AfD - Eine antidemokratische Partei

Die Rhetorik der AfD ist ein ewiges Spiel aus Tabubruch und Relativierung. Der Umstand, dass die AfD durch Wahlen legitimiert ist, mache sie noch lange nicht demokratisch, schreibt Ricarda Lang, Vorsitzende der Grünen Jugend

Der „Flügel“ um Björn Höcke setzt sich in parteiinternen Machtfragen durch / picture alliance
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Ricarda Lang ist Bundessprecherin der Grünen Jugend.

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„Wir werden sie jagen!“ – Wer sich für das Verhältnis der AfD zur Demokratie interessiert, muss nicht viel weiter schauen, als auf die Äußerungen des Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland nach der Bundestagswahl 2017, um die Verachtung für das demokratische Miteinander zu erkennen. Solche Aussagen sind in der AfD keine Seltenheit, sondern gehören zum ewigen Spiel aus Tabubruch und Relativierung. Doch obwohl die Partei immer offener demokratiefeindlich auftritt und der faschistoide Flügel rund um Bjorn Höcke sich in parteiinternen Machtfragen durchsetzt, wird ihnen in der öffentlichen Debatte immer weiter eine Bühne geboten mit der Begründung, dass sie schließlich demokratisch gewählt ist.

Doch ist sie dadurch automatisch eine demokratische Partei? Wer den Wahlerfolg zum Gradmesser für die demokratische Ausrichtung einer Partei macht, ignoriert nicht nur die Lehren der deutschen Geschichte. Denn diese zeigt deutlich, dass es den Feinden der Demokratie möglich ist, sie mit ihren eigenen Mitteln zu schlagen. Er reduziert die Demokratie auch auf ein formales Prinzip, ein Verfahren zur kollektiven Entscheidungsfindung. Doch Demokratie, im pluralistischen Sinne, bedeutet mehr als geheime, freie und gleiche Wahlen. Sie umfasst die universellen Menschenrechte, die Werte der Freiheit und Gleichheit, den Schutz des Individuums durch die Bürgerrechte. Also all das, was die Rechtsextremen verachten und bekämpfen.

Verschwörungstheorien und fremde Mächte

Dieser grundsätzliche Widerspruch der AfD zu einem demokratischen Miteinander wird dadurch überdeckt, dass sie selbst den Begriff der Demokratie immer wieder zum Mittelpunkt ihrer Agitation macht, sich sogar zu ihrer letzten Verteidigerin erklärt. Doch im Zentrum ihrer Vorstellung von Demokratie stehen dabei nicht politische Subjekte, sondern die Kategorie „Volk“ im kollektivistischen und essentialistischen Sinne. Statt mündigen Bürgern mit unterschiedlichen Meinungen und Widersprüchen, die in einer lebendigen Demokratie unumgänglich sind, wird ein homogenes Volk imaginiert, das aufgrund einer tatsächlich oder vermeintlich geteilten Abstammung oder Kultur ein identisches Interesse habe.

Unabhängig von tatsächlichen Wahlergebnissen sind rechte Akteure ihrer eigenen Wahrnehmung nach in der Lage, diesen kollektiven Willen zum Ausdruck zu bringen. Exemplarisch dafür steht der bei Pegida oft skandierte Spruch „Wir sind das Volk!“, der mehr über das Selbstbild der Rechten als die realen Mehrheitsverhältnisse aussagt. Dort, wo sich das angeblich einheitliche Interesse des Volkes nicht an den Wahlurnen widerspiegelt, müssen Verschwörungstheorien und fremde Mächte, die Lügenpresse oder antisemitische Feindbilder wie George Soros herhalten, die das Volk hinters Licht führen und vom richtigen Weg abbringen.

Eine Frage der irrationalen Fantasie

Dieses völkische Demokratieverständnis funktioniert nur durch Abgrenzung – nach außen gegenüber dem Fremden und nach innen gegenüber den Saboteuren. Wer dabei zum Verräter oder zum Fremden gemacht wird, ist keine Frage der Vernunft, sondern der irrationalen Fantasie. Wer heute noch dazu gehört, kann morgen auf der anderen Seite stehen. Doch in beiden Fällen handelt es sich nicht um Mitbewerber oder auch Gegner im demokratischen Sinne, sondern um Feinde, die unschädlich gemacht werden müssen.

Damit ordnet das Demokratieverständnis der AfD das Individuum dem völkischen Kollektiv unter, richtet sich gegen Universalismus, Aufklärung und Vernunft und somit gegen den Kern einer pluralistischen Demokratie. Also auch gegen das Demokratieprinzip, das im Grundgesetz festgeschrieben ist. Denn dort steht, dass die Würde des Menschen unantastbar ist und nicht nur die des Deutschen, auch wenn das nicht nur die AfD immer wieder zu vergessen scheint.

Enttabuisierung menschenfeindlicher Positionen

Wer diese Demokratie verteidigen will, muss damit anfangen, die AfD als das zu benennen, was sie ist: nicht einfach nur eine undemokratische Partei, denn das Problem liegt nicht in ihrer inneren Organisationsstruktur. Sondern eine antidemokratische Partei, die mit den Worten des Politikwissenschaftlers Samuel Salzborn das Ziel der „Abschaffung der Fundamente, die es den Menschen ermöglichen, in Sicherheit miteinander im pluralistischen Sinne uneins sein zu dürfen“ verfolgt.

