Steuerzahler Schwarzbuch - Werbemätzchen, die Millionen kosten

Der Bund der Steuerzahler hat sein jährliches Schwarzbuch vorgestellt. Neben zu teuren Toilettenhäuschen und gestiegenen Baukosten hat man besonders ein Laster der Verschwendung ins Visier genommen: die oft überflüssige Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung.

Karl Lauterbach mit Plakaten einer Corona-Kampagne des Bundesgesundheitsministeriums / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

So erreichen Sie Ralf Hanselle:

Anzeige

Manipulation ist eine Frage des Wordings. Nicht umsonst heißt es warnend an einer Stelle der Bibel: „Eure Rede sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Bösen“. Denn wie nachvollziehbar und durchschaubar wäre doch die Welt, wenn man sie nicht mit klebrigen Worten und süß klingenden Sätzen überzuckern würde. Nein, alles müsste einfach so genannt werden, wie es tatsächlich auch heißt. Vermutlich wäre die in Sprechblasen eingelullte Welt dann schon ein kleines Stückchen besser. Ein Lockdown wäre dann einfach eine Ausgangssperre; eine entbindende Person hieße weiterhin Mutter; und ein Krieg wäre wieder ein Gemetzel und keine „militärische Sonderopperation“.

Das fängt im konkreten Fall aber schon früher, nämlich ganz am Anfang an. Marketing, dieser mit smarten Bildern und ordentlich Gefühlsgedöns aufgeladene Wirbel (das Wort „werben“ hat interessanterweise dieselbe sprachliche Wurzel wie das Wort „wirbeln“ und bedeutet mithin: gedreht werden, bis man schwindelig wird), wurde von einem seiner Erfinder, dem amerikanischen Reklame-Gott Edward Bernays, einst noch als das bezeichnet, was es auch ist: Propaganda. Mit diesem wirklich zupackenden Begriff betitelte Bernays 1928 sein bis heute grundlegendes Werk zur modernen Public Relation. 

Sagen, was ist

Hätte man sich Bernays Ehrlichkeit bis heute bewahrt, man hätte sich die heutige Pressekonferenz des Bundes der Steuerzahler vermutlich sparen können. Natürlich, es hätte auch dann noch das überteuerte Klohäuschen in Ansbach (Kosten: 362.000 Euro) oder die ins Uferlose sprießenden Kosten für die Wiederholung der verfassungswidrigen Wahl in Berlin (39 Millionen Euro) gegeben. Aber daran hat man sich ja längst gewöhnt. Es ist ein altes Spiel. Seit 1973 nämlich, mithin seit genau fünfzig Jahren, veröffentlicht der eingetragene Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Bürokratie und Steuerverschwendung zu begrenzen, sein „Schwarzbuch der öffentlichen Verschwendung“.

Da geht es in der Regel um all die Brücken und Straßen, die nicht nötig gewesen wären; um die Kunst am Bau, die zu teuer wurde; oder um die PKW-Maut, die am Ende keine Einnahmen, sondern 300 Millionen Euro (so sagt es zumindest das aktuelle Schwarzbuch) Ausgaben gebracht hat. Das alles ist längst eingespielte Routine. Seit 1949. Solange nämlich gibt es den Bund der Steuerzahler schon und so lange echauffiert sich der jeweilige Vorsitzende – aktuell ist es der Politikwissenschaftler Reiner Holznagel – über die zuweilen maßlose Verschwendung, die Politik und Verwaltung mit öffentlichen Geldern betreiben.

Die Angelegenheit aber, um die sich die Interessensvereinigung der eingetragenen Einsparer diesmal gekümmert hat, ist in dieser Form noch relativ neu. Unter den 100 exemplarischen Fällen von Steuerverschwendung nämlich, die sich der Bund der Steuerzahler in diesem Jahr vorgeknöpft hat, findet sich als aktuelles Schwerpunktthema die teure Öffentlichkeitsarbeit der Politik. Mithin, es geht um Marketing und Manipulation, um Neppen, Schleppen, Bauernfangen. Mit einem Wort: um Propaganda.

Einflüsterung mit Reklame

Dabei hat Reiner Holznagel bei der Vorstellung des diesjährigen Berichts zunächst klar gemacht, dass die Kritik nicht der gewiss nötigen Aufklärungsarbeit oder der sachlichen Information der Bürgerinnen und Bürger gilt. Was den Bund der Steuerzahler wirklich in Erregung versetzt, das ist die teure Selbstinszenierung von Politik sowie die unzähligen Werbemätzchen, die an vielen Stellen unüberschaubar und intransparent geworden sind.

