Trumps zweites Impeachment - Die Demokraten haben es diesmal nur scheinbar leichter

Die Präsidentschaft Donald Trumps ist eigentlich vorbei. Trotzdem wollen die Demokraten ihn mit ihrem zweiten Impeachment-Verfahren des Amtes entheben. Warum es dieses Mal jedoch noch schwieriger werden könnte.

Kann Trump auch nach seiner Präsidentschaft des Amtes enthoben werden? / dpa
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Autoreninfo

Thomas Jäger ist Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln. Er ist Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.

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Das zweite Impeachment gegen den ehemaligen Präsidenten Donald Trump, das mit der Übergabe der Anklageschrift aus dem Repräsentantenhaus an den Senat in die nächste Verfahrensstufe geführt wird und ab dem 9. Februar dort verhandelt wird, ist viel komplizierter als das erste Verfahren.

Dabei erscheint es gemäß vieler Darstellungen eigentlich viel einfacher, ja geradezu unumgehbar zu sein: Wenn Trumps Aufruf an die Demonstranten am 6. Januar, über die Pennsylvania Avenue zum Kapitol zu marschieren und dort kraftvoll aufzutreten, kein Grund für eine Amtsenthebung sein soll – was dann, fragen viele Beobachter und konstatieren alle demokratischen Politiker in den USA. Ein Pfeiler des gewaltenteilenden politischen Systems – der Präsident – verfolgte die Absicht, eine andere Gewalt – den Kongress – von seinen verfassungsmäßigen Pflichten abzuhalten, um die Macht an sich zu reißen. Und dies auch noch mit der Anwendung von Gewalt. „Anstiftung zum Aufruhr“ lautet deshalb die Anklage.

Vier Gründe für ein einfaches Impeachment

Offensichtlich einfach erscheint manchen dieses Verfahren gleich aus mehreren Gründen: Erstens hat sich das Vergehen in der Öffentlichkeit abgespielt, alles ist dokumentiert, in Bild und Wort festgehalten. Anders als im ersten Impeachment, als zu ermitteln war, was im Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten wirklich gesagt wurde und Protokolliermethoden erörtert wurden, liegen die Tatsachen hier vor allen offen.

Zweitens haben die Demokraten letzte Woche die Mehrheit im Senat übernommen. Sicher brauchen sie für eine Verurteilung mehr als 16 Stimmen aus den republikanischen Reihen, aber sie bestimmen jetzt immerhin über den Verfahrensablauf. Tricks, ihn auszubremsen und mit der Geschäftsordnung zu hantieren, funktionieren jetzt nicht mehr, jedenfalls nicht mehr so gut.

Eine Reihe von Fragen

Drittens steht die öffentliche Meinung in ihrem Urteil über die Erstürmung des Kapitols auf Seiten der Demokraten. Acht von zehn Amerikanern verurteilen die zeitweise Eroberung des Kapitols. Das könnte auch einige republikanische Senatoren ins Wanken bringen. Viertens ist Trump nicht mehr im Amt und muss von außen versuchen, auf das Machtspiel in Washington Einfluss zu nehmen. 

Das alles war beim ersten Impeachment anders: Die Lage war unklarer; die Republikaner hatten die Mehrheit im Senat; die öffentliche Meinung war gespalten und die republikanischen Reihen geschlossen; und Trump warf seine ganze Macht als Präsident in die Waagschale. Trotzdem stellen sich eine Reihe von Fragen, die ein schwieriges Verfahren erwarten lassen – und zwar rechtlich und politisch schwierig.

Dürfen sie das?

Das beginnt schon damit, dass die amerikanischen Verfassungsjuristen über die Frage zerstritten sind, ob das Impeachment überhaupt durchgeführt werden darf. Manche argumentieren, dass der Präsident das Amt inzwischen verlassen hat und deshalb die Hauptkonsequenz eines Impeachment, die Entfernung aus dem Amt, gar nicht mehr verhängt werden kann. Für eine solche Lage sei es nie vorgesehen gewesen. 

