Ampel-Regierung - Das neue Bundeskabinett steht: Alle Ministerien im Überblick

Alle drei Ampel-Parteien haben die Besetzung der Ministerposten bekanntgegeben. Damit steht einer Unterzeichnung des Koalitionsvertrags nichts mehr im Wege. Die neue Bundesregierung kann durchstarten und zeigen, welche Wahlversprechen sich umsetzen lassen und welche nicht. Alle 17 Minister und Ministerinnen des Kabinetts Scholz als Bilderstrecke.

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Olaf Scholz

Zum Ende der Pressekonferenz zeigt Olaf Scholz es wieder: „Sie werden diese Frauen und Männer noch öfter sehen und in allen Details kennenlernen. Sie werden finden: Es sind sehr gute Frauen und Männer“, sagt der zukünftige Bundeskanzler am heutigen Morgen auf der Bühne des Willy-Brandt-Hauses – und grinst sein „schlumpfiges Grinsen“, wie es im März Bayerns Ministerpräsident Markus Söder genannt hatte. Man könnte auch sagen: Da wollte jemand witzig sein, aber es klappt nicht so recht. In der weitgehend von Emotionen befreiten Art des öffentlichen Redens ist der 63-jährige Hamburger Scholz der direkte Erbe Angela Merkels. Er ist es auch in seiner ruhigen Art des Handelns, die er als Hamburger Innensenator, SPD-Generalsekretär, Arbeitsminister, Oberbürgermeister Hamburgs und zuletzt als Finanzminister unter Beweis gestellt hat. Der große Unterschied ist der Anspruch, mit dem er die Führung der Ampelregierung übernimmt: Er will Dinge voranbringen, das Land nicht nur verwalten. Dass er überhaupt so weit gekommen ist, hat er seinem Durchhaltewillen zu verdanken: Nach der verlorenen Bewerbung um den SPD-Parteivorsitz 2019 hatten viele Scholz schon abgeschrieben, diesen Schröder-Eleven in der neuen, linken Kühnert- und Esken-SPD. Doch Scholz hat sich, felsenfest überzeugt von den eigenen Fähigkeiten, mögliche Verantwortung für Warburg- und Wirecard-Skandale kühl abmoderierend, durchgesetzt.   mga

Annalena Baerbock

Annalena Baerbock (B90/Die Grünen) wird als künftige Bundesaußenministerin (von Olaf Scholz abgesehen) als das „Gesicht“ der Bundesrepublik außerhalb Deutschlands wahrgenommen werden. Wäre die 40-Jährige nicht als hoffnungsvolle Kanzlerkandidatin ihrer Partei in den Wahlkampf gestartet, hätte sie wohl niemand für dieses Ressort auf dem Zettel gehabt. Denn weder kann sie mit außenpolitischer Expertise aufwarten, noch zeugen ihre vielen Patzer im Zusammenhang mit ihrem aufgehübschten Lebenslauf und dem aus zahlreichen Plagiaten zusammenkompilierten Buch von überragender politischer Kompetenz. Aber weil sie immerhin als Parteivorsitzende erfolgreicher war als in der Rolle der Wahlkämpferin, fällt ihr nun eben das Auswärtige Amt zu. Die Aufgaben dort sind enorm, zumal Deutschland bisher über keine stringente außenpolitische Strategie verfügt. Der Zeitpunkt der Amtsübernahme könnte herausfordernder kaum sein, allein schon wegen der aktuellen Krisen in Belarus und in der Ukraine, an dessen Grenze der Kreml mit dem Säbel rasselt. Hinzu kommen natürlich als weitere Großbaustellen der geopolitische Konflikt mit China und eine innerlich zerrissene EU. Baerbock hat schon angedeutet, eine Außenpolitik mit moralischem Anspruch betreiben zu wollen. Was das genau bedeutet, wird man sehen. In jedem Fall ist der Bundeskanzler ohnehin die ausschlaggebende Instanz, wenn es um internationale Beziehungen geht. Da könnte also noch erhebliches Konfliktpotential lauern. mar

