Bundesparteitag der CDU - Warum ein Ende der Groko AKK retten kann

Die Standing Ovations für AKK auf dem Bundesparteitag können nicht über die schlechten Umfragewerte der CDU hinwegtäuschen. Die Zukunft der Parteivorsitzenden hängt jetzt entscheidend von der SPD ab. Die Gelegenheit für sie, die Regierung zu verlassen, war noch nie so günstig

Schafft es AKK raus aus dem Schatten der Kanzlerin? /picture alliance
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Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Die Veranstaltung heißt Parteitag – mit Betonung auf Tag. Denn das entscheidende Ergebnis des zweitägigen Treffens der CDU in Leipzig, die Stabilisierung der Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer, gilt nicht für die Ewigkeit, nicht einmal bis zum nächsten Parteitag in einem Jahr. Falls sich die Umfragewerte der auf 25 bis 27 abgesackten Union nicht bessern, falls die Zustimmung zur CDU-Vorsitzenden so niedrig bleibt wie zuletzt, werden die sieben Minuten „standing ovations“ für AKK nicht lange nachhallen. Dann wird die Diskussion schnell wieder aufflammen, ob die Saarländerin die Union in die Bundestagswahl führen kann und soll.  

Wie es in und mit der CDU weitergeht, konnten die 1.000 Delegierten ohnehin nicht allein beschließen. Das hängt in hohem Maße von den Sozialdemokraten ab: Wer diese Partei künftig führen wird, ob die Genossen in der großen Koalition weiterhin mitarbeiten oder ob sie versuchen, in der Opposition weiter nach links zu rücken, um als Volksbeglückungs- und Umverteilungspartei an die Linke wie an die AfD verlorene Wähler zurückzugewinnen. Falls der SPD-Parteitag in zwei Wochen das Aus für die GroKo beschließen sollte, könnte es über Nacht zu einer Minderheitsregierung kommen – mit AKK als Vizekanzlerin. Denn von einem darf man ausgehen: Selbst die ganz linken Sozialdemokraten neigen nicht zum kollektiven Selbstmord. Sie werden deshalb versuchen, irgendwie die reguläre Bundestagswahl im Herbst 2021 zu erreichen – in der Hoffnung, dann wenigstens wieder auf 20 Prozent zu kommen. Der Wunsch der meisten Sozialdemokraten, sich erst 2021 wieder den Wählern stellen zu müssen, korrespondiert mit der Absicht der Bundeskanzlerin, wie geplant bis zum Ende der Legislaturperiode zu regieren und nicht als gescheiterte Regierungschefin abtreten zu müssen.

Eine Minderheitsregierung mit AKK als Vizekanzlerin?

Vor diesem Hintergrund ist interessant, dass der Bundestag in der nächsten Woche – also vor dem SPD-Bundesparteitag – den Bundeshaushalt für 2020 beschließen wird. Das war in der SPD nicht unumstritten, aber letztlich haben sich die durchgesetzt, denen daran gelegen ist, dass die Bundesregierung weiterhin handlungsfähig bleibt. Wenn die GroKo also den Etat 2020 verabschiedet, kann die Regierung – mit oder ohne SPD-Minister – durchregieren bis 2021. Denn auch ohne Haushalt könnte sie 2021 Monat für Monat über ein Zwölftel des Etats von 2020 verfügen.

Eine Minderheitsregierung wäre die ganz große Chance für Kramp-Karrenbauer. Sie könnte als Vizekanzlerin Profil gewinnen. Sie könnte zudem Friedrich Merz einen Kabinettsposten anbieten, beispielsweise das Finanzministerium. Dann müsste ihr Rivale um die Kanzlerkandidatur sich entscheiden, ob er in ein Kabinett Merkel/Kramp-Karrenbauer eintritt und sich dort loyal unterordnet, oder ob er sich endgültig aufs politische Altenteil zurückzieht. Letztlich wäre AKK die große Gewinnerin bei dieser Konstellation. Das gilt jedenfalls dann, wenn sie als Vizekanzlerin überzeugte. 

Absprachen mit der SPD sind denkbar

Von Angela Merkel ist bekannt, dass sie eigentlich keine Minderheitsregierung führen möchte. Merkel liebt geordnete Verhältnisse. Aber vor die Wahl gestellt, als Gescheiterte abzutreten oder ihre vierte Amtszeit als Kanzlerin ordentlich zu Ende zu bringen, wird sie sich für letzteres entscheiden. Offenbar gibt es hinter den Kulissen bereits Kontakte zwischen den Spitzen von Union und SPD für den Fall der Fälle. Denn natürlich wäre eine CDU-Minderheitsregierung auf die Zustimmung der SPD bei der wichtigen Frage der Auslandseinsätze angewiesen. Da ließe sich aber ein Weg finden: Die SPD stimmt der Verlängerung der derzeitigen Bundeswehr-Mandate zu, während die CDU keine neuen Auslandseinsätze anstrebt. Noch in einem anderen Punkt hätten die dann ehemaligen Koalitionäre keine Schwierigkeit, einen Modus Vivendi zu finden: bei der Ausgrenzung der AfD

Kramp-Karrenbauer hat in Leipzig mit der ebenso unvermutet, ja geradezu brutal gestellten Vertrauensfrage gezeigt, dass sie mit dem Rücken an der Wand steht. Aber sie hat ihre Position vorläufig stabilisiert. Sollte die SPD ihr auch noch den Gefallen tun, die GroKo zu verlassen, hätte sich die Vorhersage und Hoffnung von Merz erledigt, nämlich dass „die Entscheidung“ auf dem Parteitag in einem Jahr fallen werde.

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