Tod von Königin Elisabeth II. - Elisabeth die Große

Alexander zu Schaumburg-Lippe, Oberhaupt des Hauses Schaumburg-Lippe, erklärt, was Queen Elizabeth II. so besonders gemacht hat, dass sie weit über Großbritannien hinaus verehrt wurde - und was dafür spricht, ihr den Titel Elisabeth die Große zu verleihen.

Plakat am Piccadilly Circus in London, das Queen Elizabeth II. in jungen Jahren zeigt / dpa
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Autoreninfo

Alexander zu Schaumburg-Lippe ist ein deutscher Unternehmer sowie Forst- und Landwirt. Seit 2003 ist er Oberhaupt des Hauses Schaumburg-Lippe.

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Am 8. September 2022 endete das 20. Jahrhundert.

Mit dem Tod der britischen Königin Elizabeth II. fand eine Epoche ihren Abschluss, die die Monarchin nicht nur im Vereinigten Königreich wesentlich mitgeprägt hat. Das gelang ihr, obwohl sie die einzige Bürgerin ihres Landes war, die faktisch nicht das Recht hatte, sich öffentlich politisch zu äußern, auch wenn sie immer wieder Wege fand, das Neutralitätsgebot listig zu unterminieren - etwa, wenn sie anlässlich der Parlamentseröffnung im Vorfeld des Brexit-Referendums einen Hut trug, der der europäischen Flagge auffallend ähnelte, oder wenn sie den US-Präsidenten Trump mit einer Brosche am Revers empfing, die ihr Trumps Vorgänger Obama geschenkt hatte.

Als Stabilitätsanker in chaotischen Zeiten, als Identifikationsfigur über alle Parteigrenzen hinweg, als ruhender Pol inmitten stürmischer Krisen hat sie die Antwort auf die Frage, wozu eine konstitutionelle Monarchie in einer demokratisch organisierten Gesellschaft noch gut sein soll, durch das Vorbild ihrer Lebens- und Amtsführung selbst gegeben: Wenn die Briten nicht den verlässlichen Kompass benötigt hätten, der sie war, dann hätte sie nicht so hohe Verehrung genossen.

Mit ihr endete das 20. Jahrhundert

Unübersehbar gilt das auch für viele Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Das lebhafte Interesse der Deutschen an den Vorgängen in und um die Königliche Familie dürfte teils auch mit der Faszination zusammenhängen, die der über Jahrhunderte gewachsene britische Sinn für das Staatsritual, den großen Auftritt, die öffentliche Prachtentfaltung bei den Deutschen auslöst, deren eigenes Land sich schon äußerlich, selbst in seinen Symbolen, betont nüchtern und sachlich darstellt.

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Das mag für unser Land durchaus seinen Sinn haben, schon weil man auf diese Weise das faschistische Gepränge der Nazis konterkarieren wollte. Was man aber in den nächsten Tagen erleben wird und schon beim Thronjubiläum und jeder britisch-royalen Hochzeit erleben konnte, ist die große Fähigkeit der modernen britischen Monarchie zum Zeremoniellen in würdiger Weise. Das ist weit mehr als bloßes Beiwerk zur Politik. Für das britische Volk ist es in hohem Maße gemeinschafts- und identitätsstiftend, über allen politischen Zwietracht hinweg.

Opferbereite Monarchin - wider den Zeitgeist

Der große Respekt, der der Queen und ihrer Lebensleistung gezollt wird, ist sicher auch dem Umstand geschuldet, dass gerade in der modernen und postmodernen Welt der Verzicht auf die Äußerung der eigenen Meinung und der Verzicht auf das Recht auf Privatsphäre ein außerordentlich großes Opfer ist. Manche mögen das Versprechen, das sie 1947 als junge Frau vor laufender Kamera gab, damals als Produkt jugendlicher Euphorie, als nicht zu Ende gedacht empfunden haben - aber sie hat es nach eigener Auskunft nie bereut und nie gebrochen, mit allen Konsequenzen.

