Bürger sollen sparen für den Staat - Der Agrar-Diesel als Zündstoff für eine Ampel-Explosion

Die Ampel hat mit ihrer Einigung in der Haushaltskrise die Gemüter nicht beruhigt, im Gegenteil. Die Kürzungen für die Landwirte haben bei ihnen eine Empörung ausgelöst, die auf andere Teile der Gesellschaft ansteckend wirken könnte.

Demonstration des Deutschen Bauernverbandes in Berlin, 18.12.2023 / dpa
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Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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Nicht einmal ein Wochenende hat diese „Einigung“ unbeschadet überstanden, die die drei Ampel-Spitzen Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner nach ihrer Verhandlungsnacht im Kanzleramt präsentierten und als Ausweis der Handlungsfähigkeit ihrer Koalition präsentieren wollten. Am schnellsten und lautesten protestieren jetzt erstmal die Landwirte, denen der Diesel für ihre Traktoren verteuert werden soll. Und der grüne Landwirtschaftsminister Cem Özdemir stellt sich auf ihre Seite. Allerdings wird er von vielen der Bauern, die heute in Berlin demonstrieren, trotzdem ausgebuht. Stattdessen erschallt von ihnen der Ruf „Neuwahlen“. Und Hubert Aiwanger, Landwirt, Freie-Wähler-Chef und Vizeministerpräsident aus Bayern hat vermutlich den richtigen Riecher, dass er heute in Berlin mit dabei ist.

An Tagen wie diesem Montag entstehen möglicherweise Dynamiken, denen sich auch die ampelfreundlichsten Hauptstadtjournalisten und andere Bewohner des Raumschiffs Berlin-Mitte kaum entziehen können. Der verteuerte Diesel der Landwirte könnte vielleicht sogar ein konkreter Anlass sein für etwas Allgemeineres. Jener berühmte Funken, der eine explosive Lage eskalieren lässt.

Bei den Grünen, der eigentlich politisch treibenden, also auch die Schuldenexpansion treibenden Kraft in der Ampel scheint man das explosive Potential unterschätzt zu haben. Nun versucht man selbst, die Bombe noch schnell zu entschärfen, indem man sich gesprächsbereit zeigt über den Zünder, also die Agrardieselsubventionen. Aber der Sprengstoff bleibt. Es ist nicht nur der Diesel für die Bauern, es ist die desolate Politik der Ampel generell, deren Auswirkungen immer spürbarer für immer mehr Menschen in Deutschland werden. 

 

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In der FDP, wo man sich nicht ganz zu Unrecht mit den expandierenden Staatsausgaben, die die Ursache der konkreten Misere sind, weniger identifiziert als in den beiden anderen Ampel-Parteien, werden schon Indizien dafür sichtbar, dass man sich auf die Möglichkeit vorbereitet, diese Koalition doch noch vorzeitig zu verlassen, was eine an der Parteibasis angeleierte Mitgliederbefragung ohnehin fordert. In dieser Form „nicht zustimmungsfähig“, droht Fraktionschef Christian Dürr entsprechend. Und auch sein  Parteivorsitzender und Finanzminister Christian Lindner rückt schon wieder von der Subventionsstreichung ab, die er selbst mit ausgehandelt hat. Die Diskussionen über die Wirkung des Beschlusses müsse man „ernst nehmen“. Auf einmal fällt ihm sogar ein, dass Deutschland besonders viel an die Ukraine spendet, da sollten doch die anderen Verbündeten mal stärker rangenommen werden.

Natürlich: Wenn Geld nicht fließt, was eigentlich mal fließen sollte, beschweren sich immer jene, auf deren Konten etwas davon ankommen sollte. Und erst recht jene – für den Politikbetrieb noch viel entscheidender – über deren Schreibtische es geleitet werden sollte. Trotzdem könnte eine Regierung möglicherweise einen Rückhalt für Sparmaßnahmen bei ihren Bürgern und deren Repräsentanten gewinnen. Dann nämlich, wenn sie glaubhaft machen kann, dass es ihr mit dem Sparen ernst wäre, weil sie einsieht, dass der Staat, den sie regiert, sein Handeln nicht strukturell auf übermäßigen Schulden aufbauen darf, also seinen künftigen, noch unmündigen oder noch nicht einmal geborenen Steuerbürgern nicht Lasten aufbürden darf, die deren künftigen Handlungsspielraum einschnüren. Von solcher Einsicht ist aber in der Ampel, jedenfalls bei SPD und Grünen, nichts zu erkennen.