Andere meinen, dass zwei Präzedenzfälle aus den Jahren 1797 und 1876 ebenso für ein Impeachment nach Verlassen des Amtes sprechen wie die Strafe, kein politisches Amt auf Bundesebene mehr führen zu dürfen. Es scheint ziemlich sicher, dass diesmal der Supreme Court diese Frage entscheiden muss, obwohl weder von den Anklägern des Repräsentantenhauses noch von Trumps Anwälten bisher viel über deren Argumente und Strategie bekannt ist.

Das erste Mal

Darüber hinaus werden prozedurale Fragen zu klären sein. Denn geregelt ist, dass der Vorsitzende Richter des Supreme Court den Vorsitz im Impeachment übernimmt nur für den Fall, dass der Präsident noch im Amt ist. Wer übernimmt diese Aufgabe, wenn er es bereits verlassen hat? Das wird wohl der Senat entscheiden müssen (aber mit welcher Mehrheit, 50 oder 60 Stimmen, dazu später). Es ist gut möglich, dass es auch diesmal John Roberts ist, ebenso aber könnte es Kamala Harris sein. Das ist nicht ganz unwichtig, weil noch völlig unklar ist, wer welche Zeugen berufen wird und welche Prozessstrategie verfolgt. Beispielsweise: Wird Donald Trump selbst auftreten? Im ersten Impeachment wollte er dies, zumindest hat er so getan. Davon hielten ihn seine Anwälte ab. Wird sich dies wiederholen? 

Diese prozeduralen Fragen verknüpfen sich derzeit mit den Verhandlungen über die Geschäftsordnung des Senats. Noch sind die Demokraten nicht in allen Machtpositionen – insbesondere den Ausschussvorsitzen -, weil dazu eine Geschäftsordnung nötig ist. Um die wird gerade gestritten, weil die Republikaner den Filibuster festschreiben wollen. Damit sind für Gesetze 60 Stimmen im Senat nötig – nur bei bestimmten Budgetgesetzen und Personalentscheidungen reichen die 50 Stimmen der Demokraten zur Mehrheit. Die Demokraten sind hier gespalten. Viele ihrer Senatoren wollen den Filibuster umgehend unterbinden, um alle Gesetze mit eigener Mehrheit verabschieden zu können; andere halten dies für eine Möglichkeit zur überparteilichen Zusammenarbeit und denken gleichzeitig daran, dass die demokratischen Senatoren zukünftig auch wieder einmal in der Minderheit sein werden. Und dann ist der Filibuster zu ihrem Vorteil. Die Frage spaltet die Demokraten. 

Konsequenzen für Trump

Sicher scheint, dass im Fall eines erfolgreichen Impeachments der Senat mit einfacher Mehrheit Donald Trump untersagen kann, nochmals ein öffentliches Amt zu bekleiden. Schon weniger sicher ist, ob er seine post-präsidentielle Unterstützung behalten kann: 219.000 Dollar Pension, die Krankenversicherung, über 1 Million Dollar an Reisekosten und die Sicherheitsmannschaft. Manche Juristen sagen: nein, bis auf die Sicherheit ist alles weg und über diesen Punkt muss noch verhandelt werden, weil ein Gesetz aus dem Jahr 2013 das nicht eindeutig regelt. Andere sagen: ja, weil das nur Präsidenten verwehrt werden kann, die wegen eines Impeachments aus dem Amt schieden – und das ist bei Donald Trump ja nicht der Fall gewesen. Er schied wegen einer Wahlniederlage aus dem Amt. Allerdings könnte ihm der Kongress mit einem neuen Gesetz diese Ansprüche nehmen. 

So ausnahmslos klar ist also nicht, wie das Impeachment verlaufen und zu welchen Ergebnissen es führen wird. Es stellt die amerikanischen Institutionen, insbesondere den Senat und den Supreme Court vor eine erstmalige Lage in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Wenn Donald Trump sich selbst im Senat verteidigt, wäre er nicht nur der erste Präsident, der in seiner ersten Amtszeit angeklagt wurde, nicht nur der erste Präsident, der zweimal angeklagt wurde, sondern auch der erste der sich selbst verteidigte. 

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