Annegret Kramp-Karrenbauer - Aus der Saarschleife

Als unser Heft in den Druck ging, galt noch als sicher, dass Annegret Kramp-Karrenbauer Ministerpräsidentin im Saarland bleiben würde. Nun soll sie doch nach Berlin kommen und CDU-Generalsekretärin werden. Der vermeintliche Schritt zurück bedeutet weiteren Rückenwind für ihre Karriere

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Mit Annegret Kramp-Karrenbauer kommt eine mögliche Merkel-Nachfolgerin nach Berlin / picture alliance
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Autoreninfo

Christoph Seils war Ressortleiter der „Berliner Republik“ bei Cicero bis Juni 2019. Im Januar 2011 ist im wjs-Verlag sein Buch Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien erschienen.

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Hektisch geht es Anfang Februar in Berlin zu, Spitzenpolitiker hetzen von Termin zu Termin. Regiert wird im Laufschritt. Zu dem normalen Irrsinn gesellen sich die Koalitionsverhandlungen. An einem dieser Tage, der Zeitplan ist längst aus allen Fugen geraten, sitzt Annegret Kramp-Karrenbauer im Kanzleramt links neben Angela Merkel. Der Zufall will es, dass die saarländische Ministerpräsidentin in dieser „durchaus spannenden Zeit“ der Ministerpräsidentenkonferenz vorsitzt.

Wie Annegret Kramp-Karrenbauer da so im weiten grauen Hosenanzug sitzt, über Flüchtlinge, die Digitalisierung oder Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge spricht – erst konzentriert die vielen Wünsche der Bundesländer an die nächste Regierung darlegt und dann über das gute gegenseitige Verständnis in den Arbeitsgruppen redet –, da verschwimmen nach und nach die Grenzen. Irgendwann ist nicht mehr klar: Berichtet Kramp-Karrenbauer gerade aus der MPK oder aus den Koalitionsverhandlungen? Legt sie die Position des Saarlands oder die der CDU dar? Unweigerlich fragen sich alle Anwesenden, ob da vielleicht schon die zukünftige Bundesministerin sitzt und jene CDU-Politikerin, die in ein paar Jahren das Erbe von Angela Merkel im Kanzleramt antreten könnte.

Merkels Nachfolgerin?

Seit drei Jahren gilt Kramp-Karrenbauer als Favoritin der Kanzlerin für ihre Nachfolge. Anfangs lachten viele, doch zuletzt galt AKK, wie sie in der CDU genannt wird, für das vierte Merkel-Kabinett als gesetzt. Sie hätte sich ein Ministerium aussuchen können, heißt es unter Merkelianern in der CDU. In Saarbrücken scharrten mögliche Nachfolger schon mit den Füßen. Auch Personal, das Kramp-Karrenbauers Wechsel nach Berlin organisieren sollte, war angeheuert. Dann die Überraschung: Auf der Kabinettsliste der CDU fehlen die drei Buchstaben AKK. Das Saarland sei durch ihren Parteifreund Peter Altmaier und den Sozialdemokraten Heiko Maas in der Bundesregierung „gut vertreten“, sagt Kramp-Karrenbauer mit knappen Worten. Ansonsten kein Kommentar.

Auf den ersten Blick scheint es so, als wäre damit Kramp-Karrenbauers bereits zweiter Versuch gescheitert, in der Bundespolitik Fuß zu fassen. Vor 20 Jahren, im März 1998, zog die damals 34-jährige Politikwissenschaftlerin und Mutter dreier Kinder als Nachrückerin für sechs Monate in den Bundestag ein. Doch sie verfehlte bei der Wahl im September 1998 ein Mandat. Stattdessen begann sie ein Jahr später als Ziehtochter des damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Verfassungsrichters Peter Müller eine landespolitische Karriere.

Höhenflug im Saarland

AKK wird Landtagsabgeordnete in dem kleinsten Bundesland, nacheinander Innen-, Bildungs-, sowie Arbeits- und Sozialministerin und schließlich 2011 Ministerpräsidentin. Sie erbt von Müller auch das Jamaika-Bündnis an der Saar, lässt dieses allerdings bereits nach fünf Monaten platzen. Das Risiko zahlt sich aus, bei Neuwahlen legt die CDU zu, die Saar-SPD fügt sich in die Rolle des Juniorpartners in der Großen Koalition.

Ihr politisches Meisterstück bot sie bei der Landtagswahl am 26. März 2017. In einem fulminanten Wahlkampffinish errang sie einen Last-Minute-Sieg, die CDU legte 5,5 Punkte zu, verhinderte so eine rot-rote Mehrheit im Saarland und stoppte frühzeitig den Höhenflug des SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz. Mit 40,7 Prozent ist der CDU-Landesverband damit zugleich der derzeit bundesweit erfolgreichste. Das Wort der Vorsitzenden hat in der CDU großes Gewicht.

Liebling der Kanzlerin

Es gibt zwei Erklärungen für den Verzicht von Annegret Kramp-Karrenbauer auf das Ministeramt. Die eine hat mit dem regionalen Proporz zu tun: Zwei Minister aus dem kleinsten Flächenland hätte die CDU nicht akzeptiert. Demnach bräuchte die Ministerpräsidentin nur noch etwas Geduld und könnte im kommenden Jahr nach Berlin wechseln, schließlich werden dem designierten Wirtschaftsminister Peter Altmaier Ambitionen auf einen Wechsel in die EU-Kommission nachgesagt. AKK könnte in den vergangenen Wochen und Monaten allerdings auch zu der Erkenntnis gelangt sein, dass sie derzeit keinerlei Chance hätte, sich in einem Kabinett Merkel zu behaupten. Es war für sie nicht hilfreich, dass die Kanzlerin sie so offensichtlich zu ihrem Liebling erkoren hatte.

Schon zuletzt wurde in der Öffentlichkeit und in der Union jede Äußerung der Saarländerin auf Taktik reduziert. Egal, ob sie sich in der Flüchtlingspolitik hinter die Kanzlerin stellte oder in Sachen Ehe für alle gegen sie. Als Argument im offiziell noch gar nicht eröffneten, aber schon hart geführten Machtkampf um die Merkel-Nachfolge. Indem Kramp-Karrenbauer jetzt CDU-Generalsekretärin wird und damit einen Karriereschritt zurück ins Glied macht, kann sie sich zugleich neu positionieren. Von ihr wird also noch zu hören sein.


Dies ist ein Text aus der März-Ausgabe des Cicero. Erhältlich am Kiosk und in unserem Onlineshop.







 

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