Robert Habeck

Robert Habeck (B90/Die Grünen) wird Vizekanzler und übernimmt das zum Klimaministerium ausgebaute Wirtschaftsressort. Der Co-Chef der Grünen wird damit wohl zum mächtigsten Regierungsmitglied der Ökopartei. Denn Habecks Superministerium soll das zentrale Vorhaben der Ampelkoalition organisieren: den Umbau des Industriestandorts Deutschland zur klimaneutralen Wohlstandsoase. Für Energiepolitik war das zuletzt von Peter Altmaier (CDU) geführte Wirtschaftsministerium schon länger zuständig. Der neue Auftrag lautet Klimaschutz und klingt deutlich umfassender. Als Staatssekretär hat Habeck bereits Patrick Graichen benannt, der die Denkfabrik Agora Energiewende leitet, eine einflussreiche Lobbyorganisation der Erneuerbare-Energien-Branche. Habeck, der eigentlich Finanzminister werden wollte, wird an der Spitze des Ministeriums einen Spagat üben müssen: zwischen stark ideologisch getriebenen Kräften, denen es mit der staatlich gelenkten Transformation der Wirtschaft nicht schnell genug gehen kann, und Verfechtern der Marktwirtschaft, denen unternehmerische Freiheit und fairer Wettbewerb wichtig sind. In seinen Wahlkampfreden hat der frühere Landwirtschaftsminister von Schleswig-Holstein stets betont, dass Klimaschutz und Wachstum keine Gegensätze seien. Nun wird er in der Praxis zeigen müssen, ob ihm das grüne Wirtschaftswunder gelingt. Der Einstieg in eine Wasserstoffindustrie, wie er im Koalitionsvertrag angekündigt wird, wäre ein erster Schritt. Eine ehrliche Bilanz der bisherigen Energiewende, die Deutschlands Stromversorgung teuer und zunehmend unsicher gemacht hat, der nächste. dg

Christian Lindner

Christian Lindner (FDP) wird mit dem Bundesfinanzministerium eines der wichtigsten Ressorts in der neuen Bundesregierung übernehmen. Der FDP-Chef hat dabei zwei schwierige Aufgaben zu lösen. Erstens muss er dafür sorgen, dass der Staatshaushalt nicht noch mehr aus dem Ruder läuft und die Neuverschuldung halbwegs eingedämmt wird – was zum einen wegen Corona herausfordernd ist. Zum anderen aber auch wegen der Koalitionspartner von der SPD und den Grünen, die bekanntlich fiskalpolitisch wenig von den Grundsätzen der „schwäbischen Hausfrau“ halten. Zweitens muss der 42-Jährige die Anhängerschaft der Liberalen davon überzeugen, dass es trotz eines teilweise sehr unterschiedlichen Staats- und Gesellschaftsverständnisses zwischen Rot-Grün auf der einen und Gelb auf der anderen Seite richtig war, sich auf eine Ampel einzulassen. Lindner hat da bereits kräftig die Werbetrommel gerührt, indem er öffentlich zu verstehen gab, dass in einer Koalition mit den Unionsparteien weniger liberale Elemente in die Regierungsagenda eingeflossen wären, als es jetzt der Fall ist. An seiner politischen Weitsicht haben selbst Kritiker aus dem gegnerischen Lager wenig Zweifel, allerdings hat er noch nie ein Ministerium geführt. Und das Bundesfinanzministerium ist eine sehr große Nummer, Lindner besetzt als „Herr des Geldes“ eine zentrale Schaltstelle innerhalb der künftigen Regierung. mar

Cem Özdemir

Cem Özdemir (B90/Die Grünen) übernimmt das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Ein Bereich, mit dem der Stuttgarter Grünen-Politiker bisher wenig zu tun hatte – abgesehen davon, dass sein Vater in der Türkei Bauer war, wie Özdemir betonte. Seine Fans hätten ihn lieber an der Spitze des Auswärtigen Amtes oder des Verkehrsministeriums gesehen. Dass der zum Realo-Flügel zählende Bundestagsabgeordnete überhaupt in Kabinett kommt, ist das Ergebnis eines parteiinternen Machtkampfs, der direkt nach den Koalitionsverhandlungen auf offener Bühne ausgetragen wurde. Toni Hofreiter, prominente Figur des linken Grünen-Flügels, hatte schon fest mit dem Ministerposten gerechnet, ging dann aber überraschend leer aus. Der betont schwäbisch auftretende Özdemir hat sein Direktmandat in Stuttgart mit dem besten Ergebnis aller Bundestagskandidaten der Grünen geholt. Dieser Wahlerfolg sowie seine Herkunft aus einer Einwandererfamilie galten als wichtige Argumente, weshalb die Partei ihm kaum einen Kabinettsposten verwehren könne. Im Landwirtschaftsministerium wird der Ressortneuling keine einfache Aufgabe übernehmen. Die Zeiten, in denen Agrarminister vor allem Kühe tätscheln und Weinprinzessinnen küssen durften, sind vorbei. Der Zorn vieler Bauern, denen steigende Energiekosten und immer strengere Umweltauflagen das Leben schwer machen, ist groß. Gleichzeitig muss ein grüner Landwirtschaftsminister sein großstädtisches Biomarkt-Klientel zufriedenstellen, denen seine Partei eine ökologische Agrarwende versprochen hat. dg

