Nach der Bundestagswahl - Laschets letzte Tage?

Die Union versucht, die FDP aus der rot-grünen Umarmung zu lösen, um doch noch an die Macht zu kommen. Aber selbst wenn das gelingen sollte: Armin Laschets politische Zukunft ist unsicher.

Armin Laschet am Dienstag im Bundestag / dpa
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Moritz Gathmann ist Chefreporter bei Cicero. Er studierte Russistik und Geschichte in Berlin und war viele Jahre Korrespondent in Russland.

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Es war ein denkwürdiges Bild: Einem Denkmal gleich saß Angela Merkel am gestrigen Abend im rosa Blazer auf der Regierungsbank unter der Reichstagskuppel, so wie sie es in den 16 Jahren zuvor getan hatte. Aber teilnahmslos, mal mit dem Handy beschäftigt, mal mit dem Tablet, folgte sie dem Spektakel, das sich rund um sie abspielte. Wie viel hat das, was sich nach der historischen Niederlage in der Union abspielt, mit ihrem Festhalten am Kanzleramt zu tun? Wäre alles anders gekommen, hätte sie rechtzeitig an Armin Laschet übergeben? In den Pausen kommen alte und neue Abgeordnete, um mit ihr letzte Erinnerungsfotos zu schießen. Die Union muss jetzt wieder laufen lernen, Merkel ist Vergangenheit.

Schräg hinter ihr reibt sich ein sichtlich ermüdeter Armin Laschet die Augen. Die Fraktion hat sich wegen Corona im Plenarsaal des Bundestags versammelt, deshalb sitzt der Kanzlerkandidat, der die Wahl verloren hat, dort, wo eigentlich Kanzler und Minister sitzen. Die Chancen, dass er noch öfter auf der Regierungsbank sitzen wird, stehen 1 zu 10.

Union: Retten, was zu retten ist

Denn eigentlich geht es schon an diesem Tag um seine politische Zukunft, obwohl in der ersten Fraktionssitzung der Union offiziell nur der Vorsitzende Ralph Brinkhaus wiedergewählt wird. Laschet, öffentlich angezählt von Parteifreunden wie Peter Altmaier, hat es an diesem Tag zwei nach der großen Niederlage geschafft, mit einem Kompromiss – Brinkhaus wurde nur für sechs Monate gewählt – den Kopf aus der Schlinge zu ziehen.

Die Alternative wäre gewesen: Jens Spahn und Norbert Röttgen greifen nach der Macht, es gibt Kampfabstimmungen um den Vorsitz, die Fraktion zerlegt sich gleich zu Beginn, Laschets Autorität ist komplett dahin, Grüne, FDP und SPD stehen lachend daneben und bilden in Ruhe ihre Ampel-Koalition. Wer will schon mit einem zerstrittenen Haufen über eine Regierungsbildung verhandeln? Dass es dazu nicht kommt, hat auch die CSU verhindert. Man versucht jetzt zu retten, was zu retten ist, hört man von den Bayern.

Was bietet die Union der FDP?

Die Abgeordneten haben Laschet eine Gnadenfrist gesetzt. Zusammen mit Markus Söder, Ralph Brinkhaus und Alexander Dobrindt muss er Ergebnisse liefern. „Wir reden hier nicht über Wochen“, hat CSU-Landesgruppenchef Dobrindt gestern gesagt. Der wahre Zeitplan, so hört man, ist noch straffer: Es geht um Tage. Die Viererbande muss der FDP ein Angebot machen, das sie nicht ablehnen kann, muss die Liberalen überzeugen, dass sie ihrem Naturell nach zur Union gehören, dass sie von ihr viel mehr bekommen können, als ihnen Olaf Scholz mit den Grünen im Schlepptau jemals zu bieten bereit wäre.

Die Chancen dafür stehen nicht gut, das wissen sie auch in der Union. Der Gesprächsauftakt der „Kleinen“ am gestrigen Tag war demonstrativ harmonisch: Ein Selfie der vier Verhandlungsführer macht in den sozialen Netzwerken die Runde. Und Olaf Scholz macht nicht den Eindruck, als würde er sich diese Kanzlerschaft noch nehmen lassen: Die politischen Differenzen der Ampel-Beteiligten scheinen überbrückbar zu sein.

 

Laschet trägt das Kainsmal des Verlierers

Die Tatsache, dass Laschet in der Union angezählt ist und im Volk unpopulär, ist eine weitere Hypothek. In der Fraktion machte deshalb gestern das Gerücht die Runde, dass die Union bereit sein könnte, für den Fall einer Jamaika-Koalition Laschets Kopf zu opfern – und Markus Söder als Kanzler aufzubieten.

Aber was wird dann aus Armin Laschet? Seinen Weg zurück nach Nordrhein-Westfalen hat er sich dadurch verbaut, dass er früh angekündigt hat, in jedem Fall in Berlin zu bleiben – auch als Oppositionsführer. Verschiedene Stimmen aus CDU und erst recht CSU lassen darauf schließen, dass auch seine Chancen, Fraktionsvorsitzender zu werden, gering sind. Laschet trägt das Kainsmal des Verlierers, hinter seinem Rücken wird seine Kanzlerkandidatur als Hauptgrund für das Scheitern bei der Wahl klar benannt.

In einem halben Jahr, wenn die Unionsfraktion erneut über den Fraktionsvorsitz abstimmt, werden Norbert Röttgen und Jens Spahn, die sich jetzt noch vertrösten ließen, mit Sicherheit ihren Anspruch anmelden. Armin Laschet bliebe dann noch der Posten des glücklosen CDU-Vorsitzenden – bis zu seiner Abwahl auf dem nächsten Parteitag.

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