Rede zur Lage der Nation - Putin droht dem Westen und umgarnt die Russen

Für das westliche Ausland gab es Drohungen, für die Russen das Versprechen steigenden Wohlstands. Wladimir Putin versucht in seiner Rede zur Lage der Nation, zu Beginn des dritten Kriegsjahres Zuversicht und Zusammengehörigkeit zu verbreiten.

Wladimir Putin bei seiner Rede am 29.02.2024 (Bild der Staatsagentur TASS) / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

So erreichen Sie Ferdinand Knauß:

Anzeige

Russlands Präsident Wladimir Putin hat in seiner Rede an die Nation den Westen vor dem Einsatz von Bodentruppen gewarnt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte vor wenigen Tagen nicht ausschließen wollen, französische Soldaten in die von Russland vor über zwei jahren angegriffene Ukraine zu schicken. Wie bereits mehrfach in der Vergangenheit sprach er offen von der Möglichkeit eines Einsatzes von Atomwaffen, der zur „Auslöschung der Zivilisation“ führen könnten. Es handele sich nicht um einen „Trickfilm“, sagte Putin. 

Das war zu erwarten. Ebenso zu erwarten, weil aus seinem Interview mit dem amerikanischen Journalisten Tucker Carlson schon bekannt, war Putins Dementi von Behauptungen, dass Russland noch weitere Länder in Europa militärisch angreifen wolle. Das sei, so Putin wörtlich, „Blödsinn“. Er rechtfertigte die Ankündigung weiterer Rüstungsanstrengungen im Gegenteil mit der Gefahr für Russland, die von der Nato-Erweiterung ausgehe. 

Bekannte Narrative

Auch die im Gespräch mit Carlson behauptete Bereitschaft zum Dialog mit den USA in Fragen der strategischen Sicherheit wiederholte Putin. Bedingung sei aber, dass die USA aufhörten, eine strategische Niederlage Russlands anzustreben. Russland und die USA hatten im Zuge ihres Konflikts mehrere Abrüstungsverträge ausgesetzt oder aufgekündigt. Das entspricht dem Kreml-Narrativ, wonach die USA, beziehungsweise die Nato, eine Aggressionspolitik verfolgten. Dieses Narrativ setzt natürlich voraus, dass die Ukraine und andere frühere Teilrepubliken des 1991 zerbrochenen Sowjet-Imperiums eine Art exklusives Einflussgebiet Russlands seien – und nicht völlig souverän. 

Zu diesem Narrativ gehört auch sein feierliches Reden über die schon vor zehn Jahren erfolgte Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim, die er einen „russischen Frühling“ nannte. In dem Zusammenhang betonte er auch, dass Russland es niemandem erlaube, sich in seine „inneren Angelegenheiten“ einzumischen. Das kann man wohl als rote Linie für mögliche Friedensverhandlungen betrachten: Die Rückgabe der Krim und der anderen mittlerweile annektierten Bezirke der Ostukraine wird für ihn kein Verhandlungsgegenstand sein.

 

Mehr zum Thema:

 

Die Rede kann, wie sein Sprecher selbst ankündigte, auch als eine Art Wahlkampfauftritt für die vom 15. bis 17. März angesetzte Präsidentenwahl angesehen werden, die angesichts der autoritären Herrschaft und der Nichtzulassung ernsthafter Gegenkandidaten den Namen nicht verdient. Putin sprach besonders viel über den Krieg, der in seinem Reich nur als „Spezialoperation“ bezeichnet werden darf und laut Putin von der „absoluten Mehrheit der Bevölkerung“ unterstützt werde. Belege dafür nannte er nicht. Aber er machte auch erstaunliche Versprechungen, die vermutlich aller Welt zeigen sollen, dass Russland die Belastungen durch den Krieg und die Sanktionen des Westens gut verkraften kann. 

Große Wohlfahrtsversprechen

Putin versuchte sichtlich, ein großes nationales Zusammengehörigkeitsgefühl zu erzeugen: „Zusammen können wir alles schaffen.“ Er rühmte nicht nur die „Helden“ der Armee, sondern auch die in der Wirtschaft des Landes Beschäftigten, die für die Bedürfnisse der Truppe arbeiteten.

Zugleich versprach er für seine sechste Amtszeit bis 2030 umfangreiche Steigerungen staatlicher Wohlfahrtsleistungen, nicht zuletzt im Gesundheitsbereich. Die Lebenserwartung solle soll von derzeit 73 auf 78 Jahre bis 2030 steigen (in Deutschland liegt sie bei über 78 Jahren, bei Frauen sogar bei mehr als 83 Jahren). Als Maßnahmen zur Stützung der Familien stellte Putin soziale Hypothekenprogramme, höhere Steuerfreibeträge für Kinder und regionale Sozialprogramme vor, die aus dem föderalen Haushalt gestützt werden sollen. Der Mindestlohn solle von 19.000 Rubel (190 Euro) im Monat bis 2030 auf 35.000 Rubel (350 Euro) steigen. 

Ob diese Botschaft der Zuversicht und des nationalen Zusammenhalts in der Bevölkerung ankommt und Widerhall findet, kann angesichts des mittlerweile so gut wie vollständigen Fehlens einer unabhängigen Öffentlichkeit und glaubwürdiger Umfragen wohl niemand beurteilen. Vermutlich nicht einmal Putin selbst. 

Anzeige