Hubertus Heil

Hubertus Heil (SPD) verkörpert all das, was man sich traditionell unter einem Sozialdemokraten vorstellt: Er kommt aus Niedersachsen, sein Body-Mass-Index liegt leicht über dem Ideal, und er spricht am liebsten über Soziales und Arbeit. Der 49-Jährige hätte als Arbeits- und Sozialminister gut in ein Kabinett Schröder gepasst, aber genauso in ein Kabinett Schmidt oder Brandt. Seit 1998 im Bundestag, stieg der eher unbekannte Heil nach dem Ende der Ära Schröder 2005 zum SPD-Generalsekretär auf, blieb auf dieser Position aber weitgehend erfolglos: Er war (mit-)verantwortlich für die krachenden Wahlniederlagen 2009 (Steinmeier) und 2017 (Schulz). 2018 wurde er Bundesminister für Arbeit und Soziales und setzte die Grundrente durch – und bessere Arbeitsbedingungen in der Fleischbranche. „Fast schon ein Schlachtross“, nannte ihn Scholz bei der heutigen Vorstellung. Mit dem von der Ampel geplanten Mindestlohn von 12 Euro wird Heil punkten können. Messen lassen wird er sich an der Reform des Rentensystems - davor waren er und die nun abtretende Regierung  zurückgeschreckt. mga

Karl Lauterbach

Kaum eine Personalie wurde mit so viel Spannung verfolgt wie die Frage, wer neuer Gesundheitsminister wird. Denn der aussichtsreichste Kandidat hatte seinen Hut schon zu Beginn der Corona-Krise in den Ring geworfen. Ob in den Polittalks bei Lanz, Illner, Will oder auf Twitter – Karl Lauterbach (SPD) ließ keine Gelegenheit aus, den Deutschen die Pandemie zu erklären, ob sie wollten oder nicht. Lauterbach, 58, ist vom Fach. Er hat Epidemiologie an der Harvard School of Health in Boston studiert. Ein Nerd, der bis spät in die Nacht die neuesten Studien „frisst“ und die Bürger aus dieser Pole Position heraus in seinem immer etwas nörgelig klingenden rheinischen Singsang zur Vorsicht ermahnte. Nicht allen gefiel das. Gerade für Skeptiker, die den restriktiven Kurs der Bundesregierung mit Argwohn verfolgten, wurde er zur Hassfigur. Andere überzeugte er mit seiner Expertise – und das parteiübergreifend. Lockdown, Masken, Sicherheitsabstand. Lauterbach war dem amtierenden Gesundheitsminister immer zwei Nasenlängen voraus. Und mit seinen Prognosen lag er fast immer richtig. Von daher war es jetzt nur konsequent, dass die SPD den Gesundheitsminister der Herzen jetzt auch offiziell inthronisierte. In der eigenen Partei war diese Personalie nicht unumstritten. Der Rheinländer gilt als Einzelgänger, als begnadetste Ich-AG des Bundestags. Um ein Ministerium zu führen, bedarf es aber eines Krisenmanagers. Und ob dafür ausgerechnet Lauterbach der richtige ist, daran gab es bis zuletzt massive Zweifel. Aber eine personelle Alternative drängte sich nicht auf.  Lauterbach ist nicht nur Epidemiologe, sondern auch Arzt und Gesundheitsökonom. Er ist weltweit gut vernetzt. Journalisten können ihn rund um die Uhr erreichen. Mehr Sachkompetenz und mehr Engagement gehen nicht. Ob das reicht, wird sich jetzt zeigen. ah

