es, an denen die FDP ihre Jamaika-Sondierungsgespräche mit CDU/CSU und den Grünen im November 2017 hat scheitern lassen. Wie plausibel ist es da wohl, dass nach der nächsten Bundestagswahl ausgerechnet ein Bündnis der Liberalen mit den Grünen und der SPD auf den Weg gebracht werden kann? Die Schnittmenge dürfte aus Sicht der FDP denkbar gering sein. Aber um womöglich (beziehungsweise mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit) genau das festzustellen, müssen zuvor eben Gespräche geführt werden. Das ist schlicht ein Gebot der Ernsthaftigkeit und der politischen Kultur. Bereits vor einer Wahl alles Mögliche auszuschließen, ist gewiss kein Zeichen von Souveränität. Mitunter wirken solcherlei selbst auferlegten Kontaktverbote sogar dann reichlich gequält, wenn sie von der Union mit Blick auf die AfD erfolgen.

Ganz abgesehen davon ist es natürlich geradezu lachhaft, wenn der Vorsitzende einer Unionspartei, in diesem Fall also Markus Söder, es für angemessen hält, ausgerechnet die Liberalen zu schulmeistern. Denn nicht nur im Gegensatz zu CDU und CSU, sondern auch zu allen anderen relevanten Parteien ist die FDP mit sich völlig im Reinen: Die Union zerstritten und nach den langen Merkel-Jahren inhaltlich ausgehöhlt; die SPD zwar im Aufwind – aber nur, weil sie ihre eigenen Parteivorsitzenden hinter dem Kanzlerkandidaten Olaf Scholz versteckt. Die Grünen wiederum haben mit Annalena Baerbock komplett auf die falsche Karte gesetzt. Und die Linke nähert sich aus nachvollziehbaren Gründen (versuchter Ausschluss von Sahra Wagenknecht und ähnliche Sperenzchen) langsam, aber sicher der Fünf-Prozent-Marke.

Die FDP als eigenständige Partei

Es darf hingegen konstatiert werden, dass Christian Lindner aus den Freien Demokraten eine politische Kraft geformt hat, die sich weder vorwerfen lassen muss, „Partei der Besserverdienenden“ zu sein, noch ein liberales Anhängsel der Union. Da wird er ausgerechnet jetzt einen Teufel tun, über irgendwelche Stöckchen zu springen, die Markus Söder ihm hinhält. Und das ist auch gut so. 

Lindner hat in den vergangenen Jahren hart daran gearbeitet, der FDP jene Souveränität und Eigenständigkeit zurückzugeben, die sie in den Augen vieler Wähler verloren hatte. Und der Abbruch der Jamaika-Sondierungen vor knapp drei Jahren war dafür ein starkes Signal. Die FDP-Wähler wissen ganz genau, dass die Wahrscheinlichkeit von Rot-Grün-Gelb aus Sicht der freidemokratischen Führung gegen null tendiert. Dafür brauchen sie keine vorauseilende „Ausschließeritis“. Und vor allem keine Belehrungen aus der Münchener Staatskanzlei.

In unserem exklusiven Kolumnenticker Wählen und wählen lassen widmen sich Alexander Marguier, Ralf Hanselle, Daniel Gräber und Moritz Gathmann den spannendsten Fragen zur Bundestagswahl 2021: Regierungskonstellationen, Schattenkabinette, Wahlkampftaktiken, Post-Merkel-Gehversuche, aber auch Pannen und Umfragezwischenhochs sowie ein Hauch Medienkritik, mit einem Augenzwinkern. Zur Bundestagswahl werden wir außerdem live berichten. Passgenau erscheint am 23.09. die neue Cicero-Ausgabe.

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