Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg - Die Ampel als neuer Fixstern der FDP?

Für die Liberalen wäre es ein perfekter Einstieg in das Superwahljahr 2021: In Mainz die Regierungsbeteiligung verteidigen und in Stuttgart eine weitere hinzugewinnen. Kann die FDP insbesondere vom Umfragetief der CDU profitieren und sich so neu aufstellen?

Seit 2016 besteht die Ampel-Koalition in Rheinland-Pfalz. Kann diese bei der nächsten Landtagswahl verteidigt werden? / dpa
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Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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FDP-Chef Christian Lindner neigt nicht zu historischen Vergleichen. Aber gut möglich, dass er nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ähnlich ins Schwelgen gerät wie (angeblich) Goethe nach der Kanonade von Valmy: „Von hier und heute geht eine neue Epoche der Freien Demokraten aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen.“

Allzu viel Phantasie braucht man jedenfalls nicht, um sich einen liberalen Doppelerfolg am kommenden Sonntag vorzustellen: In Rheinland-Pfalz behauptet sich die Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen. Und in Baden-Württemberg ersetzen Freie Demokraten und SPD die Union als kleine Koalitionspartner der dominierenden Grünen. Denn die CDU steht in beiden Ländern relativ schlecht da. Ihre Spitzenkandidaten Christian Baldauf (Mainz) und Susanne Eisenmann (Stuttgart) hatten es unter den Bedingungen eines Corona-Wahlkampfs extrem schwer, gegen die populären Ministerpräsidenten Malu Dreyer und Winfried Kretschmann zu punkten. 

Zum größtmöglichen Schaden der CDU

Zudem steckt die CDU im Stimmungstief. Ihr werden als größte Regierungspartei im Bund alle Versäumnisse und Pannen bei der Pandemiebekämpfung angekreidet. Das wird nicht zuletzt um ihre Existenz fürchtende Mittelständler und Selbständige ihr Kreuz bei der FDP machen lassen. Hinzu kommt die ebenso peinliche Maskenaffäre, in deren Gefolge die Raffke-Mentalität mehrerer Unionsabgeordneter auf die Tagesordnung kam und gerade bürgerliche Wähler abschrecken dürfte. Nicht zufällig hatte der Spiegel seine Enthüllungsbombe zeitgenau detonieren lassen – zum größtmöglichen Schaden.

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Das wäre natürlich für die Liberalen ein perfekter Einstieg ins Superwahljahr 2021: in Mainz eine Regierungsbeteiligung verteidigt, in Stuttgart eine weitere hinzugewonnen. Nun könnte es in Baden-Württemberg auch für eine Fortsetzung von Grün-Schwarz reichen. Aber gerade bei den Grünen drängen starke Kräfte auf eine Beendigung dieser unharmonischen Vernunftsehe. Aus ihrer Sicht wäre die Ablösung von Grün-Schwarz im Ländle durch eine Ampel ein Signal an den nicht unerheblichen linken Teil ihrer Wählerschaft mit Blick auf die Bundestagswahl: Seht her, wir sind gar nicht auf Schwarz-Grün abonniert. 

Ampel oder Limette 

Und die FDP? Die hatten sich bisher die Grünen zum Lieblingsgegner erkoren. Dabei tat sich in der Vergangenheit vor allem ihr Spitzenkandidat Hans-Ulrich Rülke hervor. 2016 wollten er in Stuttgart um keinen Preis mit der Ökopartei zusammen regieren. Doch inzwischen freunden er und andere Liberale sich immer mit dem Gedanken an, die CDU endlich aus der Landesregierung rauszuwerfen. Rülke jedenfalls hat schon recht früh in diesem Wahlkampf eine Ampel ins Gespräch gebracht. Auch betont er auffällig oft sein gutes persönliches Verhältnis zu Kretschmann. Seit kurzem denkt er sogar laut über das bisher Undenkbare nach – über eine „Limetten“-Koalition aus Grünen und FDP. 

Eines wird in diesen Landtagswahlkämpfen ganz deutlich: Die FDP hat sich strategisch neu aufgestellt, betrachtet die CDU schon lange nicht mehr als ihren natürlichen Koalitionspartner. Das hat mit den schlechten Erfahrungen aus der letzten schwarz-gelben Koalition im Bund ebenso zu tun wie mit den gescheiterten Jamaika-Gesprächen nach der Bundestagswahl 2017.

So hat die FDP nicht vergessen, wie schlecht das Klima in der schwarz-gelben Koalition zwischen 2009 und 2013 war, und wie die CDU/CSU eine grundlegende Steuerreform verhinderte, das wichtigste Wahlversprechen der FDP. Auch musste die FDP 2017 erkennen, dass die CDU gegenüber den Grünen zu größeren Zugeständnissen bereit war als gegenüber der FDP, dem Wunschpartner aus früheren Zeiten. Das wirkt bis heute nach.

Volker Wissing als Initiator 

Die Neupositionierung ist nicht zuletzt das Werk des rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministers Volker Wissing. Der hatte vor fünf Jahren in Mainz die abgewählte rot-grüne Koalition zur Ampel erweitert und so im Amt gehalten. Seit er Generalsekretär ist, legt er auch im Bund Wert auf größtmögliche Distanz zur CDU.

Kaum hatte Parteichef Christian Lindner ihn im August vergangenen Jahres als neuen Parteimanager nominiert, verkündete Wissing auf Twitter sein Programm: „Die CDU nach so langer Zeit abzulösen, könnte ein wichtiges Signal des Aufbruchs für unser Land sein.“ Diesem Ziel könnten die Freien Demokraten am kommenden Sonntag ein Stück näherkommen – mit der Ablösung der CDU als Regierungspartei in Stuttgart. Das hätte weitreichende Folgen für die Bundestagswahl.

Es bleibt abzuwarten...

Die FDP könnte sich einerseits anbieten als die Kraft, die durch ihre Bereitschaft zur Ampel die Gefahr von Grün-Rot-Rot verhindert. Andererseits könnte eine solche Strategie bürgerliche Wechselwähler davon abhalten, die FDP zu wählen. Schließlich wäre jede Stimme für die Freien Demokraten indirekt eine Stimme für Rot-Grün. Eine grün-rot-gelbe Steuer-, Verkehrs- oder Energiepolitik möchte sich mancher FDP-Sympathisant lieber nicht vorstellen. 

Warten wir’s also ab, welche FDP-Signale am Sonntag und in den Wochen danach aus dem Südwesten kommen und was sie unter Umständen für den Bund bedeuten könnten. Ob vom 14. März eine neue FDP-Epoche ausgehen wird? Sicher ist nur: Wir werden dabei sein. 

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