Christine Lambrecht

Christine Lambrecht (SPD) übernimmt das Bundesverteidigungsministerium, das nach Ursula von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer auch unter der Ampel-Koalition in weiblicher Hand bleibt. Lambrecht ist seit 2017 Bundesjustizministerin und hat im vorigen Mai wegen des plagiatsbedingten Ausscheidens von Franziska Giffey zusätzlich noch das Bundesfamilienministerium übertragen bekommen. Eigentlich wollte die 56 Jahre alte Juristin in diesem Jahr aus der Politik ausscheiden, doch nun kommt es anders – und sie trägt künftig Verantwortung für eines der schwierigsten Ministerien, die die Regierung bereithält. Denn die Bundeswehr ist schon seit langem eine einzige Großbaustelle; sie gilt als ineffizient, kaum schlagkräftig und ist wegen der komplizierten Strukturen insbesondere in Sachen Beschaffung immer für einen Skandal gut. Wahrscheinlich fiel deswegen die Wahl auf Christine Lambrecht, die ähnlich wie ihre Vorgängerin Kramp-Karrenbauer wegen ihrer Sachorientiertheit geschätzt wird. Ein politisches Abklingbecken ist die riesige Behörde am Berliner Reichpietschufer ganz sicher nicht; die gebürtige Mannheimerin wird sich insbesondere auch um die gemeinsamen europäischen Rüstungsprojekte kümmern müssen (Stichwort „Future Combat Air System“), wo es schon seit längerem nicht richtig weitergeht. mar

Wolfgang Schmidt

Wolfgang wer?, werden die meisten Bürger fragen, wenn sie den Namen des Kanzleramtsministers Wolfgang Schmidt (SPD) in der Zeitung lesen. Der 51-jährige Schmidt wird zwar auf Wikipedia als „Politiker“ geführt, man kennt den Hamburger aber weder aus dem Bundestag noch aus Talkshows. Ganz anders reagiert die Journalisten-, Politiker- und Diplomaten-Mischpoke der „Berliner Blase“: Hier ist der joviale Schmidt seit 2011 als Chef der Hamburger Landesvertretung, gewissermaßen Hamburgs „Außenminister“, eine feste Größe. Im Englischen nennt man einen wie ihn den „Spin Doctor“ seines Chefs: Er steht stellvertretend für seinen Chef im ständigen Austausch mit der Hauptstadtjournaille, um der Berichterstattung den richtigen Spin zu geben. Seine Karriere ist engstens verwoben mit der politischen Vita von Olaf Scholz, der ihn vor knapp zwei Jahrzehnten zunächst als Referent, dann als Büroleiter in sein Team holte. Seit 2018 war Schmidt als Staatssekretär Scholz’ linke Hand im Finanzministerium. Scholz vertraut ihm in Fach- wie in Parteifragen: Da war Schmidt im vergangenen Jahr vor allem damit beschäftigt, Scholz’ Kanzlerkandidatur vorzubereiten und auch die Loyalität des Esken- und Kühnert-Flügels zu sichern. „Ich will dafür sorgen, dass Olaf Scholz den Rücken freihat, damit er das machen kann, was er versprochen hat: ordentlich zu regieren“, sagte Schmidt bei der heutigen Regierungsvorstellung. Der Mann im Hintergrund – das war bisher seine Position. Als Kanzleramtschef – siehe Helge Braun – wird er nun aber nicht mehr ganz so im Verborgenen werkeln können. mga

