UN-Klimakonferenz in Glasgow - „Gott, rette den Planeten“

Zum Auftakt des Klimagipfels COP26 in Glasgow gehört die Bühne erst einmal den Staatschefs. Deren Worte sind für die jungen Klimaaktivisten nichts als leere Phrasen. Doch selbst US-Präsident Joe Biden scheint den Erfolg des Gipfels lieber höheren Mächten anzuvertrauen.

US-Präsident Joe Biden spricht während der Eröffnungszeremonie des UN-Klimagipfels COP26 in Glasgow / dpa
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Tessa Szyszkowitz ist Londoner Korrespondentin des österreichischen Wochenmagazins Profil. Im September 2018 erschien „Echte Engländer – Britannien und der Brexit“. Foto: Alex Schlacher

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Was Boris Johnson zum Klimawandel als Erstes einfällt? James Bond. Bei seiner Eröffnungsrede als Gastgeber bei der Conference of Parties COP26 in Glasgow – der wichtigsten UN-Klimakonferenz seit 2015 – verglich er die Welt mit James Bond, der „hier in Glasgow vor 20 Jahren an eine Doomsday machine geschnallt ins Verderben flog“. James Bond überlebte damals die Weltuntergangsmaschine. Boris Johnson: „Die Tragödie allerdings ist: Der Klimawandel ist kein Spielfilm. Wir müssen wie James Bond die Bombe des Klimawandels entschärfen.“

Und so begann der UN-Klimagipfel COP26. 196 Staaten kommen von 1. bis 12. November in der schottischen Stadt zusammen, um die Klimaziele festzuzurren, die schon 2015 bei der Pariser Konferenz beschlossen worden waren. Die Erderwärmung solle demnach am besten auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter begrenzt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, haben bisher jedoch die Länder zu wenige Zugeständnisse zur Energiewende gemacht. Sollte die industrielle Welt weiter so wie bisher wirtschaften, dann ist damit zu rechnen, dass die Erderwärmung in diesem Jahrhundert bis auf 2,7 Grad ansteigt. UN-Generalsekretär António Guterres griff den Klimawandel gleich frontal an: „Entweder wir stoppen ihn oder er erledigt uns.“

Merkels Auftritt

Der Eröffnungstag in Glasgow gehörte erst einmal den angereisten Staatsoberhäuptern. Angela Merkel hatte zu ihrem letzten Klimagipfel als Bundeskanzlerin nun Olaf Scholz als ihren Nachfolger präsentiert. In ihrer Rede vor dem Plenum sagte sie: „Wir haben unsere Klimaziele noch einmal verschärft, wir wollen bis 2030 65 Prozent unserer Emissionen des Niveaus von 1990 einsparen und bis 2045 klimaneutral sein.“ Merkel aber erwähnte auch den zweiten Schwerpunkt der COP26: „Wir werden die jährliche Finanzierung von 100 Milliarden US-Dollar erst 2023 erreichen. Aber dann können wir sie erreichen.“ Deutschland will den Beitrag bis 2025 auf sechs Milliarden Dollar erhöhen.

Merkel brach am Ende ihrer Rede auch noch einmal eine Lanze für die CO2-Bepreisung. Die Bundesregierung hat diese bereits für 2021 beschlossen. Über einen nationalen Emissions-Handel bekommt dann der Ausstoß von Treibhausgasen beim Heizen und beim Autofahren einen Preis. „Wir wollen globale Instrumente finden, die nicht nur Steuergelder einsetzen, sondern auch wirtschaftlich vernünftig sind. Das ist für mich die CO2-Bepreisung.“ Und damit trat Angela Merkel von der Bühne ab.

