Untersuchungsausschuss zur Bamf-Affäre - „Wir brauchen keine Tribunale von AfD und FDP“

Als erster CDU-Bundestagsgabgeordneter hatte sich Philipp Amthor für einen Untersuchungsausschuss in der Bamf-Affäre ausgesprochen. Jetzt rudert er wieder zurück. Auf Druck von oben?

Seite an Seite mit der Kanzlerin: Philipp Amthor wurde im Bundestagswahlkampf 2017 von Angela Merkel unterstützt /picture alliance
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Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Herr Amthor, in einem Interview mit dem Deutschlandfunk haben Sie sich als erster CDU-Bundestagsabgeordneter für einen Untersuchungsschuss in der Bamf-Affäre ausgesprochen. Warum ist der aus Ihrer Sicht wichtig? 
Ich hab in dem Interview wiederholt, was Horst Seehofer schon vor drei Wochen im Bundestag gesagt hat, als die Bamf-Affäre aufkam: Wir werden schonungslos aufklären, und auch vor einem Untersuchungsausschuss hätten wir nichts zu verbergen. 

Ein Viertel der Bundestagsabgeordneten, also 178, müssten zustimmen, damit so ein Kontrollgremium eingesetzt wird. FDP und AfD kommen zusammen auf 172 Stimmen. Fehlen noch sechs Stimmen. Sind Sie für den Untersuchungsausschuss, ja oder nein?
Ich sperre mich nicht aus parteitaktischen Gründen gegen einen Untersuchungsausschuss. Das Sachliche sollte im Vordergrund stehen. Mit Blick auf die Aufklärung der Bremer Bamf-Affäre ist ein Untersuchungsausschuss allerdings nicht das Instrument der ersten Wahl. Dort brauchen wir jetzt vor allem kurzfristige und zukunftsorientierte Lösungsansätze. Dafür hat Horst Seehofer schon gute Arbeit geleistet. 

Aber was in Bremen passiert ist, ist auch in anderen Außenstellen des Bamf passiert. Das Behördenchaos ist doch nur symptomatisch für das Versagen der Bundesregierung. 
Nein. Bevor man einen Untersuchungsausschuss einsetzt, muss man sich doch erstmal fragen: Was will man überhaupt klären? Die Bremer Außenstelle des Bamf hat Horst Seehofer faktisch geschlossen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Sogar den Bundesrechnungshof hat Horst Seehofer eingeschaltet. Tausende Asylbescheide werden jetzt überprüft. Was soll ein Untersuchungsausschuss dem Bamf darüber hinausgehend kurzfristig bringen? Der bräuchte erstmal drei Monate, um Akten zusammenzustellen. Das weiß ich auch aus meiner Mitarbeit im Amri-Untersuchungsausschuss. Eine Anhörung, wie wir sie im Innenausschuss jetzt schon kurzfristig nächste Woche mit Thomas de Maizière und Peter Altmaier haben, würde im Untersuchungsausschuss erst nach Monaten stattfinden. 

Wenn der Innenausschuss schneller und effektiver ist, warum haben Sie dann überhaupt öffentlich mit einem Untersuchungsausschuss geliebäugelt?  
Weil wir nichts zu verbergen haben, und weil man ein solches Instrument als selbstbewusstes Parlament nie ausschließen sollte. Die weiteren Entwicklungen hängen allerdings davon ab, welche Erkenntnisse noch im Innenausschuss zu Tage gefördert werden. Wie schon Horst Seehofer gesagt hat: Wenn eine längerfristige Aufarbeitung notwendig ist, sollte man sich einem Untersuchungsausschuss nicht kategorisch verschließen. 

AfD und FDP haben schon beide Anträge für einen Untersuchungsausschuss gestellt. Warum sind Sie nicht dafür?   
Beide Anträge sind nicht zustimmungsfähig. Beide Parteien fordern im Prinzip dasselbe – der FDP-Antrag ist nur in nettere Worte gekleidet. Beiden geht es nicht um eine sachliche Aufklärung der Bamf-Affäre, sondern um eine Generalabrechnung mit der Flüchtlingspolitik. Vorgeschlagen werden abseitige Fragen wie: Hat Angela Merkel durch ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik ihren Amtseid gebrochen? 