Das mit der Öffentlichkeitsarbeit nämlich hat ein Ausmaß angenommen, das vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Hat die Bundesregierung 2005 noch lediglich 21,9 Millionen Euro für Werbe- und Kommunikationsagenturen ausgegeben, so waren es 2021 bereits 67,2 Millionen, mithin das Dreifache des einstigen Budgets. Und hat man vor 18 Jahren gerade einmal 60,6 Millionen Euro für das Schalten von Informationskampagnen in Print, Fernsehen oder Online ausgegeben, so waren es im vergangenen Jahr sage und schreibe 194,6 Millionen Euro. Lediglich das Corona-Jahr 2021 lag mit 202,4 Millionen Euro noch einmal leicht darüber.

Doch das Ende der Pandemie bedeutete eben nicht das Ende der Einflüsterung via Reklame. Gerade das Bundesministerium für Gesundheit hat sich mittlerweile einen mehr als zweifelhaften Ruf erarbeitet, wenn es um Anzeigen, Plakate und sonstiges Gedöns der öffentlichen Aufmerksamkeitslenkung geht. 52,7 Millionen Euro hat man hier laut Haushaltsplan 2023 für sogenannte Öffentlichkeitsarbeit ausgegeben. Damit liegt man bei den Ausgaben noch immer auf Platz zwei, knapp hinter dem Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Wissen ohne Werbung

Da wünschte man sich natürlich, der Outcome wäre ähnlich sprudelnd. Doch während man die ersten Anzeigen zur Beförderung der Corona-Schutzmaßnahmen oder für sogenannte Impfkampagnen möglicherweise noch rechtfertigen konnte, so erscheinen aktuelle PR-Coups in Sachen Long-Covid oder Booster-Impfung wie mutwillige Geldvernichtung. Denn mal ehrlich: Unter Betroffenen dürfte sich die traurige Wahrheit längst herumgesprochen haben – und zwar ganz ohne die Zuarbeit  einer teuren PR-Agentur: Wer Long-Covid hat, der weiß um dieses Leiden und muss nicht erst via Sperenzchen darauf hingewiesen werden. Und wer unter PostVac leidet, der hat längst bitter erfahren müssen, dass er wohl keinerlei Hilfe bekommt – schon gar nicht auf der extra vom Bundesgesundheitsministerium eingerichteten Internetseite.

Apropos Internet: Laut Bund der Steuerzahler soll die Bundesregierung aktuell mehr als 500 Social Media-Kanäle und weit über 1000 Internetseiten betreiben. Was diese genau kosten und wie aktuell die darauf verfügbaren Informationen sind, weiß zuweilen niemand. Nur eines ist gewiss: All diese Angebote, auf denen sich was dreht, aufpoppt oder bewegt benötigen Bilder, Slogans und Gesichter. Für fünf sogenannte Influencer etwa, die die Bundesregierung 2021 für ihre Impfkampagne engagierte, wurden Honorare im Wert von 245.000 Euro fällig. Für den Einsatz ähnlicher Einflüsterer, die die am Ende recht sinnlosen Corona-Warn-App unters verunsicherte Volk brachten, waren es sogar 1,1 Millionen Euro.  

Der rosige Teint

Und damit das alles auf TikTok, Instagram und Facebook auch richtig gut rüberkommt, braucht es immer mehr Fotografen und Visagisten. Seit dem Regierungswechsel Ende 2021 sind die Ausgaben für den immer schöneren Schein des Politischen geradezu ins Unermessliche gestiegen. Lagen die Ausgaben für hübschen Look und rosigen Teint 2020 noch bei 800.000 Euro, so waren es 2022 fast 1,6 Millionen. „Es ist dem Steuerzahler kaum zu vermitteln, dass sie auch für Visagisten und Hairstylisten von Politikern aufkommen sollen. Deshalb müssen diese Kosten auf das Notwendigste reduziert und im Zweifel privat bezahlt werden“, so Steuerzahlerbund-Präsident Holznagel zu dieser Entwicklung.

Der hat mit dem diesjährigen Schwerpunkt seines Steuerzahler-Schwarzbuches auf jeden Fall den richtigen Riecher gehabt. Denn die konventionellen Medien, eigentlich zuständig für die Kritik an derlei Auswüchsen, sind in diesem Fall die größten Nutznießer. Wenn etwa in den darbenden Print-Sektor 2015 noch 22 Millionen Euro für regierungsfinanzierte Kampagnen investiert wurde, 2022 aber bereits 46 Millionen Euro, dann dürfte diese Leistungssteigerung gewiss nicht der zeitgleich abnehmenden Reichweite von Tageszeitungen und Magazinen geschuldet sein. Der Verdacht von einer gern gesehenen Einflussnahme notfals auch auf die  Berichterstattung liegt mindestens nahe. Höchste Zeit also, dass die große Lobby der Steuerzahler für das Problem sensibilisiert wird. Hier geht es schließlich nicht nur um Millionen; hier geht es auch um die Demokratie.

Anzeige