Trump-Empfehlung in Ohio-Wahl - J.D. Vance – der neue Star der Republikaner?

J.D. Vance, Kapitalmanager und Schriftsteller („Hillbilly Elegy“), hat die parteiinterne Vorwahl der Republikaner im US-Bundesstaat Ohio gewonnen. Zuvor hatte Ex-Präsident Donald Trump seine Wahlempfehlung für Vance ausgesprochen. Sein politisches Programm – Reindustrialisierung der USA, verschärftes Einwanderungsrecht, Verzicht auf außenpolitische Abenteuer – zeigt: Der Trump-Flügel ist noch lange nicht tot.

J.D. Vance nach seinem Wahlsieg mit seiner Frau Usha Vance / dpa
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Gregor Baszak ist freier Journalist und lebt in Chicago. Er publizierte unter anderem in The American Conservative, Makroskop und UnHerd.

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Die Revolution scheint vollkommen. J.D. Vance hat am Dienstag die heiß umkämpfte Vorwahl zur republikanischen Nominierung für das Senatsamt im US-Bundesstaat Ohio gewonnen. Vance war unter konservativen Intellektuellen in den USA zu einem Liebling aufgestiegen, hinkte aber in den Umfragen lange hinter seinen republikanischen Mitbewerbern hinterher. Vor wenigen Wochen jedoch erhielt Vance das begehrte „endorsement“, also die Wahlempfehlung von Donald Trump.

Und mehr noch als die meisten republikanischen Politiker, die zuvor Trumps endorsement ausgesprochen bekamen, verkörpert Vance unverblümt den Geist der „Make America Great Again“-Bewegung – er spricht sich für eine Reindustrialisierung der USA, notfalls durch Strafzölle, aus, sowie für eine massive Verschärfung des Einwanderungsrechts. Und Familien mit Kindern wiederum sollen bei Wahlen per Kind mehr Stimmen erhalten als kinderlose Erwachsene. Von einer amerikanischen Einmischung im Ukraine-Konflikt hingegen hält er nichts. Im Podcast des ehemaligen Trump-Vertrauten Steve Bannon sagte Vance noch im Februar, „es interessiert mich ehrlich gesagt nicht, was auf die eine oder andere Art mit der Ukraine geschieht“.

Jetzt hat Vance trotz, oder womöglich wegen Aussagen wie diesen den republikanischen Wahlkampf um den freigewordenen Senatsposten in Ohio gewonnen. Letztes Jahr hatte der amtierende republikanische Senator Rob Portman erklärt, er gehe nach der aktuellen Legislaturperiode in den Ruhestand. Der eher moderat gestimmte Portman konnte sich nie so richtig mit dem Tonfall Trumps anfreunden. Auch der Rest des republikanischen Establishments äußerte sich zwar in der Öffentlichkeit zustimmend gegenüber Trump, doch war es stets klar, dass der ehemalige Präsident unter einflussreichen Stimmen der Partei kaum Rückhalt hatte. Kürzlich berichtete die Washington Post, dass der mögliche nächste Sprecher des Repräsentantenhauses, der Republikaner Kevin McCarthy, wenige Tage nach dem Kapitolsturm am 6. Januar 2021 Trump voller Zorn den Rücktritt nahegelegt hatte.

Auch Vance war vormals ein Establishment-Republikaner

Trump hatte es auch schon lange vor dem Kapitolsturm mit der eigenen Partei schwer, denn diese hatte sich seit der Präsidentschaft Ronald Reagans eher den Freihandel, Steuerkürzungen, ein Rollback des Wohlfahrtsstaates sowie eine eher liberale Einwanderungspolitik zum Programm gemacht. Der ikonoklastische Trump verwarf im Wahlkampf 2016 all diese Orthodoxien, sodass kurz nach seinem Wahlsieg sein Wahlkampfberater Stephen Moore vor konservativen Kongressabgeordneten verlauten ließ, die Republikaner seien jetzt eine „Trump-Arbeiterpartei“. „Der Schock war greifbar“, so Moore über die Stimmung im Saal nach dieser Aussage.