So abseitig ist die Frage gar nicht. 
Doch. Der Vorwurf, dass der Amtseid der Bundeskanzlerin gebrochen wurde, lässt sich durch einen schlichten Blick in jedes Anfängerlehrbuch zum Verfassungsrecht widerlegen. Im Übrigen ist die Debatte rückwärtsgewandt. Es bringt doch nichts, nur auf 2015 zurückzuschauen. Damit ist weder dem Bamf noch dem Asyl- und Ausländerrecht geholfen. 

Welche Fragen sollte ein Untersuchungsausschuss denn Ihrer Meinung nach stellen?
Legitim ist ein lösungsorientierter Ansatz: Wie kann man in der Zukunft etwas besser machen? So läuft es etwa im Amri-Untersuchungsausschuss, in dem ich mitarbeite. Schon dort klären wir etwa die Frage, welche Rückschlüsse für eine bessere Zusammenarbeit der Sicherheits- und Ausländerbehörden in Bund und Ländern zu ziehen sind.  

Wenn Sie den Anträgen von AfD und FDP zustimmen würden, könnten Sie aber beweisen, dass es Ihnen mit der Aufarbeitung von Fehlern in der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung tatsächlich ernst ist. 
Rückschlüsse aus 2015 sind uns sehr ernst. Aber dafür brauchen wir keine Tribunale von AfD und FDP, sondern dafür müssen wir schlicht das abarbeiten, was wir in der Koalition vereinbart haben. Seit Monaten geht es im Innenausschuss richtigerweise um die Bewältigung der Folgen der Flüchtlingskrise und um Verbesserungen des Ausländer- und Asylrechts – etwa bei der Aussetzung des Familiennachzuges, beim besseren Vollzug von Abschiebungen oder bei der Einrichtung von Ankerzentren. FDP und AfD sollten jetzt nicht so tun, als ob man darüber nicht offen im Bundestag sprechen könnte. 

Sie reden jetzt die ganze Zeit von den Folgen der Flüchtlingspolitik und davon, wie der Innenausschuss versucht, den Schaden zu begrenzen. Müsste es einem Untersuchungsausschuss nicht darum gehen, nach Ursachen für das Chaos zu forschen und herauszufinden, wer die Fehler zu verantworten hat? 
Bereits im Juli 2017 hat der Europäische Gerichtshof abstrakt festgestellt, dass das Handeln der Bundesregierung rechtmäßig und mit dem Unionsrecht vereinbar war. Gleiches gilt auch für das nationale Verfassungsrecht. Der aktuell eingereichte Antrag der AfD vor dem Bundesverfassungsgericht hat keinerlei Aussicht auf Erfolg. 

Der Europäische Gerichtshof hat der Kanzlerin nicht direkt Recht gegeben. Er hat sie aber auch nicht ins Unrecht gesetzt. Das ist ein Unterschied. 
In der Tat hat der Europäische Gerichtshof in der besagten Grundsatzentscheidung aus dem Juli 2017 nicht direkt über einen deutschen, sondern über einen österreichischen Fall („Fall Jafari“) entschieden. In beiden Ländern gilt allerdings unterschiedslos dasselbe Unionsrecht, das in der Auslegung des Gerichtshofs besagt, dass die Aufnahme von Flüchtlingen durch die Bundesregierung im Spätsommer 2015 zwar nicht Pflicht, aber zulässig war. 

Okay, halten wir fest: Sie sind gegen einen Untersuchungsausschuss, wie ihn AfD und FDP fordern, aber nicht per se. In dem Interview mit dem Deutschlandfunk klang das neulich noch ganz anders. Kann es sein, dass Sie von Ihrer Fraktion zurückgepfiffen wurden? 
Nein, wurde ich nicht. Ich habe schon in meinem Interview mit dem Deutschlandfunk gesagt, dass die Anträge der Opposition nicht zustimmungsfähig sind.

