Die AfD im Richtungskampf - „Laschet ist eine Steilvorlage für uns“

Georg Pazderski, Fraktionschef der Berliner AfD, ist überzeugt, dass sich die „Bürgerlichen“ im Richtungsstreit der Partei durchsetzen werden – und dass die Brandmauer der anderen Parteien gegenüber der AfD in den nächsten Jahren bröckeln wird. Eine mögliche Beobachtung durch den Verfassungsschutz sieht er gelassen.

Georg Pazderski, Fraktionschef der AfD im Berliner Abgeordnetenhaus, im März 2020 in Potsdam
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Autoreninfo

Moritz Gathmann ist Chefreporter bei Cicero. Er studierte Russistik und Geschichte in Berlin und war viele Jahre Korrespondent in Russland.

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Georg Pazderski, Oberst a.D., hat als Bundesgeschäftsführer 2013 bis 2015 die Alternative für Deutschland mit aufgebaut. Bis 2019 war er einer der stellvertretenden Bundessprecher der Partei. In diesem Jahr wird er voraussichtlich Spitzenkandidat der Berliner AfD.

Herr Pazderski, Sie waren fast von Anfang an bei der AfD dabei und stehen für einen gemäßigten Kurs, der die Partei anschlussfähig machen soll. Die AfD ist aber heute weiter denn je davon entfernt, in Regierungsverantwortung zu kommen. Waren diese acht Jahre für die AfD umsonst?

Nein. Mein Engagement war und ist richtig. Wir beeinflussen die politische Diskussion maßgeblich: Heute wird die öffentliche Debatte geprägt durch die politische Regel „alle gegen die AfD“. Das zeigt: Wir sind wichtig und notwendig, weil wir konservative Sichtweisen vertreten, die andere, insbesondere die Union unter Merkel, aufgegeben haben, zum Beispiel in der Familien-, Flüchtlings- und Verteidigungspolitik. Dort besetzen wir Positionen, die vor 25 Jahren überall hoch angesehen waren, dann aber von links diskreditiert wurden. Wären wir nicht da, würde sich niemand mehr um diese Themen kümmern. Das darf nicht passieren.

Weil die CDU prinzipiell nicht mit der AfD koalieren will, bleiben oft nur linke Koalitionen. Hier in Berlin regiert nun rot-rot-grün. Hat der Eintritt der AfD in die Politik das konservative Lager am Ende nicht eher geschwächt?

Wir halten das konservative Lager im Spiel. Eine Schwächung kann ich nicht erkennen. Die Grünen haben 40 Jahre gebraucht, um dahin zu kommen, wo sie heute stehen, und dass sie von allen anderen Parteien als ganz natürlicher Koalitionspartner wahrgenommen werden.

Aber bei den Grünen ging das viel schneller. Schon nach fünf Jahren hatten sie auf Länderebene den ersten Minister.

Es ist eine Frage der Zeit. Wir werden in absehbarer Zeit so stark sein, dass an der AfD niemand mehr vorbeikommen wird, wenn handlungsfähige Regierungen gebildet werden sollen. Die AfD wirkt schon heute in diesem Sinne: bestimmte Koalitionen sind lange nicht mehr so stabil wie vor 20 Jahren. Die AfD wird bleiben und das Land weiter verändern. Auch eine mögliche Beobachtung durch einen instrumentalisierten Verfassungsschutz wird nicht dazu führen, dass die AfD wieder verschwindet.

Warum nicht?

Weil die AfD eine stabilen Wählerstamm hat. Der liegt schon heute bundesweit bei zehn bis zwölf Prozent. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die totale Ablehnung, die wir jetzt sehen, sich über mehrere Legislaturperioden fortsetzen wird. Schauen Sie auf die Linken: Heute gibt es sogar CDU-Ministerpräsidenten, die wollen mit der Linken koalieren, obwohl es sich um die Nachfolgepartei der SED handelt. Dieser Prozess wird vielleicht etwas länger dauern als bei den Grünen. Dort gab es von Anfang an viel gesellschaftlichen Rückhalt. Aber das können und werden wir aufholen.

Die Grünen haben es aber sehr schnell geschafft, den Konflikt zwischen Fundis und Realos zu lösen  zugunsten der letzteren.

