Terror in Israel - Alarmbereitschaft zum Ramadan

Nach drei Anschlägen innerhalb einer Woche und Unruhen zu Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan befindet sich Israel erneut in Alarmbereitschaft. Die Polizei nimmt verdächtige Palästinenser und Anhänger des Islamischen Staats (IS) fest, und eine Mehrheit der Bürger befürchtet weitere Attacken. Doch es gibt auch ermutigende Zeichen zum Zusammenleben von Juden und Arabern.

Israelische Sicherheitskräfte verhaften Randalierer am Jerusalemer Damaskustor / dpa
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Mareike Enghusen berichtet als freie Journalistin über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft im Nahen Osten, vornehmlich aus Israel, Jordanien und den Palästinensergebieten. Sie hat Politik- und Nahostwissenschaften studiert und ihre journalistische Ausbildung an der Henri-Nannen-Schule absolviert.

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Der Terror ist zurück in Israel. Innerhalb von nur einer Woche kamen bei drei Anschlägen insgesamt elf unschuldige Menschen ums Leben. Und die derzeitigen Unruhen in Jerusalem zu Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan rufen düstere Erinnerungen wach ans vergangene Jahr, als die islamistische Hamas im Gazastreifen gewaltsame Zusammenstöße in Jerusalem – ebenfalls während des Ramadan – zum Anlass nahm, Raketen auf israelische Städte abzufeuern. So weit ist es derzeit noch nicht. Doch das Land befindet sich wieder einmal in erhöhter Alarmbereitschaft.

Begonnen hatte die jüngste Anschlagsserie am 22. März in der südisraelischen Stadt Beer Sheva: Ein Beduine aus der Negevwüste rammte Menschen mit seinem Auto, stieg dann aus und stach mit einem Messer auf weitere Passanten ein. Er brachte zwei Männer und zwei Frauen um, bevor er selbst erschossen wurde. Wie israelische Medien später berichteten, hatte der Mann bereits 2016 im Gefängnis gesessen, weil er Propaganda für die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) verbreitet haben soll.

Fünf Tage später nur folgte der nächste Anschlag: In der Küstenstadt Hadera erschossen zwei Männer zwei Polizisten, eine Frau und einen Mann, bevor sie selbst erschossen wurden. Die Angreifer stammten aus der arabischen Stadt Umm Al-Fahm im Norden des Landes und gehörten ebenso wie der Täter von Beer Sheva der arabischen Minderheit an, die etwa ein Fünftel der israelischen Bevölkerung ausmacht. Auch sie sollen mit dem IS sympathisiert haben. Nur weitere zwei Tage später dann erschoss ein palästinensischer Mann in Bnei Brak, einem religiös geprägten Tel Aviver Vorort, vier Zivilisten und einen Polizisten. Der Mann war offenbar illegal durch eine Öffnung im Grenzzaun nach Israel eingedrungen.

Die Polizei versucht, Copycat-Anschläge zu verhindern

Obwohl drei der Attentäter den IS unterstützt haben sollen, hat die Terrororganisation in Israel vergleichsweise wenig Anhänger: Etwa 200 arabische Israelis sollen sich mit dem IS identifizieren, berichtete die Zeitung Haaretz gestern unter Berufung auf Sicherheitskreise. Dass gleich drei Anschläge innerhalb so kurzer Zeit erfolgten, begründen Sicherheitsexperten überwiegend mit dem Nachahmereffekt. Nun besteht die Befürchtung, dass weitere sogenannte Copycat-Anschläge folgen könnten.

Um das zu verhindern, wurde die Polizei in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Im Laufe der vergangenen Tage verhafteten Polizisten im Norden Israels 50 Verdächtige, die mit dem IS sympathisieren sollen. Die Armee wiederum verlegte zusätzliche Bataillone ins Westjordanland, und Soldaten verhafteten vor einigen Tagen über 30 verdächtige Palästinenser im Westjordanland, von denen einige in Verbindung mit dem Bnei-Brak-Attentäter gestanden haben sollen. Bei Schusswechseln zwischen israelischen Soldaten und militanten Palästinensern während der Aktion kamen zwei Palästinenser ums Leben. Und bei Unruhen in Jerusalem nahe des Damaskustors vor der Altstadt, seit Jahren ein Brennpunkt während des Ramadan, nahmen Polizisten in den vergangenen Nächten jeweils mehrere Randalierer fest. Die Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert und von der EU, den USA und Israel als Terrororganisation eingestuft wird, veröffentlichte kürzlich eine Drohung: „Wir und unser Volk haben geschworen, Jerusalem und Al-Aqsa mit Stärke und allen verfügbaren Mitteln zu verteidigen.“ Die Al-Aqsa-Moschee auf dem Tempelberg gilt als drittwichtigstes Heiligtum im Islam.

Der arabische Christ Amir Khoury gilt als Held im Kampf gegen den Terror

Israels Ministerpräsident Naftali Bennett bemüht sich derweil, Zuversicht zu verbreiten. „Wir haben Erfahrung mit der Bekämpfung von Terror, seit den frühesten Anfängen des Zionismus“, sagte er vergangene Woche. „Sie haben uns damals nicht gebrochen, und sie werden uns jetzt nicht brechen.“

Die Stimmung im Land scheint jedoch weniger optimistisch. Das Israel Democracy Institute, eine liberale Denkfabrik in Jerusalem, veröffentlichte gestern eine Umfrage zur aktuellen Lage. Demnach schätzen zwei Drittel aller jüdischen und 70 Prozent aller arabischen Bürger Israels die Sicherheitssituation in der nahen Zukunft pessimistisch ein. Zudem vermittelt die Umfrage einen Eindruck des Misstrauens, das zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen herrscht: So glaubt fast ein Drittel der jüdischen Befragten, dass die Mehrheit der arabischen Bürger Terroranschläge unterstützt. Noch kein Jahr ist es her, als in gemischt jüdisch-arabischen Städten Randalierer und Radikale von beiden Seiten auf Passanten des vermeintlichen Gegners losgingen, Autos anzündeten und Häuser angriffen.

Es gibt in diesen Tagen jedoch auch ermutigende Nachrichten zum Zusammenleben von Juden und Arabern in Israel. Der Polizist, der bei einem Schusswechsel mit dem Attentäter von Bnei Brak umkam, hieß Amir Khoury, war Christ und gehörte der arabischen Minderheit an. Die israelische Presse feierte ihn als Helden im Kampf gegen den Terror. Hunderte ultraorthodoxe Juden reisten zu seiner Beerdigung in den Norden des Landes. Und Entscheidungsträger in Bnei Brak, einer Stadt, in der fast ausschließlich ultraorthodoxe Juden leben, erwägen Medienberichten zufolge, eine Straße nach Amir Khoury zu benennen. Es wäre die erste Straße in Bnei Brak, die den Namen eines nichtjüdischen Menschen trüge.

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