ARD-Themenwoche - Die Zukunft gehört den Ungebildeten

Die ARD Themenwoche „Zukunft der Bildung“ beschwört einmal mehr die üblichen Phrasen und Plattitüden der Bildungspolitiker. Dabei ist echte Bildung eigentlich nur ein Störfaktor im System

Wieviel Horaz bedarf es, um einen Airbus zu bauen? / picture alliance
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Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Man vergisst es ja manchmal: Der öffentliche Rundfunk in Deutschland hat einen Bildungsauftrag. Wie schön daher, dass die ARD ihre diesjährige Themenwoche der „Zukunft der Bildung“ widmete. Und da der öffentlich-rechtliche Rundfunk nun einmal so ist, wie er ist, wurden auch brav alle Themen abgearbeitet, die der geneigte ARD-Nutzer so erwartet: Digitalisierung, Lehrermangel, Schule in der DDR, Medienkompetenz, etwas Hirnforschung und etwas Psychologie. Und da ein bisschen Sentimentalität nie fehlen darf, durften ein paar ARD-Promis und Ottonormalzuschauer unter dem Hashtag #dankdir jenen Menschen danken, die im richtigen Moment des Lebens etwas Entscheidendes getan oder gesagt haben: „Denn jede*r von uns kennt diesen einen Menschen.“

Schon an dem Punkt hatte sich die Sache mit der Bildung im Grunde erledigt. Wer gendert und ernsthaft fragt, was „gute Lehrer*innen“ ausmacht, hat sein Thema verfehlt. Denn gute Lehrer und gute Lehrerinnen zeichnen sich dadurch aus, dass sie den Ideologien des Zeitgeistes widerstehen. Nur wer innerlich frei ist, kann geistige Freiheit glaubhaft vermitteln. Aber das nur nebenbei.

Bildung exkludiert 

Schließlich geht es in der Bildungspolitik schon lange nicht mehr um geistige Freiheit. Im Gegenteil. Bildung ist vielmehr das Zauberwort geworden, mit dem so ziemlich jedem Missstand der Gesellschaft abgeholfen werden soll: mangelnde Chancengleichheit, geringe soziale Mobilität, Altersarbeitslosigkeit, Intoleranz und Parallelgesellschaften.

Bildung, so der erste Glaubenssatz aller Bildungspolitiker und Bildungsexperten, soll Benachteiligungen beseitigen, Migranten integrieren, Benachteiligte inkludieren, den Wirtschaftsstandort stärken, sozialen Aufstieg ermöglichen und Arbeitslosigkeit vorbeugen. Das alles sind ehrenwerte Ziele, keine Frage. Doch zur Wahrheit gehört: Bildung kann das nicht leisten. Mehr noch: Bildung ist bei all diesen Zielen äußerst hinderlich. Denn Bildung privilegiert. Bildung exkludiert. Bildung separiert. Ökonomisch ist sie nicht zu verwerten. Und Zukunftstechnologien lassen sich mit ihr auch nicht entwickeln.

Ein IT-Netzwerk baut man nicht mit Horaz

Und im Grunde haben das all die Bildungspolitiker, Bildungswissenschaftler und Bildungsexperten, die uns fast täglich belästigen, auch begriffen. Denn an nichts arbeiten diese Leute intensiver als an der Demontage eines Systems, das einst einmal Bildung vermittelte. Und sie haben sogar recht. Moderne Gesellschaften brauchen Qualifikationen, Kompetenzen und Fertigkeiten. Ein IT-Netzwerk baut man nicht mit Horaz, Brennstoffzellen entwickelt man nicht mit Dante und Beethovens späte Sonaten helfen bei der Planung von Windkraftanlagen auch nicht.

Genau aus diesem Grund verachten Bildungspolitiker, Bildungsforscher und Bildungsexperten nichts so sehr wie wirkliche Bildung. Ihr erklärter Feind ist der Gebildete. Ihn gilt es abzuschaffen. Denn echte Bildung ist der Störfaktor in der aalglatten Welt des kompetenzorientierten Unterrichts, der teilautonomen Arbeitsgruppen und computergestützten Lernumgebungen.

Bildung ist von gestern 

Dementsprechend hat die Bildungspolitik dem Gebildeten den Krieg erklärt. Denn der wird einen unweigerlichen Ekel entwickeln gegenüber den Phrasen, den Plattitüden und Gemeinplätzen der Bildungsfachleute und Bildungsexperten und ihren vulgären Vorstellungen davon, was als Bildung zu gelten hat. Der Gebildete, er ist nicht systemtauglich. Gewünscht ist der kundige Tablet-Nutzer, der blind die neuesten Apps installiert, sich umgehend in die aktuelle Version irgendeines Betriebssystem einarbeitet und sich zwecks Konsum souverän in der digitalen Welt bewegt, ohne allzu kritisch nachzufragen. 

Auch politisch ist Bildung nicht erwünscht. Denn Bildung gedeiht letztlich im Privaten, also dort, wo der Staat keinen Zugriff hat. Daher ist wirkliche Bildung aus Sicht jedes Bildungspolitikers ein Hindernis. Mit großem Eifer arbeitet man daher seit Jahrzehnten daran, Bildung abzuschaffen. Und das mit Erfolg. Denn je mehr in den vergangenen Jahrzehnten über Bildungspläne schwadroniert wurde, desto weniger Gebildete hat dieses Bildungssystem hervorgebracht. So gesehen war diese ARD-Themenwoche tatsächlich auf der Höhe der Zeit. Allerdings hätte man ehrlicher sein müssen. Bildung ist im Grunde genommen von gestern. Die Zukunft gehört der Unbildung.

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