Annegret Kramp-Karrenbauer - Die CDU, neuerdings leicht entflammbar

In Annegret Kramp-Karrenbauers CDU schwelte es schon lange. Seit ihrer missverständlichen Antwort auf ein mögliches Parteiausschlussverfahren gegen Hans-Georg Maaßen aber brennt die Partei. Kurz vor den Landtagswahlen im Osten wird das Löschen immer schwieriger

In der CDU brennt es lichterloh / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Versucht man ein Stück Würfelzucker anzuzünden, passiert nichts. Hat man aber vorher etwas Asche damit in Kontakt gebracht, dann brennt er lichterloh. Die CDU war bisher ein Stück Würfelzucker. Nicht entflammbar. Aber jetzt brennt sie lichterloh. Das ist eine ganz neue Erfahrung für diese Partei, in der der Gehorsam gegenüber der Obrigkeit fast soldatische Züge hat.

Das Fitzelchen Asche, das die CDU nun in Brand gesteckt hat, heißt Hans-Georg Maaßen. Der frühere Verfassungsschutzpräsident hat die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrrenbauer so lange mit seiner Kritik an der Merkelschen Migrationspolitik geärgert, bis sie verlauten ließ, dass ihn nichts mehr mit er CDU verbinde. Sogar einem Parteiausschlussverfahren hatte sie, jedenfalls zunächst, keine Absage erteilt.

Lager, die sich spinnefeind sind

Damit ist der offene Krieg ausgebrochen zwischen Konservativen und Merkelisten. Schon vorher hatte sich eine Dissidentengruppe namens Werte-Union gegründet, als Gegenbewegung die Union der Mitte. Solche Lager, die sich erbittert streiten und spinnefeind sind, das ist eine völlig neue Erfahrung für die CDU. Früher gab es einen Alfred Dregger und einen Norbert Blum, die sich aber bei Parteitagen sahen und sich am Ende tolerierten. Weil beide wussten, dass zu einer Volkspartei beides gehört. Und über allem thronte Helmut Kohl.

Dieses innere, über Jahrzehnte zutiefst stabile Gefüge hat Angela Merkel als Parteivorsitzende zerstört. Seither ist die CDU von einem Schwelbrand befallen wie die nordische Tundra im heißen Sommer. Man sah bisher keine Flammen, das Feuer schwelte unter der Oberfläche. Aber jetzt ist es offen ausgebrochen.

Der Kronzeuge Maaßen agiert mit Elan

Es ist nicht ganz klar, welches persönliche Ziel Hans-Georg Maaßen damit verfolgt, Angela Merkels Flüchtlingspolitik überall und unter großem Zuspruch anzuprangern. Klar ist aber, dass es kaum einen gefährlichereren Kronzeugen gegen das geben kann, was sich im Herbst 2015 und Anfang 2016 zugetragen hat.

Maaßen war als Chef des Verfassungsschutzes nah dran an den politischen Entscheidungen, und er verzweifelte an ihnen ebenso wie Dieter Romann, der Chef der Bundespolizei und Holger Münch, der Chef des BKA. Die anderen beiden sind weiter von ihrer Loyalität als Beamte gebunden. Maaßen nach seinem Rauswurf nach Chemnitz nicht mehr. Und er macht von seinem neue Recht auf gänzlich freie Meinungsäußerung reichlich Gebrauch. Sein Elan erklärt sich aus seinem Leid seinerzeit.

Ein trojanisches Pferd der AfD

Viel vorwerfen kann ihm die Parteivorsitzende Kramp-Karrenbauer in Wahrheit aber nicht. Er hat sich im Nachgang zu Chemnitz töricht verhalten, indem er öffentlich insinuierte, er wisse mehr über ein Video, das etwas zeigte, dass hinterher von der Bundesregierung als Hetzjagd auf Ausländer bezeichnet wurde. Er legte nahe, dass etwas nicht stimme mit dem Video und seiner Authentizität. Hinterher wollte er nur die Plattform als unglaubwürdig gemeint haben, auf der das Video verbreitet wurde. Sein Rauswurf war insofern unausweichlich.

Und er hat einmal über „1,8 Millionen Araber“ gesprochen, die 2015/2016 im Zuge der nicht geschlossenen Grenze gekommen seien.  Die Zahl ist schon deshalb falsch, weil es nicht Menschen arabischer sondern auch nordafrikanischer Herkunft waren. Aber sonst können diejenigen in der CDU, die ihn nun zum Aussätzigen mache wollen, keine Belege vorbringen, dass Maaßen in Wahrheit eine Art Trojanisches Pferd der AfD in der CDU sei.

Direkt in die Arme der AfD

Es stimmt: Die Werte-Union ist nicht mehr als eine Splittergruppe. Sie umfasst knapp 2500 Menschen, etwa 80 Prozent davon sind CDU-Parteimitglieder. Nur wenige ihnen sind in Landesparlamenten oder im Bundestag. Dennoch zeigen nicht nur die verteidigenden Worte des JU-Vorsitzenden Tilman Kuban, dass Maaßens Ansichten in der CDU verbreiteter sind, als es Annegret Kramp-Karrenbauer weismachen will.

In der Wählerschaft mit Sicherheit auch. Deshalb ist die entbrannte Schlacht zwischen Maaßen und der Parteispitze für die Wahlkämpfer der CDU in Sachsen, Brandenburg und Thüringen eine Katastrophe. Mit ihrem parteiinternen Workshop zu Merkels Migrationspoltik hatte Annegret Kramp-Karrenbauer die Kritiker von Merkel hoffnungsfroh gemacht. Diese Aktion jetzt aber wird sie verprellen. Nicht Hans-Georg Maßen treibt also potenzielle Wähler der CDU in die Arme der AfD. Sondern die Parteivorsitzende höchstpersönlich.

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