An die großen Politikfelder wagt man sich nicht

An die großen politischen Themenfelder, auf denen die zentralen Fragen dieses Landes sich entscheiden und das Steuergeld der Bürger zigmilliardenfach ausgegeben wird, gehen die Ampelkoalitionäre überhaupt nicht ran bei ihrer Reaktion auf das Karlsruher Urteil. Vor allem nicht an den längst zu einem einzigen Feld verwachsenen Komplex von Sozialstaat und Armutsmigration. Am Bürgergeld soll nicht gerüttelt werden und auch nicht an der Attraktivität des deutschen Versorgungsstaates für Armutszuwanderer – während zugleich an jeder Kneipentür und in jeder Radio-Werbepause Arbeitsplätze feilgeboten werden.  Der Kanzler verkauft diese Sozialstaats-Degeneration, in der Kellner, Kassiererinnen und Reinigungskräfte mit ihren Steuern und Abgaben Menschen versorgen müssen, die solche Jobs nicht übernehmen wollen, mit seinen „Unterhaken“- und „You’ll never walk alone“-Parolen als solidarisch.

Das ist das eigentlich Perfide an dieser Ampel-Einigung: Die Ampel spart nicht, sie lässt die Bürger sparen. Und die spüren das, obwohl in vielen Medien, den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vorneweg, noch immer große Nachsicht mit Scholz und Co herrscht.

Was die Ampel Einigung nennt, hat mit dem Spar-Imperativ des Karlsruher Urteils wenig zu tun. Es ist ein Griff in die Taschen der Bürger. Nicht der Staat, für den die Ampel-Regierenden Verantwortung tragen, soll nach deren Willen den Gürtel enger schnallen, sondern die Bürger. Die Bauern an erster Stelle, aber nicht nur sie, sondern zum Beispiel auch die Käufer von E-Autos, die auf versprochene Kaufprämien verzichten müssen, Autofahrer, die mehr für Benzin zahlen müssen, und Heizungsbetreiber (also letztlich fast alle), die mehr für Öl und Gas zahlen müssen.

Die Glaubwürdigkeit fehlt

Überzeugende Führung in Krisen hat immer auch mit der simplen Methode des Vorbilds zu tun. Wer selbst lebt, was er predigt, kann mit Gefolgschaft rechnen. Aber die Regierenden denken nicht daran, da zu sparen, wo es der eigene Betrieb ein klein wenig spüren würde, so dass die Bürger wenigstens den Eindruck gewinnen könnten, dass sie es ernst meinen.

Auf den Ausbau des Kanzleramts (777 Millionen Euro) wird nicht verzichtet, auch nicht auf die vielen neu geschaffenen Stellen dort und in den anderen Bundesministerien. Die politisch-gesellschaftlichen Lieblingshätschelkinder vor allem der Grünen, nämlich unzählige Nichtregierungsorganisationen (die eigentlich längst diese Bezeichnung nicht mehr verdienen) können weiter mit ministeriellem Geldseegen rechnen. An Plakatwänden, in Zeitungen und auf Websites werben die Ministerien weiterhin mit aufwendigen Kampagnen um gute Stimmung. Früher hätte man das einfach Propaganda genannt. Besonders bezeichnend war 2022 eine Kampagne von Habecks Ministerium für die „Duschfans“, doch bitte weniger warmes Wasser zu verbrauchen. Die Bundesregierung könnte sehr viel Zorn ableiten, wenn sie in ihrem eigenen unmittelbaren Nahbereich Sparsamkeit demonstrierte. Und jenseits des politisch-medialen Betriebes würde niemand irgendetwas vermissen.

 

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