Volker Wissing

Volker Wissing (FDP) gehört zu denjenigen Ministern im neuen Kabinett, die tatsächlich schon über Erfahrung in ihrem Ressort verfügen. Der 51-jährige FDP-Generalsekretär war fünf Jahre lang rheinland-pfälzischer Landesminister für Wirtschaft, Verkehr und Landwirtschaft. Als Bundesverkehrsminister will er den Bahnverkehr besser takten, eine dichtere Ladesäulen-Infrastruktur für Elektroautos aufbauen und dafür sorgen, dass auch Menschen im ländlichen Raum mobil bleiben. Seine Aufgaben dürften durch die ambitionierten Klimaschutzziele, die durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts gleichsam zur unhintergehbaren Staatsaufgabe gemacht wurden, sicher nicht leichter werden. Ab 2035 sollen in Übereinstimmung mit den Zielen der EU nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge neu zugelassen werden, auch wenn das Verbot des Verbrennungsmotors im Koalitionsvertrag nicht mehr ausdrücklich vorkommt. Hier hatte sich die FDP durchgesetzt, die die Klimaschutzziele eher durch Forschung und Entwicklung als durch staatliche Verbote zu erreichen. Auch die Spritpreise will Wissing nicht erhöhen, worüber natürlich vor allem der grüne Koalitionspartner sauer ist.  So muss Wissing also den Umbau des Verkehrssystems auf Klimaneutralität kuratieren, soll aber gleichzeitig keine neuen Schulden machen und will höhere Steuern und Preise vermeiden. Ein Spagat, von dem ganz und gar nicht sicher ist, ob er, um im Bild zu bleiben, anatomisch überhaupt möglich ist. Als FDP-Minister kommt noch ein weiterer Spagat auf ihn zu, nämlich der Öffentlichkeit den Widerspruch zwischen der Freiheitsrhetorik seiner Partei und ihrer Zustimmung zu strengeren Covid-Maßnahmen zu erklären. So riet er etwa am vergangenen Wochenende von Reisen über die Weihnachtsfeiertag ab und hält inzwischen auch eine Impfpflicht und einen neuen Lockdown für „denkbar“. iw

Nancy Faeser

Mit Nancy Faeser (SPD) zieht eine Politikerin in das Bundesinnenministerium ein, die bundesweit weniger bekannt ist als die meisten anderen Minister in der Regierung Scholz. Dafür punktet Faeser mit viel Sachverstand. Die studierte Juristin trat 1988 in die SPD ein, stammt aus dem Wahlkreis Main-Taunus und ist eine profilierte Innenpolitikerin. Als Mitglied der Sozialdemokraten in der Polizei (SIP) weiß sie etwa um die Sorgen und Nöte der Beamten und gehörte seit 2009 der Arbeitsgruppe „Innen“ des SPD-Parteivorstandes in Berlin an. Sie war von 2014 bis 2019 Generalsekretärin der SPD Hessen, seit zwei Jahren ist sie Landesvorsitzende der Partei. Außerdem war Faeser Obfrau gleich mehrerer Untersuchungsausschüsse, darunter auch jener, der sich mit den NSU-Morden befasste. Als Bundesinnenministerin wird Faeser etwa für den Anspruch der Ampel-Regierung verantwortlich sein, „allen verfassungsfeindlichen, gewaltbereiten Bestrebungen entschieden“ entgegenzutreten, „ob Rechtsextremismus, Islamismus, Verschwörungsideologien, Linksextremismus oder jeder anderen Form des Extremismus“, wie es im Koalitionspapier heißt. Die Zahl der politisch motivierten Straftaten ist zuletzt stark angestiegen. 44.700 entsprechende Straftaten wurden vom Bundeskriminalamt im Jahr 2020 registriert. Ein Plus von 8,5 Prozent. Die Menschen hätten zu Recht den Anspruch, dass die Bundesregierung für ihre Sicherheit sorge, sagte Faeser am Montag, die sich dabei vor allem auf das Thema Rechtsextremismus fokussierte. Dafür brauche es gut ausgebildetes, gut ausgestattetes Personal, insbesondere bei der Bundespolizei, so Faeser weiter. bek

Marco Buschmann

Erst kürzlich fetzte sich Marco Buschmann (FDP) in einer Talkshow mit Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Anlass war die Mahnung Kretschmers, die künftige Bundesregierung müsse sich verstärkt um gewisse Radikalisierungstendenzen bemühen, etwa in der sogenannten Querdenker-Szene. Buschmann machte dabei keine gute Figur, ließ das Thema unter den Tisch fallen und attackierte stattdessen Kretschmer für die Impf-Infrastruktur Sachsens. Es war ein eher unglücklicher öffentlicher Start Buschmanns in seinen künftigen Verantwortungsbereich. Denn der FDP-Politiker wird Justizminister der neuen Bundesregierung. Obgleich Buschmann also noch Feinschliff in Sachen öffentliche Auftritte benötigt, bringt aber auch einiges an Sachverstand für das Amt des Justizministers mit. Der studierte Jurist ist seit 2009 Bundestagsabgeordneter mit dem Schwerpunkt Rechtspolitik, war von 2014 bis 2017 Bundesgeschäftsführer der FPD und ist seit dem Wiedereinzug der Liberalen in den Bundestag (2017) erster parlamentarischer Geschäftsführer der Partei. Über Buschmann ist etwa zu lesen, er sei das „Super-Gehirn“ der FDP. Buschmann warnt unter anderem davor, dass „der Rechtsstaat und die Weltoffenheit unseres Landes wanken“. Als Rechtspolitiker fordert er, dass der Rechtsstaat, „Freiheit und Sicherheit so ausbalanciert, dass er konkreten Gefahren entschieden entgegentritt, ohne aber die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger zu verletzen“. Als Justizminister wird ihm in den kommenden vier Jahren obliegen, entsprechende Rahmenbedingungen für Gerichte, Staatsanwaltschaften und andere Justizbehörden zu schaffen. Auch im Hinblick auf eine Vielzahl juristischer Auseinandersetzungen rund um die Corona-Maßnahmen. Unter anderem wird der deutschen Justiz regelmäßig vorgeworfen, zu langsam zu sein. bek

