Achim Post - Mann für den Ernstfall

Laut Medienberichten wächst angesichts der Wahlen in Bremen und der EU in der SPD der Unmut über Parteichefin Andrea Nahles. Sollte die SPD herbe Niederlagen erleben, könnte Achim Post als Nachfolger von Andrea Nahles an die Spitze der Fraktion treten

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„Am Ende verbindet sich der Leistungsgedanke mit dem Gerechtigkeitsgedanken“, sagt Achim Post / Lene Münch
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Manchmal machen sich größere Machtverschiebungen an kleinen Dingen fest – zum Beispiel an der Besetzung eines Podiums. Für den 10. April hatte die Landesvertretung Rheinland-Pfalz zu einer Diskussion über die Europawahl eingeladen, bei der Achim Post als Teilnehmer vonseiten der SPD vorgesehen war. Doch der Europaexperte und stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion musste kurzfristig absagen. Denn an jenem Tag kamen in Brüssel die Staats- und Regierungschefs zu einem Sondergipfel zusammen, um im letzten Moment einen harten Brexit abzuwenden. Und als Generalsekretär der Europäischen Sozialdemokraten (SPE) war Post dort unabkömmlich, weil sich die großen Parteiblöcke immer vorher zu Sitzungen treffen. Statt seiner ging dann Martin Schulz aufs Podium bei den Rheinland-Pfälzern.

Eine Rochade mit Symbolkraft: Schulz, Ex-Kanzlerkandidat und Ex-Parteichef, springt ein, wenn Achim Post Wichtigeres zu tun hat. Und wenn die beiden Wahlen am 26. Mai, die Europawahl sowie jene in der SPD-Hochburg Bremen, für die deutsche Sozialdemokratie schlecht ausgehen, dann wird das auch personelle Konsequenzen haben. In der Partei ist zu hören, dass bei einem Europawahlergebnis unter 20 Prozent und einem Verlust der Regierungsverantwortung in der Hansestadt die glücklos agierende Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles mindestens einen ihrer beiden Posten wird abgeben müssen. Nach Lage der Dinge wäre das wohl der Fraktionsvorsitz. Und da kommt Achim Post ins Spiel: Er ist der Mann für den Ernstfall (der beim Blick auf die Umfragen auch plausibel erscheint).

Vorbild Willy Brandt

Der nächste Fraktionsvorsitzende der SPD? Im persönlichen Gespräch reagiert Post reserviert. Muss er auch. Das Amt kommt immer zum Mann oder zur Frau, nicht umgekehrt. An seinen Ambitionen haben seine Unterstützer dennoch keinen Zweifel, und er selbst, das ist zu spüren, auch nicht. Sein Werdegang zeigt: Wenn Achim Post etwas wirklich wollte, hat das eigentlich immer geklappt.

Wegen Willy Brandt trat er 1976 in seinem Heimatort Espelkamp im Kreis Minden-Lübbecke in die SPD ein. Studierte Soziologie in Bielefeld, war in den neunziger Jahren Mitarbeiter für verschiedene SPD-Bundestagsabgeordnete, darunter Hans-Jürgen Wischnewski. Seit zwei Legislaturperioden sitzt er selbst im Bundestag, seit 2015 als Chef der einflussreichen Landesgruppe Nordrhein-Westfalen in der Fraktion. Seit September 2017 ist er stellvertretender Fraktionsvorsitzender.

Post, der für seine 60 Jahre ein auffallend junges Gesicht hat, ist als Gesprächspartner aufmerksam und nachdenklich, Typ Parteistratege. Er versteht es, das politische Schachbrett mit allen Beteiligten zu betrachten und daraus Schlüsse für die nächsten Züge zu ziehen. Manche in der SPD sehen ihn deshalb eher als Mann in den Kulissen als in der ersten Reihe. Langsam, aber zielstrebig hat er sich seine Machtbasis in der Fraktion und innerhalb der Partei ausgebaut. Er hält engen Kontakt zu den Niedersachsen, dem anderen Kraftfeld der SPD. Eine Kostprobe dieser Macht gaben Achim Post und sein niedersächsischer Kollege Johann Saathoff, als sie im Januar bei einer gemeinsamen Klausur ihrer beiden Landesgruppen über den Kurs der taumelnden SPD diskutierten – zusammen stellen sie rund ein Drittel der 152 SPD-Abgeordneten.  

Leistung und Gerechtigkeit verbinden

Post ist innerparteilich schwer zu verorten; vielleicht könnte man ihn am ehesten als linken Realo bezeichnen. Jedenfalls legt er großen Wert darauf, keinem bestimmten Lager zugeordnet zu werden. Einige Zeit hat er mit der früheren NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft zusammengearbeitet, „aber niemand würde sagen, ich bin ein Kraft-Mann“. Dasselbe gilt für seine langjährige Zusammenarbeit mit Gerhard Schröder: „Trotzdem würde keiner sagen, der ist ein Schröder-Mann“, meint Post.

Sein politisches Leitmotiv? Freiheit im Handeln. Natürlich könne man vieles nur erreichen, wenn man mit anderen an einem Strang zieht. „Aber am Ende muss man immer noch wissen, was man selbst für richtig hält, und danach handeln.“ Mut zu Veränderungen mahnt er an und bezeichnet sich als „Anhänger der praktischen Vernunft“. Die Linksdrift der SPD beobachtet Achim Post deshalb mit gemischten Gefühlen. Es sei richtig, dass sich die Partei auf ihren Markenkern besinne. „Aber wir müssen auch wissen, wie es weitergeht.“ Aus Schwäche lasse sich die SPD derzeit allzu leicht „immer nur in die eine Richtung drängen“. Neben den sozial Schwachen müsse man aber auch die Leistungsträger im Blick haben: „Denn am Ende verbindet sich der Leistungsgedanke mit dem Gerechtigkeitsgedanken.“ Das war übrigens die Erfolgsformel, mit der die SPD ihren letzten Bundeskanzler gestellt hat.

Dies ist ein Artikel aus der Mai-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder in unserem Online-Shop erhalten.









 

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