Sabine Weyand - Schlau, charmant, gemein

In Deutschland fast unbekannt, in Brüssel eine der wichtigsten Machtspielerinnen: Sabine Weyand war Stellvertreterin des Brexit-Chefunterhändlers Michel Barnier. In Zeiten der Handelskonflikte ist sie nun die Generaldirektorin für Handel in der EU-Kommission

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Wie kommt es, dass kaum jemand in Deutschland Sabine Weyand kennt? / picture alliance
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Eric Bonse berichtet seit 2004 aus Brüssel über Europapolitik. Er betreibt auch den EU-Watchblog „Lost in Europe“.

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Sie ist eine der mächtigsten Frauen in Brüssel. Den umstrittenen Brexit-Deal hat sie ebenso eingefädelt wie den EU-Mercosur-Pakt, das größte Freihandelsabkommen der Welt. Und für den drohenden Handelskrieg mit den USA ist sie auch noch zuständig. Für ihre Anhänger ist sie eine Art Schutzheilige, die deutsche und europäische Exporte gegen Donald Trump verteidigt. Für ihre Gegner ist sie eine knallharte Frau, die Theresa May über den Tisch gezogen hat und auch noch Boris Johnson in die Schranken weisen könnte.

Doch Sabine Weyand gibt sich bescheiden: „Ich habe keine Macht, ich bin doch nur EU-Beamtin“, sagt die 55-jährige Saarländerin, die seit Juni die Generaldirektion Handel in der Europäischen Kommission leitet. „Ich bin ein Civil Servant, Politik ist nicht mein Metier.“ Fünf Minuten später sitzt Weyand auf einem Podium – und spricht über Politik. Es geht um die Frage, wie sich Europa gegen die USA und China behaupten kann. Mit ihrem Pagenschnitt und den gelben Pumps sticht sie aus dem Kreis der angegrauten männlichen Experten hervor. „Die EU steht unter wachsendem Druck, sich für ein Lager zu entscheiden“, sagt Weyand. „Unser Ziel muss es sein, nicht wählen zu müssen.“ Nur dann sei Europa souverän.

Handel wird zur Waffe umfunktioniert

Große Worte aus dem Munde einer Deutschen, die selbst in Deutschland kaum jemand kennt. Dabei kann Weyand in der Handelspolitik mehr bewegen als Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Denn für den europäischen Außenhandel ist die EU-Kommission allein zuständig. Das letzte Wort hat zwar Handelskommissarin Cecilia Malmström; damit sie aktiv werden kann, braucht sie ein Mandat der Mitgliedstaaten. Doch bei der Vorbereitung der Deals und bei den oft zähen Verhandlungen geben die EU-Beamten den Ton an. Deren Rolle ist politischer denn je. „Heute wird der Handel zur Waffe umfunktioniert“, klagt Weyand. Vor allem die USA setzen Zölle als Druckmittel ein – auch gegen die EU. Die Kommission kontert, indem sie versucht, mit Handelsverträgen globale Regeln und Standards zu setzen.

„Wir müssen das multilaterale System verteidigen“, beschreibt Weyand ihre Mission. Gleichzeitig gehe es darum, den europäischen Markt vor unfairen Praktiken etwa aus China zu schützen. Es ist ein Balanceakt zwischen Öffnung und Regulierung, Souveränität und Nationalismus.

Dass sie ihr Handwerk versteht, hat Weyand, die in Freiburg Politikwissenschaft und in Cambridge Anglistik studiert hat, bei den Verhandlungen über das britische Austrittsabkommen bewiesen. Als EU-Verhandlungsführer Michel Barnier nicht mehr weiterwusste, übernahm sie die Kontrolle. In diskreten Gesprächen brachte sie einen Deal zustande, den die EU bis heute als „bestmöglich“ bezeichnet – und der das Vereinigte Königreich bis in die Grundfesten erschüttert. Wer sich auf das „Withdrawal Agreement“ einlasse, mache sich einer „furchtbaren Kollaboration“ mit der EU schuldig, poltert Boris Johnson.

Eine Prise britischer Humor

Weyand kann das nicht nachvollziehen. Schließlich habe sie den Briten doch Zugeständnisse gemacht, zum Beispiel beim Backstop. Die ehemalige Premierministerin May sei es gewesen, die die Rückversicherung für Irland unbedingt haben wollte. Dass London den Backstop einmal so vehement ablehnen würde, habe man nicht ahnen können.

Allerdings war die Klausel, die Großbritannien auch nach dem Brexit in der Zollunion halten würde, von Anfang an umstritten. Einige EU-Staaten empörten sich, dass die Briten mit dem Backstop zu leicht Zugang zum Binnenmarkt erhielten. Doch der Konflikt wurde unter dem Deckel gehalten, um die Einheit zu wahren. Dass dies gelang, ist nicht zuletzt dem Verhandlungsgeschick Weyands zu verdanken. Je nach Bedarf zieht sie verschiedene Register – mal diskret, dann brutal offen, mal verbindlich, dann wieder brüsk. Auch eine Prise britischer Humor darf nicht fehlen, wie der Guardian notiert.

Möglicher Rückhalt aus Brüssel

Ihre früheren Vorgesetzten sind gut auf sie zu sprechen: „Sabine ist ein Vierradantrieb, sie arbeitet viel, ist intelligent, sie kann sehr charmant sein, aber auch sehr gemein“, sagt der frühere Handelskommissar Pascal Lamy, der sie vor 25 Jahren in die Kommission holte. „Sie kennt alle Dossiers, hat aber auch einen ausgeprägten Sinn für die politische Perspektive“, meint Ex-Entwicklungskommissar Louis Michel, für den Weyand als Kabinettschefin tätig war.

Auch mit der künftigen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dürfte sie sich gut verstehen. „Ich habe sie bisher nur einmal getroffen und war sehr beeindruckt“, sagt Weyand. „Sehr schnell“ habe sich ihre künftige Chefin in die neue Situation eingelebt. Für die Exportnation Deutschland wäre dies von Vorteil, die Bundesrepublik wird den Rückhalt aus Brüssel noch brauchen können. Weyand ist da ein Aktivposten.

Dieser Text ist in der Oktober-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können. 

 

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