Steffi Lemke

Cem Özdemir wird bekanntlich Landwirtschaftsminister der Regierung Scholz 1. Dabei wäre auch die Diplomagraringenieurin Steffi Lemke (B90/Die Grünen), das verrät der Blick auf ihren Lebenslauf, eine gute Kandidatin für den Posten gewesen. Aber auch ihre künftige Aufgabe scheint gut zu der gebürtigen Dessauerin zu passen: Sie wird Umweltministerin der neuen Bundesregierung und besetzt damit ein Kernressort grüner Politik, das in den vergangenen zwei Legislaturperioden von der SPD besetzt wurde. Lemke war zuletzt parlamentarische Geschäftsführerin der Partei und naturschutzpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Grünen. „Schutz der biologischen Vielfalt“ und „Schutz der Meere“, das sind laut Selbstbeschreibung zwei Kernanliegen der Politikerin. Lemke ist außerdem Gründungsmitglied der Grünen Partei in der DDR und sitzt, mit Unterbrechungen, seit 1994 im Deutschen Bundestag. Als politische Bundesgeschäftsführerin ihrer Partei leitete sie von 2002 bis 2013 mehrere bundes- wie europapolitische Wahlkämpfe, kennt sich also bestens aus mit Kampagnen, was im Umweltministerium definitiv nicht schaden kann. Zu beobachten wird sein, wie ihr Ministerium künftig mit Robert Habecks neuem Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zusammenarbeiten wird, da es bei Klima- und Umweltschutz selbstredend diverse Überschneidungen gibt, aber auch Kontroversen: etwa, wenn es um Arten- und Landschaftsschutz einerseits und den Ausbau erneuerbarer Energien, vor allem der Windenergie, andererseits geht. Gerade hier tun sich deutschlandweit immer wieder Konflikte auf. Dies auch vor dem Hintergrund, dass Lemke dem linken Flügel der Grünen zugerechnet wird, Habeck dagegen den Realos. Insofern wird sich am Grad der Harmonie zwischen Lemke und Habeck auch ablesen lassen, wie es um die Stimmung innerhalb der Partei zwischen Realos und Fundis steht. bek

