Sylvie Goulard abgelehnt - Macrons Niederlage hat viele Verlierer

Die Französin Sylvie Goulard wurde mit überwältigender Mehrheit vom EU Parlament als Kommissarin Binnenmarkt, Industriepolitik und Verteidigungsindustrie abgelehnt. Das verärgert besonders Emmanuel Macron. Seine Wut kann negative Konsequenzen für die Macht des EU Parlaments bedeuten

Mit großer Mehrheit wurde Sylvie Goulard vom EU Parlament als „Super-Kommissarin“ abgelehnt / picture alliance
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Kay Walter arbeitet als freier Journalist in Frankreich

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Sylvie Goulard, die designierte „Super-Kommissarin“ für Binnenmarkt, Industriepolitik und Verteidigungsindustrie ist gescheitert. Sie hat vor den zuständigen Ausschüssen des europäischen Parlaments keine Mehrheit und keine Gnade gefunden. Und das nicht knapp, sondern krachend. Lediglich 29 der 112 Abgeordneten haben für sie votiert. Noch deutlicher zu verlieren ist kaum vorstellbar. Und: die Niederlage von Sylvie Goulard tut vielen Menschen sehr, sehr weh, nicht nur ihr persönlich.

Frankreichs Präsident Macron ist stinkwütend. Schon die Ablehnung Goulards, begreift er als Affront gegen sich selbst – aber dann auch noch so klar. Deshalb zeigt er ganz undiplomatisch mit dem Finger auf Ursula von der Leyen, die Kommissionspräsidentin von seinen Gnaden, und sagt: „Das wird sie mir erklären müssen.“ Um dann aus dem Nähkästchen zu plaudern, er habe VDL drei Namen als mögliche französische Kandidaten genannt und sie, von der Leyen, habe auf Goulard bestanden und obendrein eine sichere Parlamentsmehrheit versprochen.

EU Parlament hat Stärke gezeigt

Auch wenn eine solche Zusage aus von der Leyens Umfeld bestritten wird, ist doch klar, dass sie mit der Zurückweisung eines zentralen Personalvorschlags gleich mehrere heftige Nackenschläge auf einmal hinnehmen muss:

• Sie hat mit der Ex-Bankerin und Ex-Verteidigungsministerin Goulard eine zentrale Figur in ihrem Kabinett und zudem eine persönliche Verbündete verloren, deren fachliche Kompetenz im übrigen von Niemanden bestritten wird, im Gegenteil;

• Ihr Kabinett wird nicht – wie vorgesehen - am 1. November die Arbeit aufnehmen können, eben weil es bis dahin nicht einmal vollzählig seien wird;

• die eigenen Leute der konservativen EPP-Fraktion haben VDL eine Ohrfeige verpasst, denn sie haben die Zurückweisung Goulards maßgeblich betrieben, weil ihnen die Rache für Macrons Ablehnung von Manfred Weber (falls sich außerhalb Brüssels noch jemand an den erinnert) wichtiger war, als eine funktionierende  Kommission und eine gestärkte Vorsitzende. Ganz kleines Karo;

• das europäische Parlament hat eine Chance gesehen, noch vor Amtsantritt der Kommission Stärke zu zeigen und ist auch nicht davor zurückgeschreckt, dass es dafür eines Zusammenwirkens von Konservativen, Grünen und Sozialdemokraten, aber auch von Rechtspopulisten und Nationalisten bedurfte – auch das, wahrlich kein Ruhmesblatt des Parlamentarismus.

Einer unter vielen

Nicht zuletzt ist Emmanuel Macron verärgert und hat obendrein das Gefühl, dass man sich auf getroffene Vereinbarungen nicht verlassen kann. An seinen pro-europäischen Idealen wird das eher nichts ändern, wohl aber an seinem Verhalten gegenüber den anderen Akteuren. So viel kann man seiner ersten Reaktion sicher entnehmen. Schon weil er natürlich auch innenpolitisch für das Scheitern seiner Kandidatin verantwortlich gemacht wird. Marine LePen spricht von einer „scharfen Zurechtweisung“ für Macron, dem seine „ständigen moralischen Belehrungen“ zum Boomerang geworden seien.

Zudem ist ihm deutlich gezeigt worden, dass er zwar in seiner Funktion als französischer Präsident eine Macht ist, aber in Europa am Ende doch nur einer unter vielen. Das stört ihn und könnte seine eh vorhandene Neigung weiter verstärken, europäische Politik über den Rat der Regierungs-Chefs zu betreiben und nicht über das Parlament. Damit wäre dann die Position und die Legitimation des Parlaments weiter geschwächt – auch das kein gutes Ergebnis.

Jeder ist verantwortlich für seine Taten

Zurück zu Sylvie Goulard. Auch die, die gegen sie gestimmt haben betonen unisono, sie sei die fachlich beste Person für den Job gewesen. Zum Verhängnis wurde Goulard ihr Glaube, sie schulde dem Parlament weder Rechenschaft darüber, für welche Leistungen sie während ihrer Zeit als EU-Abgeordnete über 300.000 Euro Beraterhonorare erhalten hat, noch darüber, dass ein anderes Fehlverhalten zwar Grund genug für den Rücktritt als Ministerin in Frankreich gewesen, aber ohne Einfluss auf den Job in Brüssel sei: Die ganze Arroganz der französischen politischen Kaste – egal aus welcher Partei.

Wenn es denn etwas Gutes bei diesem Vorgang gibt, dann das: Soll Niemand denken, sie oder er stünde über der Verantwortlichkeit für die eigenen Handlungen und Taten.

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