Was zunächst wie eine reine Begriffsdebatte wirken mag, geht tiefer: Es geht um die Frage, wie wir mit der AfD umgehen. Die Erkenntnis, dass die AfD eine antidemokratische Partei ist, muss die Grundlage dafür sein, dass wir verhindern, dass sie zu einer normalen Teilnehmerin am demokratischen Diskurs wird. Denn genau auf die Enttabuisierung ihrer menschenfeindlichen Positionen zielt sie ab. Sie bezieht sich dabei auf die Strategien der „Neuen Rechten“, die sich nach dem Scheitern des Einzugs der NPD in den Bundestag in Abgrenzung zu gewaltbereiten Nazigruppen auf das Erlangen der kulturellen Hegemonie fokussierten, sich also dem „Kampf um die Köpfe“ widmeten.

Sinnentleerung  demokratischer Freiheiten

Wenn ein Vertreter der AfD mal wieder in einer Talkshow sitzt und von der Islamisierung des Abendlandes oder der linken Meinungsdiktatur fabuliert, gelingt es ihm jedes Mal ein bisschen weiter die Deutung darüber zu gewinnen, was in einer Demokratie zur Diskussion gestellt werden kann. So verschieben sich die Grenzen des Sagbaren. Und damit auch die des Machbaren.

Der dankbarste Partner der AfD ist dabei ein falsches Verständnis von Meinungsfreiheit und Neutralität. Die Rechten haben die Meinungsfreiheit zu einem Freibrief für antidemokratische Positionen umgedeutet, der es einem erlauben soll, anderen Menschen ohne Widerspruch ihre grundlegendsten Rechte abzusprechen. Unterstützt wird diese Sinnentleerung  demokratischer Freiheiten, wenn auch meistens unwillentlich, durch die verbreitete Haltung, dass man auf die Angriffe auf die Demokratie aufgrund der demokratischen Wahl der AfD möglichst „neutral und fair“ reagieren müsse.

Eines der letzten Beispiele dafür war eine Sendung von „hart aber fair“ zum Mord an Walter Lübcke mit dem AfD-Politiker Uwe Junge. Während der Sendung wirkte es immer wieder so, als wolle man von Seiten der Redaktion und des Moderators unbedingt den Eindruck verhindern, dass Junge für die Positionen der AfD angeklagt wird. Dabei wäre das eigentlich der einzige sinnvolle Grund, einen Politiker der Partei, die seit Jahren die ideologische Rechtfertigung für rechtsextreme Gewalt bietet, in so eine Runde einzuladen. Ausschlaggebend ist die Angst, die AfD könne sich als Opfer darstellen. Das Problem: das tut sie so oder so.

Neutralität wird zum moralischen Relativismus

Der Opfermythos ist zentraler Bestandteil rechter Ideologie und nicht Reaktion auf tatsächliche Erfahrungen. Der Versuch, die AfD möglichst fair zu behandeln, führt nicht dazu, dass sie die Opferrolle verlässt, doch er ermöglicht Rechtsextremen ihre Position immer wieder als Teil des demokratischen Spektrums darzustellen. Neutralität wird dabei zum moralischen Relativismus, der nicht mehr in der Lage ist, den Unterschied zwischen demokratischen und antidemokratischen Positionen aufzuzeigen. Der Hass auf Geflüchtete, Muslimas oder Homosexuelle wird zu einer Meinung unter vielen. Doch bei Grundfragen des demokratischen Miteinanders, beim Angriff auf das Prinzip der Freiheit und Gleichheit selbst, kann es keine Neutralität geben.

Es liegt an uns allen, klare Haltung zu beziehen. Denn so sehr es die Aufgabe von Politikern und Journalisten ist, der Enttabuisierung der Rechtsextremen entgegen zu wirken, ist am Ende die gesamte Gesellschaft gefragt, die Demokratie zu verteidigen. Dieser Text ist damit vor allem ein Appell an alle, denen das demokratische Zusammenleben am Herzen liegt. Beim Elternabend, in der Umkleidekabine, bei der Podiumsdiskussion, im Betrieb oder im Klassenzimmer – dort wo rechte Hetze unwidersprochen bleibt, setzt sie sich fest. Um das zu verhindern, müssen wir antidemokratische Positionen als solche benennen, den Hetzern der AfD ihre Bühnen entziehen und Mehrheiten für eine universalistische Politik mobilisieren. Damit Menschenfeindlichkeit niemals zur Normalität wird.

Vergangene Woche trendete auf Twitter der Hashtag #AfDgehoertnichtzuDeutschland. Das haben wir bei Cicero Online zum Anlass genommen mal nachzufragen, ob das wirklich so ist: Sollte man demokratisch gewählte Parteien als undemokratisch bezeichnen? Auf diesen Contra-Artikel hat Phillip Amthor (CDU), Abgeordneter des Bundestages, geantwortet.

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