Claudia Roth

Dass das Amt des Kulturstaatsministers den Grünen zugefallen ist, war eine Überraschung. Seit mehr als 20 Jahren hatten Bundeskanzler und Kulturstaatsminister stets das gleiche Parteibuch. Nun wird Claudia Roth die Geschicke der Bundeskultur im SPD-geführten Kanzleramt lenken. Für Roth, die seit 2013 allseits respektierte Vizepräsidentin des Bundestags war, bedeutet das nominell erst einmal einen Abstieg. Das Kulturstaatsministerium ist kein vollwertiges Ministerium. Roth wird auch nicht Mitglied des Kabinetts. Dass sie die Aufgabe dennoch verlockend fand, darf man als Bekenntnis werten. Niemand wird ihr wohl absprechen, dass sie etwas von Kultur versteht. Sie hat als Dramaturgin gearbeitet, war Managerin der Punkband „Ton, Steine, Scherben“. Und sie ist in der Kulturbranche gut vernetzt. Auf Claudia Roth wartet nun eine Vielzahl von Aufgaben. Die Kulturbranche leidet weiter schwer unter der Pandemie, sodass Roth erst einmal die Corona-Wiederaufbauhilfe für Kulturschaffende und -institutionen weiterführen wird. Und auch ganz grundsätzlich wird es um eine bessere ökonomische Absicherung von Künstlern gehen müssen. Hinzu kommen die Hinterlassenschaften ihrer Vorgängerin Monika Grütters:  die Reform der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die weiter vorangetrieben, ja eigentlich erst umgesetzt werden muss. Das Humboldt-Forum, das zu einem wirklichen Konzept, zu einer zeitgemäßen Form der Präsentation finden muss, in der die Geschichte der Objekte deutlich wird. Und die Rückgabe kolonialer Raubkunst. Zugleich hat Roth aber die Möglichkeit, zu gestalten. Und gewiss wird sie andere Schwerpunkte setzen als Monika Grütters, die das Amt durchaus auch mit Machtwillen geprägt und ihm zu hohem Ansehen verholfen hat. Weniger Hochkultur, weniger Konzentration auf die sogenannten Leuchttürme, mehr Engagement in der Breite, der Freien Szene: darauf weist schon der Koalitionsvertrag hin, „von Klassik bis Comic, von Plattdeutsch bis Plattenladen“. Claudia Roth polarisiert, aber genau das ist auch ihre Stärke. Sie hat langjährige politische Erfahrung und Durchsetzungskraft. Mit ihr gewinnt die Kultur eine leidenschaftliche, resolute Streiterin. umo

Bettina Stark-Watzinger

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) übernimmt die hessische FDP-Politikerin Bettina Stark-Watzinger. Die 53-jährige Diplom-Volkswirtin, die für knapp zehn Jahre in London lebte und dort zudem ein Psychologiestudium absolvierte, machte sich auf Bundesebene bisher als Finanzpolitikerin einen Namen. Nun soll die gebürtige Frankfurterin als einzige Frau in der FDP-Ministerriege den „Bildungskarren“ aus dem Dreck ziehen – und die Ampel-Koalitionäre haben sich in Stark-Watzingers künftigem Ressort einiges vorgenommen: Stark-Watzinger schrieb selbst noch vor der Bundestagswahl in einem Gastbeitrag für die Welt, dass Deutschland eine „Bildungsrevolution“ benötige. Um dies zu bewerkstelligen, sollen die öffentlichen Ausgaben für Bildung „deutlich“ gesteigert werden, wie es im Koalitionsvertrag heißt. Mit dem Digitalpakt 2.0 sollen Schulen Mittel zur Anschaffung von digitaler Technik wie Tablets oder Laptops schneller erhalten, zudem sollen die Verfahren „entbürokratisiert“ werden, damit die Mittel leichter abrufbar sind. Das BAföG möchten die Koalitionäre einer grundlegenden Reform unterziehen, künftig soll die staatliche Studienunterstützung „elternunabhängiger“ ausgezahlt werden. Zudem will die künftige Bundesregierung die duale Ausbildung stärken. Der deutsche Wissenschaftsstandort soll „kreativer, exzellenter und wettbewerbsfähiger werden“. Hierfür möchte die neue Bundesregierung den Etat des BMBF bis 2025 auf 3,5 Prozent des BIP hochschrauben. Moderne Technologien sollen für eine „wettbewerbsfähige und klimaneutrale Industrie“ sorgen, wie es zuvorderst heißt. Überhaupt: Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Biodiversität erachtet die künftige Bundesregierung als wesentliche „Zukunftsfelder“. Ein zentrales Credo ist der „erfolgreiche Aufbruch in ein Innovationsjahrzehnt“. Aufgaben gibt es in dem häufig stiefmütterlich behandelten Bildungs- und Forschungsressort demnach mehr als genug. Bleibt die Hoffnung, dass sich Stark-Watzinger nicht zu lange in die Themen ihres Ressorts „einlesen“ muss, wie ihre unglücklich agierende Vorgängerin Anja Karliczek zu Beginn ihrer Amtszeit stets betonte. jk