Im Moment haben wir eine Phase, in der sich die anderen Parteien extrem von uns abgrenzen  das hängt mit dem Superwahljahr zusammen. Wenn einer in diesem Jahr sagt: Ich könnte mir eine Koalition mit der AfD vorstellen, hätte das in der öffentlichen Debatte massive Auswirkungen auf die jeweilige Partei. Aber im Laufe der nächsten Legislatur wird sich das Verhältnis der anderen Parteien zur AfD entspannen.

Die anderen Parteien sehen aber auch, dass die AfD weiterhin ein sehr „gäriger Haufen“ ist, wie Parteichef Alexander Gauland es einst gesagt hat. Eben eine Partei, in der auch Björn Höcke eine Heimat findet.

Die AfD ist keine einfache Partei, sie tickt durch und durch basisdemokratisch. Nehmen wir die Aufstellungsversammlungen: Andere Parteien haben virtuelle Versammlungen gemacht und vorher abgestimmte Listen gewählt. Das wäre bei uns unmöglich: Eine solche Liste wäre schlicht nicht durchsetzbar, da hat die AfD ein anderes Demokratieverständnis.

Geht die Tendenz heute nicht eher in Richtung Spaltung? Bei den Kandidatenaufstellungen in den ostdeutschen Landesverbänden werden in den letzten Wochen Leute des Meuthen-Lagers gnadenlos abgestraft, im Westen setzt das Meuthen-Lager sich radikal gegen die Flügel-Anhänger durch.

Es wird keine Spaltung der AfD geben. Aber natürlich gibt es unterschiedliche Lager: Das hat mit der Meinungsbandbreite in der Partei,  aber auch mit unterschiedlichen Sozialisationen in Ost und West zu tun. Im Osten sehen die Bürger das Handeln der Bundesregierung wesentlich kritischer sehen als im Westen. Die Bürger im Osten haben ihre DDR-Erfahrung und sagen: Wir beobachten Entwicklungen, die uns an die DDR erinnern. Die Menschen im Osten sind nicht rechter, sie haben ein anderes Sensorium.

Aber auch hier in Berlin hat sich jüngst ein sogenanntes „Netzwerk“ aus Flügel-Anhängern gebildet, dem immerhin sieben von 22 Berliner AfD-Abgeordneten angehören.

Das Netzwerk spielt im Tagesgeschäft keine Rolle. Es ist der gescheiterte Versuch, Streit in die Partei zu tragen. Und zwar von Einzelnen, die nicht zugeben wollen, dass hier auch ohne sie alles gut funktioniert. Die Initiatoren haben im vergangenen Jahr versucht, einflussreichere Posten zu besetzen, aber dafür gab es keine Mehrheiten.

Die Berliner AfD hat gerade mit Andreas Wild einen Rechtsaußen ausgeschlossen. Ist das ein Versuch, im letzten Moment einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu entgehen?

Nein. Herr Wild wurde schon 2017 wegen Verstößen gegen die Fraktionsdisziplin aus der Fraktion ausgeschlossen, ein Jahr später wurde ein Parteiausschlussverfahren in Gang gesetzt. Nun hat das Landesschiedsgericht darüber entschieden. Wir sind in einer Situation, in der sich vieles verschiebt. Lange hat die Partei versucht, sich mit Vertretern des Flügels zu arrangieren. Aber wir haben festgestellt, dass das nicht funktioniert, weil der Flügel immer das Ziel verfolgt hat, sich absolut durchzusetzen. Deshalb ist in der Partei die Auffassung gewachsen: Das lassen wir nicht mehr zu.

Hat das auch mit dem Abgang von Alexander Gauland von der Parteispitze zu tun, der ja wie kaum ein anderer für diesen „integrativen“ Ansatz stand?

Gauland wollte um jeden Preis einen Konflikt in der Partei vermeiden. Er wollte alle irgendwie integrieren, aber das ist gescheitert. Ich sage: Dort, wo man faule Äpfel in der Kiste hat, muss man sie aussortieren, damit nicht die ganze Kiste fault. Kalbitz, Gedeon oder Sayn-Wittgenstein wollten aus der AfD eine NPD 2.0 machen. Darum waren die Ausschlüsse dieser Menschen richtig und notwendig.

Wie würden Sie den Zustand der AfD heute beschreiben?

