Zweiter Lockdown - Killt Corona den Euro?

Das größte Rettungspaket in der Geschichte der EU ist kaum beschlossen, da steuern die Mitgliedsländer mit dem zweiten Lockdown auf die nächste Krise zu. Ein zweites Paket können sich die Bundesregierung und die EU nicht leisten. Es würde das Ende des Euro bedeuten – und der EU.

Corona könnte dem Euro den Todesstoß versetzen / dpa
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Corona, Trump und Terror überdecken in diesen Tagen und Wochen die eine oder andere Kleinigkeit. Zum Beispiel das größte Rettungspaket, das in der Europäschen Union je geschnürt wurde. 750 Milliarden Euro, ungefähr die Hälfte davon als Geldgeschenke, die andere Hälfte als Kredite, möchte die EU-Kommission unter die Corona-geplagten Länder bringen. Vergangene Woche appellierte Bundesfinanzminister Olaf Scholz in Brüssel abermals an das Europäische Parlament, die Corona-Hilfen zu bewilligen und damit den größten Haufen an Schulden, den die Europäische Union je aufgenommen hat. Das Geld müsse spätestens Anfang kommenden Jahres fließen, sagte Scholz. 

Diese immense Summe, halb Geschenk, halb Darlehen, ist beschlossen worden im Nachgang zum Corona-Lockdown. Dem ersten wohlgemerkt. Nun gehen immer mehr Länder angesichts einer nochmals härteren zweiten Welle wieder in den Stillstand. Deutschland noch mit vergleichsweise milden Maßnahmen, Griechenland, Spanien, Portugal, Irland mit ungleich härteren. 

Reicht ein mittelschwerer Lockdown aus?  

Es führt also zu etwas, das alle Spitzenpolitiker mehr oder weniger kategorisch ausgeschlossen hatten: Dass nochmals alle Betriebsamkeit des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens heruntergefahren wird. Aber die Sorge vor vorlaufenden Intensivstationen hat all diese Bezüge hinfällig werden lassen. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagte am Wochenende sogar, dass die Schraube in Deutschland auch noch weiter angezogen werde könne und müsse, wenn sich der mittelschwere Lockdown als nicht hinreichend erweise, um wieder die Kontrolle über das grassierende Virus zu erlangen. 

Bei den Schwüren, es bleibe bei einem Lockdown, hatten die meisten immer nur die unmittelbaren wirtschaftlichen Folgen im Blick. Aber die Konsequenzen erstrecken sich weiter. Bis hin zum Erhalt oder Zerfall der Europäischen Union. 

Deutschland als last state standing  

Denn das riesige Paket – zusammen mit dem mittelfristigen Finanzrahmen der EU türmen sich weit über eine Billion Euro – mag die benötigte Dicke Berta sein, um die in die Knie gehenden Länder wie Frankreich, Italien und anderen vor dem Staatsbankrott zu bewahren. Aber für dieses Paket gilt tatsächlich: Ein zweites wird und kann es auf keinen Fall geben. Die immense Summe ist besonders von der Bonität Deutschland abhängig, was am Ende auch bedeutet, dass der last state standing, nach Lage der Dinge Deutschland, für die Beträge haftet, wenn alle andern insolvent sind. 

Diese immense Bürgschaft ist Deutschland eingegangen, weil es selbst auch ein Interesse daran hat, dass die Volkswirtschaften in den EU-Nachbarländern florieren. Aber für noch so ein Paket ist am Ende auch die Bonität und auch die politische Stabilität dieses Landes nicht mehr hinreichend. Schon im Sommer, Corona war eingedämmt und eine zweite Welle nicht in Sicht, sinnierte Bundeskanzlerin hier und da in kleinerem Kreis, dass es ein zweites Corona-Paket nicht geben könne und deshalb auch keinen zweiten Lockdown. Weil ein zweiter Lockdown in den Mitgliedsländern das Ende des Euro bedeuten würde. 

Der Totengesang auf den Euro ist nicht neu 

An diesem Punkt ist die Europäische Union nun angekommen. Seit Jahren warnen Kritiker davor, dass die Volkswirtschaften und die Staatshaushalte der Euro-Mitgliedsländer trotz aller formaler  Maastricht-Kriterien zu unterschiedlich seien, als dass die Währung zusammengehalten werden könne. Und allen Totengesängen zum Trotz hielt sich die Währung doch, hielt das Band um die auseinanderdriftenden Volkswirtschaften und Staatshaushalte doch. Nun kann es sein, dass der Euro von einem Virus zur Strecke gebracht wird, weil das finanzielle Immunsystem mancher seiner  Mitgliedsländer nicht robust genug ist für die desaströsen wirtschaftlichen Folgen. 

Was ein etwaiger Tod des Euro für die Europäische Union bedeuten würde, auch das hat Merkel schon einmal in umstrittene, aber ausnahmsweise klare Worte gefasst: „Scheitert der Euro“, sagte sie vor Jahren, „dann scheitert Europa“.  Gemeint ist: Die Europäische Union. 

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