Merkels Pressekonferenz zu Corona - War was?

Angela Merkel ist gut darin zu überspielen, dass sie die Fäden nicht in der Hand hält, das hat die heutige Corona-Pressekonferenz wieder einmal gezeigt. Doch die Ministerpräsidenten tanzen ihr auf der Nase herum. Es wird nun überdeutlich: Die Kanzlerin ist eine lame duck.

Merkel hat in all ihren Jahren als Kanzlerin ein dickes Fell bekommen / dpa
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Vielleicht sollte sich Angela Merkel so eine Veranstaltung noch einmal sehr gut überlegen. Nichts als Allgemeinplätze und allgemeine Hinweise („bitte nicht in Risikogebiete fahren!“), sind da nach sechs Stunden Schaltkonferenz mit den Länderchefs herausgekommen.

Scheinbar einheitliche Regelungen (Bußgelder bei Verstößen gegen die Maskenpflicht), die Aufforderung, private Feiern möglichst im Freien abzuhalten (nach dem spürbaren Herbsteinbruch) und mit möglichst wenig Menschen (ohne eine konkrete und einheitliche Zahl), das einzig Konkrete: keine Großveranstaltungen bis Ende des Jahres und kein Fußball mit Zuschauern bis mindestens Ende Oktober. 

Infektionsschutz ist Ländersache

Es war auch nicht anders zu erwarten. Schon vor geraumer Zeit hat man sich darauf verständigt, dem Virus mit regional angepassten Maßnahmen zu begegnen, man war also längst vom bundeseinheitlichen Ansatz abgekehrt. Der auch seinerzeit in der Hochphase nur schwer durchzusetzen war, weil die Bundeskanzlerin in Wahrheit gar keine Prokura dafür hat. Infektionsschutz ist Ländersache, das hat sie implizit auch ausgesprochen, als sie nach dem Demoverbot in Berlin gefragt wurde und festhielt, dass sie die Entscheidung respektiere, dass das aber gar nicht ihre Sache sei. 

Wer einmal das Clustern zulässt und damit nicht nur die Macht (über das Infektionsschutzgesetz), sondern auch politisch den Auftrag an die Länder und die Landkreise gibt, der fängt das nicht mehr ein. Das ist wie der Versuch, verschüttetes Quecksilber wieder zurück ins Röhrchen zu bekommen. Aussichtslos. 

War was?

Merkel hat in all ihren Jahren als Kanzlerin ein dickes Fell bekommen, auch in solchen Momenten der offensichtlichen Niederlage erscheint sie stoisch und ungerührt. Sie sieht immer aus wie der fleischgewordene Satz: War was? Das ist eine große Gabe. Aber sie überdeckt nicht, dass ihr die Länderchefs in Sachen Corona auf der Nase herumtanzen. Und sie gar nichts mehr dagegen tun kann. Schon gar nicht als eine Kanzlerin auf den letzten Metern, die ihre parteipolitische Macht schon vor einem Jahr abgegeben hat. 

Es war ihr lange gelungen zu kaschieren, was in so einer Situation zwangsläufig eintritt. Jetzt aber fördert auch hier Corona überdeutlich die Wahrheit zutage: Sie ist eine lame duck.

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