Wir sind in einer turbulenten Phase, einem Läuterungsprozess. Aber ich denke, dass die AfD aus dieser Phase gestärkt herauskommen wird. Das bürgerliche Lager ist dabei, sich durchzusetzen, ohne unsere DNA aufzugeben. Auch künftig werden nationalkonservative Kräfte zu unserer Partei gehören. Solange sie sich auf dem Boden des Grundgesetzes bewegen, ist das kein Problem.

Wie sehen Sie die Zukunft von Björn Höcke? In der Thüringer AfD beziehungsweise in ganz Ostdeutschland ist er unangefochten.

Ich habe schon vor Jahren gesagt: Höcke hätte eine ganz wichtige Rolle spielen können, aber er hat sie leider nicht angenommen. Er hätte die Partei nach Rechts abdichten können: Er hat diese Aufgabe aber nicht wahrgenommen. Und das werfe ich ihm vor.

Sollte die AfD Höcke ausschließen?

Ich bin mit vielem, was Höcke vertritt, nicht einverstanden. Aber ein Parteiausschluss ist nur möglich, wenn es belastbare Gründe dafür gibt. Im Moment sehe ich die nicht.

Wird Parteichef Jörg Meuthen den AfD-Parteitag im April politisch überleben?

Natürlich. Seine Person steht überhaupt nicht zur Debatte.

Aber die Partei ist ja, wie Sie gesagt haben, sehr basisdemokratisch geprägt …

Ja, aber es gibt keine Diskussion um den Bundessprecher, sondern um die Frage des Spitzenkandidaten. Da hat der Bundesvorstand zu Recht gesagt, dass eine Entscheidung darüber zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sinnvoll ist.

Herr Meuthen kandidiert ja auch in diesem Jahr nicht für den Bundestag. Glauben Sie, dass er die Partei in diesen turbulenten Zeiten von Brüssel aus führen kann?

Er sollte spätestens vor der nächsten Bundestagswahl über einen Wechsel in den Bundestag nachdenken. Ich glaube, dass er dort besser aufgehoben wäre, denn das Europaparlament ist ein Nebenkriegsschauplatz. Die Musik spielt hier in Berlin.

Nach fast anderthalb Jahren der erfolglosen Suche eines Veranstaltungsorts in der Hauptstadt hält die Berliner AfD ihren Parteitag nun doch in Brandenburg ab. Ist das eine Kapitulation vor linksradikalen Kräften?

Ich habe immer gesagt: Eine Partei, die in Berlin ansässig ist, muss auch hier ihren Parteitag durchführen. Wir haben dafür fast 180 Lokalitäten angefragt. Die uns zugesagt haben, wurden dann aber von Linksextremen bedroht. Hier hat der Rechtsstaat vor der Gewalt kapituliert. Die Verantwortung dafür trägt der rotrotgrüne Berliner Senat: Er ist nicht in der Lage, einer demokratischen Partei in Berlin einen Parteitag zu garantieren.

Was haben Sie vom Senat denn erwartet?

Es gibt landeseigene Hallen, die für einen Parteitag geeignet gewesen wären. Aber auf unsere Anfragen wurde uns geantwortet: Bevor nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, fühlt sich der Senat nicht in der Verantwortung. Das ist eine billige Schutzbehauptung: Rotrotgrün wollte der AfD nicht helfen und will es auch heute nicht. Insgeheim sind die Senatoren und der Regierende Bürgermeister wahrscheinlich sogar froh, dass wir keinen geeigneten Raum bekommen haben. Der linke Senat lässt sich von der Antifa treiben, lässt sie gewähren. Das sehen Sie jeden Tag, wenn Autos brennen oder Rohrbomben explodieren und bei Szene-Angehörigen gefunden werden.

Mit welchen Themen will die AfD in den Wahlkampf gehen?

Wichtig für uns sind unverändert die gescheiterte Migrationspolitik, die angespannte innere Sicherheitslage - Stichwort Clankriminalität - aber natürlich auch das Versagen der Altparteien in der Corona-Krise mit ihren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen.

Ist der neue CDU-Chef und wahrscheinliche Kanzlerkandidat Armin Laschet eigentlich eine gute Nachricht für die AfD?

Diese Kandidatur ist eine Steilvorlage für uns. Denn Laschet wird die furchtbare Merkel-Politik weiterführen. Für die CDU wird Laschet zu einer riesengroßen Last werden. Merkel ist ja trotz ihres Versagens noch immer einigermaßen angesehen, aber Laschet ist unfähig und unbeliebt. Und das wird die CDU am Wahltag zu spüren bekommen.

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