Syrien - Assad spinnt die Fäden des Friedens

Mit der militärischen Niederlage des IS geht der Krieg in Syrien in seine vielleicht finale Phase. Die Regierungstruppen greifen die letzte Rebellen-Hochburg an. Frieden ist noch weit entfernt, aber der Wiederaufbau des Landes hat bereits begonnen – und festigt das Assad-Regime

Syriens Präsident Bashar al-Assad weiß, wie er wichtige syrische Akteure gegeneinander ausspielen kann / picture alliance
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Lars Hauch ist freier Journalist mit dem Themenschwerpunkt Syrien und Irak. Er publiziert bei verschiedenen deutschsprachigen und internationalen Medien.

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Der Angriff der Regierungstruppen auf Idlib, die letzte Provinz in Syrien, die von den Rebellen kontrolliert wird, ist in vollem Gange. Doch die Rebellen wollen nicht aufgeben, das hat auch die achte Runde von Gesprächen über den Syrienkrieg jüngst in Genf gezeigt. Wie bereits zuvor ist es weder zu direkten Gesprächen zwischen den Delegationen des Assad-Regimes und der Opposition gekommen, noch konnten sich die Unterhändler auf eine Verhandlungsgrundlage einigen. Nach wie vor fordert die Opposition, die sich erstmalig auf eine einzige Delegation einigen konnte, einen politischen Übergangsprozess ohne den amtierenden Präsidenten Bashar al-Assad. Doch der denkt nicht daran, Zugeständnisse zu machen. Die Bildung einer Übergangsregierung, freie Wahlen und eine neue Verfassung, wie die UN-Resolution 2254 es vorsieht, sind mit dem Assad-Regime nicht machbar. Zu festgefahren sind die Hierarchien, zu abhängig ist das Regime von der Loyalität seiner Gönner und Nutznießer.

Überdies konnte das Assad-Regime seine Position seit der russischen Intervention von vor zwei Jahren kontinuierlich stäken. Eine bunte Allianz hat in dieser Zeit die Kontrolle über bedeutende Teile Syriens wieder hergestellt. Russland und der Iran haben zu diesem Zweck Zehntausende von Milizionären in das Kriegsgebiet gebracht, während die ausländischen Unterstützer verschiedener Rebellengruppen ihren logistischen, finanziellen und politischen Rückhalt sukzessive zurückgefahren haben.

Neue Fronten, alte Konflikte

Mit der militärischen Niederlage des sogenannten Islamischen Staates (IS) haben sich die Fronten im Land maßgeblich verschoben. Weite Teile des Westens, Südens und Zentralsyriens befinden sich wieder unter der Kontrolle des Assad-Regimes und seiner Verbündeten. Die Loyalisten eroberten außerdem die östliche Provinz Deir ar-Zor, wo der IS mit der gleichnamigen Hauptstadt seine letzte große Stadt verlor. Entlang einer Hunderte Kilometer langen Frontlinie im Norden und Nordwesten stehen sich nun Loyalisten und die Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) gegenüber. Die SDF sind ein Milizenbündnis unter Führung der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG), einem Ableger der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Mit Hilfe des US-Militärs haben die SDF ihrerseits den IS zurückgedrängt. Doch die Allianz ist brüchig und die Zukunft der USA in der Region ungewiss. Das ist auch der YPG bewusst, die zunehmend die historischen Verbindungen ihrer Organisation zum Assad-Regime intensiviert.

Der Rest Syriens bewaffneter Opposition, die sich aus nationalistischen, islamistischen und dschihadistischen Gruppen zusammensetzt, ist währenddessen über das Land verteilt. Einige von ihnen haben gemeinsam mit der Türkei in einem Gebiet entlang der türkisch-syrischen Grenze eine de facto autonome Verwaltung errichtet. Andere konkurrieren um die Kontrolle über Idlib. Wieder andere harren in verstreuten Enklaven aus. Militärisch hat die bewaffnete Opposition dem Regime und seinen Verbündeten kaum mehr etwas entgegen zu setzen. Die Zeiten großer Offensiven sind seit dem Fall von Ost-Aleppo Ende letzten Jahres Geschichte. Doch geschlagen ist die bewaffnete Opposition deshalb noch lange nicht.

Tausende von Kämpfern stehen bereit, einen Guerillakrieg zu führen, der noch Jahre andauern könnte. Selbst wenn die bewaffnete Opposition ihre Frontlinien aufgibt, werden die gesellschaftlichen Brüche fortbestehen. Millionen von Menschen gingen im Jahr 2011 auf die Straße, weil sie mit ihrem Leben in einer Diktatur unzufrieden waren. Eben jene Repression der Diktatur Assads ist während der letzten sechs Jahre weiter eskaliert. Zehntausende sind in Foltergefängnissen verschwunden, Korruption und Patronage haben ungeahnte Dimensionen erreicht. Gleichzeitig haben radikale Islamisten die Lücken gefüllt, die durch Gewalt und Verzweiflung erst entstanden.

Dreh- und Angelpunkt Assad

Bashar al-Assad hat sich als geschickter Manager erwiesen. Der Präsident versteht es, bedeutende syrische Akteure an sein Regime zu binden und gegeneinander auszuspielen. Ähnlich verhält es sich mit den Beziehungen zu seinen großen ausländischen Unterstützern Russland und Iran. So sehr das Assad-Regime von der Gunst Moskaus und Teherans abhängig ist, sind Russland und der Iran auch auf Assads Netzwerk angewiesen. Syriens Zukunft hängt unmittelbar von der Dynamik zwischen diesen drei Akteuren ab, deren Beziehung auch von Misstrauen und gegenläufigen Interessen bestimmt wird.

Der UN-Prozess in Genf spielt bei alldem eine geringe Rolle. Die Gespräche scheiterten nicht nur an politischem Willen und verhärteten Fronten, sondern auch an einer Opposition, deren Delegation von vielen bewaffneten Gruppen in Syrien nicht anerkannt wird. Derweil werden in Syrien weiter Fakten geschaffen. Dabei geht es zunehmend auch um den äußerst lukrativen Wiederaufbau des Landes. An vorderster Front engagieren sich dabei Russland, Iran, China und Indien, deren milliardenschwere Investitionen die Stellung des Assad-Regimes weiter festigen werden.

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