Anne Spiegel

Ihr Amt tritt sie mit einer Kampfansage an. Sie wolle, sagt Anne Spiegel (B90/Die Grünen), dass alle Gesetzestexte und andere Vorhaben der künftigen Ampel-Koalition in einer einheitlichen, gendergerechten Sprache formuliert werden. Für eine Bundesfamilienministerin sind das ungewohnt forsche Töne. Ob Christine Lambrecht (SPD), Franziska Giffey (SPD), Manuela Schwesig (SPD), Kristina Schröder (CDU) oder Ursula von der Leyen (CDU): Von ihren Vorgängerinnen kennt man das nicht. Das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gilt zwar schon seit einigen Jahren nicht mehr nur als „Ministerium für Familie und Gedöns“, wie es der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder 1998 abfällig bezeichnet hatte. Mit der Aufwertung der Berufstätigkeit von Frauen und der Bedeutung von Kitas und Ganztagsschulen hat es sein altbackenes Image abgestreift. Als erste grüne Bundesfamilienministerin wird Anne Spiegel aber eine neue Definition von Familie etablieren. Statt von Familie spricht sie lieber von „Verantwortungsgemeinschaften“. Es müsse anerkannt werden, dass Familie in vielfältigeren Konstellationen gelebt werde, sagt sie. Dazu gehörten auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften, Patchworkfamilien, Alleinerziehende und kinderreiche Familien. In ihrer Arbeit als Ministerin will sie zugleich einen Fokus auf Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsarbeit legen. Spiegel fängt nicht bei Null an. In Rheinland-Pfalz war die Mutter von vier Kindern von 2016 bis 2021 Familien- und Integrationsministerin, bevor sie im Mai 2021 das Landesumweltministerium übernahm. Ein Untersuchungsausschuss beschäftigt sich gerade mit der Frage, ob sie in dieser Rolle mitverantwortlich für die Flutkatastrophe war, die 141 Menschen das Leben kostete. ah

Svenja Schulze

Die Stresemannstraße kann aufatmen: Svenja Schulze (SPD) bleibt ihr erhalten. Die vormalige Bundesumweltministerin zieht von ihrem bisherigen Amtssitz ins 350 Meter entfernte Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Dort wird sie die Nachfolgerin von Gerd Müller (CSU). Oberste Prämisse der Ampel-Koalitionäre in Schulzes künftigem Ressort ist eine „werteorientierte Entwicklungspolitik“. Konkret heißt das: „Nachhaltige Entwicklung, Kampf gegen Hunger und Armut, Klimagerechtigkeit, Biodiversität und eine sozial-ökologische Wende“. Grundsätzlich sollen die Ausgaben für den Bereich Entwicklungszusammenarbeit im Maßstab eins-zu-eins wie die Ausgaben für das Verteidigungsressort steigen. Zahlreiche Punkte stehen auf der Agenda für die kommenden vier Jahre: Neben dem Umwelt- und Klimaschutz vor Ort besitzt die „Stärkung der Rechte, Repräsentanz und Ressourcen von Frauen und marginalisierten Gruppen wie LSBTI“ Priorität. Außerdem möchte die künftige Bundesregierung die globale Impfkampagne COVAX durch schnelle Impfstofflieferungen stärken. jk

Klara Geywitz

Klara Geywitz (SPD) wird Bauministerin. Die Politikerin war auf Bundesebene bisher kaum bekannt. Bis 2019 saß die Potsdamerin im Landtag von Brandenburg. Dann kandidierte sie gemeinsam mit Olaf Scholz um den Parteivorsitz. Erfolglos zwar, aber immerhin rückte Geywitz in den Bundesvorstand auf. Die Wohnungsknappheit, die in einigen deutschen Großstädten zu steigenden Mieten führt, ist ein zentrales Thema der Sozialdemokraten. Dass das Bauressort aus dem Innenministerium herausgelöst und eigenständig wird, ist daher folgerichtig. Scholz‘ Credo, gegen Wohnungsnot helfe nur Bauen, kann nun in die Tat umgesetzt werden. Größte Herausforderung ist es, das Planungsrecht so zu vereinfachen, dass sich Bauvorhaben schneller umsetzen lassen. In der Praxis ziehen sich die aufgeblähten Verfahren oft in die Länge. Schuld daran ist vor allem eine aus dem Ruder gelaufene Umweltbürokratie. Wenn Geywitz also wirklich Abhilfe schaffen will, drohen ihr Konflikte mit dem grünen Koalitionspartner. Die Gefahr ist, dass sie diesen Streit scheut und stattdessen sich über schärfere Wohnungsmarkregulierung zu profilieren versucht. Das mag Applaus im linken Lager bringen, ist für die Lösung des Grundproblems aber kontraproduktiv. dg

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