AfD im Bundestag - „Lasst uns sie ganz normal behandeln“

Die dritte Sitzungswoche des 19. Bundestages beginnt, doch an die neue AfD-Fraktion hat man sich noch nicht so recht gewöhnt. Der SPD-Abgeordnete Matthias Bartke über die Schwierigkeit, Paroli zu bieten ohne zum Märtyrertum beizutragen

Die Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Alexander Gauland im Bundestag / picture alliance
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Lena Guntenhöner ist freie Journalistin in Berlin.

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Herr Bartke, was denken Sie über den Einzug der AfD in den Bundestag?
Das ist eine bedrückende Entwicklung. Es ist einerseits eine europäische Entwicklung: Wir haben überall Rechte in Parlamenten. Andererseits ist Deutschland, was Rechtsextremismus anbelangt, natürlich kein normales europäisches Land. Wir haben aufgrund unserer Vergangenheit eine besondere Verantwortung. Das in meinen Augen größte Problem ist, dass mit der AfD eine Partei ins Parlament einzieht, die den bisherigen Konsens, dass man den Nationalsozialismus als etwas ganz Furchtbares abgelehnt hat, zumindest in Frage stellt. Durch einen Flügel, den Björn Höcke verkörpert und der von Alexander Gauland als das „Herz der Partei“ bezeichnet wird. Das ist eine zutiefst besorgniserregende Entwicklung, die eben auch in Deutschland anders gesehen werden muss als im Rest Europas.

Wie möchten Sie dem persönlich begegnen?
Eines der größten Probleme in den vergangenen Monaten, und besonders im Wahlkampf, war, dass wir über jedes Stöckchen gesprungen sind, das die AfD uns hingehalten hat. Deswegen finde ich, sollte man der AfD in der Sache hart, aber in der Form freundlich begegnen. Ich werde den Abgeordneten auch die Hand geben, die sind gewählt. Aber wir werden denen nichts durchgehen lassen. Allerdings werden wir sie auch nicht hochjazzen, wie das in der Vergangenheit passiert ist. Jede noch so schräge Äußerung eines AfD-Politikers hat sich ja auf Seite 1 der regionalen und der überregionalen Presse wiedergefunden. Das haben wir zum Teil selbst verschuldet, aber auch die Medien. Wenn 56 Prozent aller Talkshows im vergangenen Jahr zum Thema AfD und Flüchtlinge gelaufen sind, dann muss man sich ja nicht wundern.

Sind Sie schon AfDlern persönlich begegnet, auf dem Flur, in der Kantine? Was hatten Sie für einen Eindruck?
Wenn noch keine Regierung gefunden wurde, ist die Opposition immer ein bisschen im Wartestand. So dass ich denen bisher nur im Wahlkampf begegnet bin. Und das waren eher etwas kuriose Begegnungen. Im Wahlkampf war Bernd Baumann mein direkter Gegenkandidat in Hamburg Altona. Der ist jetzt erster parlamentarischer Geschäftsführer bei der AfD. Den habe ich scharf angegriffen, weil er sich nicht entschuldigen wollte für die Beleidigungen gegenüber meiner Kollegin Aydan Özoguz. Herr Gauland wollte sie ja nach Anatolien entsorgen. In meinem Wahlkreis hat die AfD aber am viertwenigsten Stimmen in ganz Deutschland erhalten. Hamburg ist eine Hafenstadt und Altona war immer ganz besonders liberal. Dabei haben wir hier relativ viele Flüchtlinge. Es ist schon aufschlussreich: Dort, wo die meisten Flüchtlinge sind, hat die AfD die schlechtesten Ergebnisse. Und dort, wo die wenigsten Flüchtlinge sind, insbesondere im südöstlichen Teil von Sachsen, hat sie die höchsten Ergebnisse. Was man nicht kennt, das fürchtet man.

Wissen Sie schon, mit welchen AfD-Politikern Sie es in Ihren Feldern Arbeit, Soziales, Recht und Verbraucherschutz zu tun haben werden?
Nein, so wichtig sind die Abgeordneten mir auch nicht. Es wird nicht so sein, dass sich unsere Tätigkeit auf die fokussiert. Wir werden sie ganz normal behandeln.

Sie sind Mitglied im sogenannten Ersten Ausschuss des Bundestags und somit eine Art Schiedsrichter des Parlaments. Wären Sie bereit, den Neulingen auch ein bisschen was über den Ablauf im Bundestag zu erklären?
Nein. Ich bekämpfe die, ich werde denen doch nicht erklären, wie das parlamentarische System funktioniert. Das werden die schon früh genug merken. Die Bundestagsverwaltung macht aber viele Seminare, um Neulingen die parlamentarischen Abläufe zu erläutern.

Sonst ist die Atmosphäre zwischen den Parteien im Bundestag gut?
Absolut. Es gibt ganz wenige Leute, wo das nicht der Fall ist. Man hat im Parlament ja permanent miteinander zu tun und macht zuweilen auch gemeinsame Delegationsreisen mit Ausschüssen. Da lernt man sich auch persönlich kennen. Und zwischen den demokratischen Parteien gibt es doch immer einen gewissen Grundkonsens. Aber das wird sich jetzt wohl ein bisschen ändern. Ich fürchte, dass das Klima schwieriger wird.

Inwiefern?
Als damals die Schill-Partei in die Hamburger Bürgerschaft eingezogen ist, haben wir das sofort gemerkt. Das Klima wurde unerträglich. Da war bei denen unglaublich viel Häme dabei und es ging massiv in den persönlichen Bereich hinein.

Glauben Sie, dass sich die AfD vielleicht auch ihrerseits mäßigt?
Nein. In Wahrheit ist es doch eine Ein-Themen-Partei. Fremdenfeindlichkeit ist deren Agenda. Und das ist die Agenda aller Populisten auf der ganzen Welt. Gauland hat ja selbst mal gesagt, dass die Flüchtlingskrise ein Gottesgeschenk für die AfD war. Das ist natürlich eine Position, die uns total widerstrebt. Wir sehen auch die Probleme der Flüchtlingspolitik, aber wir versuchen, sie konstruktiv zu lösen und erwarten da von der AfD absolut gar nichts. Die werden ihr fremdenfeindliches Gift in die Gegend spritzen und wir wollen das verhindern. Meine größte Message ist dabei: Lasst uns nicht auf jede Bemerkung der AfD draufspringen, lasst uns sie ganz normal behandeln und sie nicht zu Märtyrern werden!

Ist das nicht schon passiert, zum Beispiel mit der Änderung der Regelung zum Alterspräsidenten, wodurch der AfD-Abgeordnete Albrecht Glaser ausgebootet wurde?
Die AfD hatte mit Herrn Glaser einen Kandidaten vorgeschlagen, der wahrlich kein Märtyrer ist. Er möchte Muslimen in Deutschland das Grundrecht auf Religionsausübung aberkennen. Da haben wir gesagt: Alles hat seine Grenzen, der geht nicht. 

Matthias Bartke ist direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Hamburg-Altona und Mitglied im Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung. Der sogenannte Erste Ausschuss kümmert sich vor allem um die inneren Angelegenheiten des Bundestages. Er prüft Einsprüche gegen die Bundestagswahl, regelt Fragen zur Immunität der Abgeordneten und ist für Änderungen an der Geschäftsordnung des Parlaments zuständig.

Foto: Susie Knoll

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