Ambitionierte Träume

Jenseits der gewichtigen und finanziell vielversprechenden Willkommensgrüße wurde bereits Konkretes besprochen. Prinz Charles, der an Stelle seiner von den Ärzten abgezogenen Mutter Elizabeth II. ans Podium trat, widmete sich einem Spezialgebiet, in dem er selbst seit Jahrzehnten Erfahrung gesammelt hat: „Der private Sektor kann die Energiewende beschleunigen. Wir brauchen mehr Investitionen, um den Übergang von Kohle zu sauberen Energiequellen zu ermöglichen.“

In den kommenden elf Tagen sollen aus all diesen ambitionierten Träumen konkrete Maßnahmen gezimmert werden. Im Vorfeld hatten sich bereits die G-20-Staaten bei ihrem Treffen in Rom allerdings nicht in der Lage gezeigt, ein klares Bekenntnis zu formulieren. In Glasgow will man nun versuchen, den Vertragsstaaten größere Zugeständnisse bei den Klimaschutzzielen abzuringen. Nur so könne die Erderwärmung doch noch bei 1,5 Grad begrenzt werden, zumal sich schon jetzt die Temperatur im Vergleich zu vor 250 Jahren um etwa 1,1 Grad erhöht habe.

Xi schickt nicht einmal eine Videobotschaft

Xi Jinping aus China, Wladimir Putin aus Russland und Recep Tayyip Erdogan aus der Türkei sind gar nicht erst zum Gipfel erschienen. Präsident Xi hat China, so heißt es, wegen der Corona-Pandemie seit zwei Jahren nicht verlassen. Doch pikiert wurde vermerkt, dass er nicht einmal eine Videobotschaft ans Plenum geschickt hatte. Bloß ein geschriebenes Statement wollte er auf der Webseite der COP26 veröffentlichen.

Ausnahmsweise werden Xi und Putin von den westlichen Gastgebern schmerzlich vermisst. China produziert mehr Treibhausgase als jedes andere Land der Welt. Russland ist als Öl- und Gasproduzent ein wichtiger Gesprächspartner für eine Energiewende. Ein persönliches Treffen in einer Atmosphäre internationaler Solidarität hätte den belasteten Beziehungen eventuell gutgetan und gemeinsame Klimaziele unter Umständen nähergebracht.

Bloßes „Blabla“?

Außerhalb des Plenums, in dem nur Delegierte zugelassen sind, trafen sich im und vor dem Konferenzzentrum jene, die viel von dem, was die Staatschefs auf der Bühne sagten, für bloßes „Blabla“ halten, wie die Klimaaktivistin Greta Thunberg das formuliert. Die 18-jährige Schwedin und Initiatorin der Schulstreikbewegung Fridays For Future ist wie Tausende andere per Zug nach Glasgow gereist. Im Vergleich: 400 Privatflugzeuge von Staatsoberhäuptern hat die BBC am Gipfelort am Montagmorgen gezählt. „Verrat“, schreibt die 18-jährige Schwedin in ihrer jüngsten Petition angesichts der Klimagespräche. „So beschreiben junge Menschen auf der ganzen Welt das Versagen unserer Regierungen, die CO2-Emissionen zu reduzieren.“ Eine der Forderungen an die Regierungen: „Beenden Sie sofort alle Investitionen in fossile Brennstoffe.“

Schon am ersten Tag wird deutlich, dass das nicht so einfach wird. Einige Regierungen wollen bis 2035 aus der Kohleverbrennung aussteigen. Manche wollen erst bis 2060 klimaneutral sein. Den jungen Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten geht das alles zu langsam. „Wir können nicht einmal an den Verhandlungen als Beobachter teilnehmen“, kritisiert Tobias Holle, der für die deutsche NGO Klimadelegation zur COP26 gekommen ist: „Dabei geht es doch um unsere Zukunft.“

Aktivisten im Gefängnis

Die Klimadelegation setzt sich dafür ein, dass auch die Stimmen aus dem Globalen Süden gehört werden. „Die europäischen Vertreter:innen von Fridays for Future haben schon genug Öffentlichkeit bekommen“, bilanziert Lina Niedeck von FFF Deutschland. Und weiter: „Wir müssen dem Globalen Süden Platz in der Öffentlichkeit geben. Dort kommen die Aktivisten:innen oft ins Gefängnis, wenn sie für das Klima streiken.“

Joe Biden, der mit seinem Klimasonderbeauftragten John Kerry durch die zugigen Gänge des Konferenzzentrums schritt, scheint jedenfalls nicht unbedingt auf die Entschlussfreudigkeit der Konferenzteilnehmer zu vertrauen. Er beschwor zum Abschluss seiner Rede vor der Klimakonferenz höhere Mächte: „God save the planet“ – „Gott, rette den Planeten!“

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