Auch Vance war vormals ein Establishment-Republikaner, der Trump bis zu seinem Wahlsieg für sein Verhalten scharf angriff – um plötzlich eine Kehrtwende einzulegen und zu einem der größten Verfechter der Trumpschen Agenda aufzusteigen. Der Fox News-Moderator Mark Levin griff Vance kürzlich als „Favoriten der Hollywood-Elite“ an, doch die Attacke zündete ganz offenbar innerhalb der Parteibasis nicht, erst recht nicht, da sich Donald Trump Jr. prominent für Vance einsetzte. In einem Kommentar im Cincinnati Enquirer erklärte der Präsidentensohn, Vance würde sich gegen die „Endloskriege“ einsetzen und habe sich im Gegensatz zu seinen Konkurrenten im Vorwahlkampf gegen eine Flugverbotszone über der Ukraine ausgesprochen. „Genau wie mein Vater“, schrieb Trump Jr., „versteht Vance, dass die amerikanische Außenpolitik von amerikanischen nationalen Interessen geleitet werden muss und von nichts weiter.“ Das wirkt wie Lichtjahre entfernt von ehemals dominanten Falken wie George W. Bush oder Dick Cheney.

Vance hat 2016 mit seinem Buch „Hillbilly Elegy“ Ruhm erlangt. Die seither von Regisseur Ron Howard verfilmte Biografie dokumentiert den Niedergang der Arbeiterklasse im traditionell industriellen Mittleren Westen der USA. Nachdem die Stahlfabriken schlossen, hielten die Drogen Einzug, die seither die Region verwüsten.

Der ökonomische Niedergang von Städten wie Vances Geburtsort Middletown, Ohio, trieben schließlich die traditionell tief-demokratisch orientierten Wähler in die Arme Trumps, der die Rückkehr der heimischen Industriesektoren versprach – wenn auch im Laufe seiner ersten Amtszeit ohne Erfolg. Doch in Ohio halten die Wähler weiterhin an der Vision einer industriellen Renaissance fest. Karl Glasman, ein Wähler aus Northwood im nördlichen Ohio, sagte kürzlich gegenüber einer Lokalzeitung aus, dass es an der Zeit sei, Arbeitsplätze im herstellenden Gewerbe zurückzubringen. „Niemand in der Republikanischen und Demokratischen Partei scheint das zu wollen“, so Glasman. „Ich glaube J.D. tut’s, und natürlich Donald Trump.“

Triumph des Peter-Thiel-Flügels

Vances Sieg bei den Vorwahlen repräsentiert auch den Triumph des Peter-Thiel-Flügels der Partei. Der Paypal-Mitbegründer war 2016 der einzige prominente Silicon-Valley-Milliardär gewesen, der sich auf die Seite Trumps geschlagen hatte. Seither unterstützt er den Aufstieg trumpistischer Kandidaten mit großzügigen Spenden. Vance selbst arbeitete lange Zeit bei der Thiel-Firma Mithril Capital; der Präsident der Thiel Foundation, Blake Masters, strebt derzeit die republikanische Nominierung für den freiwerdenden Senatsposten in Arizona an – und haut rhetorisch ähnlich wie Vance auf den Putz. Kürzlich bei einer Wahlkampfveranstaltung gefragt, ob er die Staatsbürgerschaft für manche illegale Einwanderer befürworte, lehnte Masters die Möglichkeit kategorisch ab. Er sei „niemals“ für eine Legalisierung  vormals illegaler Einwanderer. Amerikanischen Familien hingegen solle es ermöglicht werden, mit einem einzigen Einkommen klarzukommen, während der andere Elternteil zuhause bei den Kindern bleibt.

Doch das würde erhebliche Eingriffe durch die US-Regierung in die freie Wirtschaft mit sich führen, nichts woran der alte Reagan-Flügel der Partei Interesse hat. Ob dieser Flügel demnächst komplett im Zuge des anhaltenden „realignments“, also der Neuordnung der politischen Zusammensetzung der amerikanischen Parteien, ausgelöscht werden wird, wird sich noch herausstellen – im August, wenn Masters zur Wahl steht, und am 8. November, wenn die Trump-Rebellen bei den „midterm elections“ gegen ihre demokratischen Gegner antreten.

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