Sie haben gerade mit Menschen aus Ihrem Wahlkreis Vorpommern-Greifswald II gesprochen. Was sagen die denn zu der Bamf-Affäre? 
Die Kanzlerin genießt dort Vertrauen. Sie wurde ja in meinem Nachbarwahlkreis mit einem guten Ergebnis wiedergewählt. Gleichzeitig wollen die Leute, dass der Bamf-Skandal rückhaltlos aufgeklärt wird. Dazu gehört die Erwartungshaltung, dass ein Untersuchungsausschuss nicht kategorisch ausgeschlossen wird. 

23 Prozent der Menschen in Ihrem Wahlkreis haben die AfD gewählt. Nach einer Umfrage wünscht sich die Mehrheit der Bundesbürger einen Untersuchungsausschuss. Unter AfD-Wählern sind es sogar 87,2 Prozent. Fischen Sie mit dem watteweichen Bekenntnis zu einem Untersuchungsausschuss nicht am rechten Rand? 
Nein. Einen Untersuchungsausschuss nicht auszuschließen, ist nicht links oder rechts, sondern schlicht eine pro-parlamentarische Haltung. Sehen Sie, es ist doch verrückt genug, dass sich die Opposition nicht darauf einigen kann, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Wenn die Opposition sachdienliche Anträge vorlegen würde, könnten wir daran mitarbeiten. 

Die Opposition soll nur Fragen stellen, die der Regierungskoalition genehm sind? 
Nein, aber die Fragen sollten konstruktiv sein. Etwa die Grünen haben in der letzten Sitzung des Innenausschusses gezeigt, wie das geht – auch wenn ich ansonsten starke inhaltliche Differenzen mit den Grünen habe.

Aber die Grünen wollen doch gar keinen Untersuchungsausschuss. 
Weil sie lieber schnelle und konkrete Antworten zum Bamf wollen. Daran arbeiten wir mit. Wir brauchen nach jetzigem Stand kein langwieriges Verfahren, um etwa zu klären, wann Angela Merkel wusste, dass beim Bamf Schwierigkeiten aufgetreten sind. 

Die Frage hat der ehemalige Leiter des Bamf, Frank-Jürgen Weise, gerade beantwortet. Er hat die Kanzlerin schon 2017 in vertraulichen Briefen auf das Chaos in der Behörde hingewiesen. 
Das war doch kein Geheimnis. Frank-Jürgen Weise wurde von der Kanzlerin doch nicht etwa ins Bamf geschickt, weil alles so prima lief, sondern ausdrücklich mit dem Ziel, mit Problemen aufzuräumen. Das Bamf hatte in den vergangenen Jahren Stellenzuwächse wie kaum eine andere Bundesbehörde zuvor. Das von Herrn Weise in Übereinstimmung mit der Regierung selbstgesteckte Ziel, eine Million Asylanträge pro Jahr zu bearbeiten, war – wenig überraschend – aber trotzdem nicht haltbar.  

Warum hat die Regierung die Vorgaben dann nicht gesenkt? Man löst doch ein Problem nicht, indem man so tut, als würde es nicht existieren. 
Das hat Angela Merkel auch nicht getan. Schauen Sie sich doch die Entwicklung der Stellen im Bamf an: Während es zum Jahresbeginn 2015 noch circa 2.500 Beschäftigte gab, stieg diese Zahl allein bis Ende 2016 auf fast 10.000 Beschäftigte an. Zum Umgang mit den Vorgaben werden wir Herrn Weise in der nächsten Sondersitzung des Innenausschusses am Freitag befragen. Ich bin gespannt, was er dann zu den von ihm erhobenen Vorwürfen sagt. Von diesen haben wir bisher ja vor allem aus der Zeitung erfahren. 

Philipp Amthor sitzt seit 2017 für die CDU im Bundestag. Mit 25 Jahren ist er das jüngste Mitglied der Fraktion. Der studierte Jurist arbeitet gerade an seiner Dissertation, Titel: „Staatswohl und Staatsgeheimnisse zwischen Regierung und Parlament.“
 

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