Merkel vs. Laschet - Wer hätte das gedacht?

Noch vor einer knappen Woche sah es so aus, als sei Angela Merkel die Macht endgültig entglitten. Ihre Bitte um Verzeihung war zugleich das Einknicken vor der Macht der Länderchefs. Doch was die nicht ahnten: Wer die Verantwortung übernimmt, übernimmt die Macht. Das erfährt auch Armin Laschet gerade.

Wird er Kanzlerkandidat? CDU-Chef Armin Laschet / dpa
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Marko Northe hat die Onlineredaktion von cicero.de geleitet. Zuvor war er Teamleiter Online im ARD-Hauptstadtstudio und Redakteur bei der "Welt". Studium in Bonn, Genf und Berlin sowie am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 

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Man kann nicht gerade behaupten, dass es für Armin Laschet derzeit gut läuft. Kaum ist der Mann CDU-Chef, schon stolpert die Partei über Korruptionsskandale, die die Dimension des Spendenskandals der Jahrtausendwende annehmen könnten. Die Umfragewerte der Union für die Bundestagswahl purzeln in Richtung SPD. Und nun fällt ihm noch die eigene Vorgängerin und Kanzlerin in den Rücken. Öffentlich, in der meistgesehenen Talkshow des Landes. „Das erfüllt mich nicht mit Freude“, erwiderte Merkel am Sonntag bei „Anne Will“, als sie auf die Pandemie-Politik von Laschet in Nordrhein-Westfalen angesprochen wurde.

Dass das Social-Media-Team der CDU für seinen Twitterkanal zudem ausgerechnet ein Merkel-Zitat aus der Sendung gewählt hatte, in dem sie nochmals indirekt Laschet angriff („Öffnen ist nicht das Gebot der Stunde“), passt ins Bild einer kopflosen Partei, die der Chef nicht im Griff hat.

Die Aussichten auf die Kanzlerkandidatur, so scheint es, schwinden für Laschet. Verschleißt Merkel da den nächsten möglichen Nachfolger, nachdem ja schon Annegret Kramp-Karrenbauer mehr an der Kanzlerin als am „Erdbeben von Erfurt“ gescheitert war?

Vor einer Woche sah alles noch ganz anders aus

Dabei hatte es doch vor einer knappen Woche noch ganz anders ausgesehen. Nach einer langen Nacht in der Ministerpräsidentenkonferenz hatte Merkel einen Vorschlag zur Eindämmung der Pandemie vorgelegt, der, unausgegoren, wie er war, keine Chance auf Realisierung hatte: die „erweiterte Osterruhe“. Nach einem Tag allgemeiner Unsicherheit und Verwirrung stellte sich die Kanzlerin vor die Kameras und bat die Bevölkerung für ihren nicht umsetzbaren Shutdown um Verzeihung. Am Ende trage sie für alles die letzte Verantwortung, sagte Merkel, und der eine oder andere politische Beobachter hatte fast einen sofortigen Rücktritt erwartet angesichts dieser dramatischen Wortwahl.

Doch Merkel, das steht spätestens seit ihrem denkwürdigen Plausch mit Anne Will fest, hatte genau das Gegenteil im Sinn. Indem sie alle Verantwortung übernahm, nahm sie auch die Macht wieder in die Hand. So ist auch ihre indirekte Drohung an Laschet, den Saarländer Tobias Hans und alle anderen Länderchefs zu verstehen, dass sie sich die Infektionskurve nicht mehr lange ansehen werden, bis etwas geschehe. Merkel sagte es nicht direkt, doch es dürfte klar sein, dass das Kanzleramt nötigenfalls mit Richtlinienkompetenz und Infektionsschutzgesetz über die Köpfe der Ministerpräsidenten hinweg die Coronapolitik bestimmen wird. Markus Söder, der direkt nach „Anne Will“ in den Tagesthemen zu Gast war, schloss sich der Kanzlerin an und sprach sich für bundesweit einheitliche Regelungen aus. Dass Innenminister Horst Seehofer am Montag in der Süddeutschen Zeitung genau das forderte, dürfte ebenfalls kein Zufall sein.

Laschet bleibt stur

Laschet blieb am Montag tapfer – oder stur, je nach Lesart. In seinem Statement nach der CDU-Präsidiumssitzung sagte der NRW-Ministerpräsident: „Jeder will, dass die Infektionszahlen runtergehen, und jeder hat für sein Land entsprechende Maßnahmen gemacht“, die Maßnahmen sehen jedoch „sehr unterschiedlich“. Er sehe keinen Grund für eine Planänderung in seinem Bundesland.

Ob Laschet seine Standfestigkeit helfen wird? Es sieht derzeit nicht danach aus. Zu allem Überfluss erklärten am Montag auch noch mehrere CDU-Bundestagsabgeordnete öffentlich, sie seien für einen Kanzlerkandidaten Söder. „Die letzten Wahlen zeigen, dass besonders das Vertrauen in Persönlichkeiten entscheidend ist“, sagte da zum Beispiel Ronja Kemmer.

Die baden-württembergische CDU-Abgeordnete hatte sich schon vor rund einem Jahr gegen Laschet ausgesprochen, als es um den CDU-Vorsitz ging. Ihr Favorit war damals Friedrich Merz. Ihr Plädoyer für Söder als Kanzlerkandidaten begründet sie wie damals ihr Plädoyer für Merz damit, dass die Union einen „Plan“ und ein „Konzept“ brauche. Etwas, das einige dem in die Ecke gedrängten Laschet momentan anscheinend nicht zutrauen. Nach Ostern wird entschieden, wer die Union in den Wahlkampf führt.   

  

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