Welche Konsequenzen das unter anderem waren, wird in einer Szene der (fiktionalen) Serie „The Crown“ großartig zusammengefasst. In einem Gespräch mit ihrer Großmutter äußert Elisabeth, es fühle sich einfach nicht richtig an, Staatsoberhaupt zu sein, aber gar nichts tun zu können. „Es ist genau richtig“, gibt ihre Großmutter zur Antwort: „Es ist die allerschwerste Aufgabe überhaupt. Und es wird dich sämtliche Energie kosten, die du hast. Unparteiisch zu sein, ist nicht natürlich, nicht menschlich. Das Volk will, dass du lächelst oder zustimmst oder die Stirn runzelst. Doch dann hättest du eine Meinung abgegeben, einen Standpunkt eingenommen, und das ist das einzige, zu dem du als Souverän nicht berechtigt bist. Je weniger du tust, je weniger du sagst oder lächelst oder zustimmst...“ – Elisabeth unterbricht: „...oder denkst oder fühlst oder atmest oder existierst!“ – „...desto besser.“ (zitiert nach Benjamin Hasselhorns Buch „Königstod“)

Majestät in jeglicher Hinsicht

Majestät war nicht nur ihr Prädikat und die Anrede, die ihr als Königin zustand. Elizabeth II. besaß Majestät als eine persönliche, charismatische Eigenschaft, die sich allen mitteilte, mit denen sie zu tun hatte, schon wenn sie den Raum betrat. Das wurde mir immer wieder berichtet, aber da ich sie leider nie persönlich kennenlernen durfte, konnte ich mich nicht selbst davon überzeugen.

Ihr legendäres Pflichtbewusstsein und ihre unbedingte Disziplin wuchsen am Tage ihrer letzten Amtshandlung zu tragischer Größe heran, als sie, schon vom Tod gezeichnet - die Hämatome auf ihren Handrücken, die Vorboten des Ablebens, müssen ihr erhebliche Schmerzen bereitet haben - die neue Premierministerin Liz Truss stehend und lächelnd empfing. So hat sie das berühmte Versprechen, das sie ihrem Volk im Alter von 21 Jahren gab, buchstäblich bis zum letzten Tag eingelöst: Ihr ganzes Leben, ob es kurz oder lang sein würde, dem Dienst an ihrem Land zu widmen, ohne jemals ihren persönlichen Interessen den Vorrang vor ihren Pflichten zu geben.

Gegenteil einer Scheinriesin

Elizabeth II. war das genaue Gegenteil einer absoluten Monarchin. Sie war ein Souverän, der nicht herrschte, sondern diente, was in der englischen Formulierung besonders deutlich wird: She served her country. Es war dieser unermüdliche, selbstlos aufopfernde Dienst, den ihr Staatsvolk erspürte und der ihr die Verehrung und, in der Tat, Liebe der deutlichen Mehrheit in der britischen Bevölkerung eintrug. Und es war diese ihre integrative Kraft, die es ihr ermöglichte, den Commonwealth, der das britische Kolonialreich ablöste, abwickelte und durch ein zeitgemäßes, am Gemeinwohl orientiertes Konzept ersetzte, zu ihrer ureigenen Sache, zu ihrem persönlichen Erbe zu machen.

„Scheinriesen“ nennt man nach Michael Ende Menschen, die auf Distanz betrachtet gigantisch wirken, aber desto mehr schrumpfen, je mehr man sich ihnen nähert. Mit der Königin (und übrigens auch ihrem Sohn, dem neuen König Charles III.) verhält es sich umgekehrt: Je eingehender man sich mit ihr befasst, desto größer wird die Hochachtung vor ihr. Womöglich hatte der dubiose Politiker, aber geniale Rhetoriker Boris Johnson recht, als er im Unterhaus sagte: Erst der Tod der Monarchin hat der Nation die wahre Größe ihrer Lebensleistung vollständig ins allgemeine Bewusstsein geführt. Historiker haben bisher meist diejenigen Monarchen mit dem Beinamen „Der Große“ oder „Die Große“ versehen, die sich durch militärische Expansion und ein Regime mit harter Hand distinguiert haben. Mit solchen Herrschern hatte Elisabeth II. nicht das Geringste gemein. Vielleicht ist gerade deshalb die Zeit reif für eine Elisabeth die Große.

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