Zum Tod von Prinz Philip - Der Letzte seiner Art

Prinz Philip repräsentierte jene Mischung aus geistiger Unabhängigkeit, militärischer Haltung, Witz und Sarkasmus, die von Format und Souveränität zeugen, und die dem politischen Führungspersonal unserer Tage so spürbar abgehen. Ein Nachruf von Alexander Grau.

Prinz Philip im Jahr 2018 / dpa
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Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Geboren wurde er als Prinz Philipp von Griechenland und Dänemark. Sein Vater war Prinz Andreas von Griechenland und Dänemark, ein Spross der Hauses Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg. Seine Mutter Alice von Battenberg, Enkelin Alexanders von Hessen und dessen nicht standesgemäßer Ehefrau. Sein Urgroßvater war der dänische König Christian IX., der seine Kinder unter anderem in das britische Königshaus und die russische Zarenfamilie verheiratete und so zum „Schwiegervater Europas“ avancierte. Entsprechend war er verwandt mit dem gesamten europäischen Hochadel, eine geradezu romantisch anmutende Gestalt aus einer fern gewordenen Vergangenheit: His Royal Highness Prince Philip, Duke of Edingburgh.

Doch die Welt, in die der spätere Gemahl von Königin Elisabeth II. hineingeboren wurde, war alles andere als romantisch. Sein Großonkel Georg I., ein 1863 von der griechischen Nationalversammlung zum König von Griechenland gewählter dänischer Prinz, war 1913 ermordet worden. Sein Onkel, König Konstantin I., musste nach dem Verlust des Griechisch-Türkischen Krieges 1922 abdanken. Philips Vater, der schon erwähnte Prinz Andreas, entging nur knapp einem Todesurteil und floh ins Exil.

Ein unstetes Wanderleben

Zu diesem Zeitpunkt war die Ehe von Philips Eltern schon zerrüttet. Sein Vater galt als Lebemann und ließ sich mit seiner langjährigen Geliebten Andrée Gräfin de La Bigne in Monaco nieder. Philip und seine vier älteren Geschwister blieben bei der exzentrischen und bald unter Schizophrenie leidenden Mutter in Paris. Vom Vater finanziell nicht unterstützt und aufgrund ihrer Situation mittellos war die Familie auf Zuwendungen der Verwandtschaft angewiesen.

Die älteren Schwestern heirateten bald in den deutschen Hochadel ein: Hohenlohe-Langenburg, Baden, Hessen. Der kleine Bruder folgte und führte so ein unstetes Wanderleben. Ab 1933 besuchte Philip das Internat Schloss Salem. Dessen Leiter Kurt Hahn emigrierte kurz darauf nach England, um dort die British Salem School zu gründen. Philip folgte. Eine Entscheidung, die sein Leben für immer verändern sollte. Und zwar mehr und grundlegender als es sich der damals Dreizehnjährige vorstellen konnte.

Ein „Hunne“ als Schwiegersohn

Der Rest der Geschichte ist bekannt. 1939 geht Philip als Kadett aufs Royal Naval College in Dartmouth. Dort lernt er die damals dreizehnjährige Prinzessin Elisabeth kennen, Tochter König Georgs VI. Die zeigt sich schwer beeindruckt von dem gutaussehenden Marinekadett, der sich ihr gegenüber so ganz anders benimmt als die Höflinge, die sie sonst umgeben. Mehr noch: Elisabeth verliebt sich.

Ihre Mutter ist überhaupt nicht begeistert. Einen deutschen Adligen als Schwiegersohn, einen „Hunnen“ wie sie zu sagen pflegte, das scheint zu dieser Zeit unmöglich. Doch Elisabeth, immer folgsam, immer diszipliniert, immer pflichtbewusst, gibt an diesem einen Punkt ihres Lebens nicht nach – und setzt sich durch: am 20. November 1947 heiratete Lieutenant Philip Mountbatten Prinzessin Elisabeth und wurde am selben Tag in den Stand eines Duke of Edinburgh, Earl of Merioneth und Baron of Greenwich erhoben.

Stoisch und ironisch

Doch die Unbeschwertheit währte nicht lang. Im Februar 1952 starb König Georg. Das Paar hielt sich zu diesem Zeitpunkt in Kenia auf. Und als Elisabeth am 2. Juni 1953 zur Königin gekrönt wurde, begann ein neuer Lebensabschnitt für Philip – stets die berühmten zwei Schritte hinter seiner Frau.

Er hat diese Bürde mit Würde und Format getragen. Dass es ihm mitunter eine Bürde war, daraus hat er nie einen Hehl gemacht. Dass er die Rolle des Prinzgemahls dennoch mit Disziplin und Haltung, aber auch mit Sarkasmus und Spott ausgefüllt hat, verband ihn nicht nur mit seiner Frau, sondern hat ihm den Respekt und die Zuneigung der Briten eingebracht. Philip avancierte so zum Ideal des britischen Gentlemans: stoisch, pflichtbewusst, kaltblütig, schlagfertig und ironisch.

Der Letzte seiner Art

Legendär sind seine unkonventionellen Bemerkungen auch und gerade dort, wo sonst die Sprache der Diplomatie gepflegt wird. Dass er sich dabei auch immer über sich selbst lustig machte, zeigt nicht nur seine innere Distanz zu den Lächerlichkeiten der Welt, sondern auch zu seiner eigenen Rolle und Person. Berühmt etwa seine Selbstcharakterisierung als „erfahrenster Gedenktafel-Enthüller der Welt“.

Prinz Philip repräsentierte jene Mischung aus geistiger Unabhängigkeit, militärischer Haltung, Witz und Sarkasmus, die von Format und Souveränität zeugen, und die dem politischen Führungspersonal unserer Tage so spürbar abgehen. Prinz Philip war der Letzte seiner Art. Heute Morgen ist er, wenige Wochen vor seinem 100. Geburtstag, auf Schloss Windsor verstorben.

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