Nato-Gipfel - „Liebes Amerika, schätze Deine Verbündeten“

Vor dem Nato-Gipfel in Brüssel liegen bei den europäischen Bündnispartnern die Nerven blank. US-Präsident Donald Trump fordert, dass sie ihre Beiträge erhöhen. Besonders Deutschland steht unter Druck. Das verdeutlichte ein Angriff des US-Präsidenten gleich zu Beginn

Fegt US-Präsident die Beschlüsse des NATO-Gipfels wieder vom Tisch, um einen Deal mit Putin zu machen? /picture alliance
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Werner Sonne, langjähriger ARD-Korrespondent in Washington, ist der Autor mehrerer Bücher zu diesem Thema, u.a.  „Leben mit der Bombe“, sowie des jüngst erschienenen Romans „Die Rache des Falken“. 

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Es ist nicht ganz einfach, Nato-Botschafterin für einen Präsidenten wie Donald Trump zu sein. Denn der hat vor dem Beginn des Brüsseler Gipfels klar gemacht, was er von der westlichen Militärallianz hält: Eigentlich nichts – oder genauer: Die Nato sei genauso schlimm wie Nafta, das von ihm gehasste nordamerikanische Freihandelsabkommen mit Mexiko und Kanada, das er aufgekündigt hat.

Nato-Botschafterin Kay Bailey Hutchison also versucht, das Beste daraus zu machen. In einer Telefonkonferenz mit Journalisten aus Europa betonte sie demonstrativ, die Einheit der Nato sei „niemals so stark gewesen“ wie jetzt. Warum sind dann vor dem Auftakt zum Gipfel in Brüssel alle so nervös? EU-Ratspräsident Donald Tusk etwa hielt es für angemessen, Donald Trump zu warnen, es nicht zu übertreiben mit seiner Dauerkritik an den Nato-Verbündeten. „Liebes Amerika, schätze Deine Verbündeten, schließlich hast Du nicht so viele“, erklärte Tusk.

Trump feuert gegen Deutschland

Amerika habe keinen besseren Verbündeten als Europa. „Heute geben die Europäer zusammen vielfach mehr für die Verteidigung aus als Russland und genauso viel wie China.“ Trump feuerte gleich zurück, natürlich auf Twitter. „Mache mich fertig, um nach Europa zu reisen. Erstes Treffen – Nato. Die USA geben vielfach mehr aus als jedes andere Land, um sie zu schützen. Nicht fair für den US-Steuerzahler“.

Das hatte er auch schon in einem Brief an die deutsche Kanzlerin Angela Merkel geschrieben. „Andauernde deutsche Unterfinanzierung untergräbt die Sicherheit der Allianz“, schrieb Trump, und das diene dann auch noch als Ausrede für andere Staaten, ebenfalls nicht genug zu zahlen, denn sie sähen Deutschland „als Vorbild“.  Kaum in Brüssel angekommen, legte Trump auch gleich mit einem Frontalangriff auf Deutschland los. Beim Frühstück mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte der US-Präsident: „Es ist traurig, dass Deutschland massive Deals mit Russland macht, während von uns erwartet wird, es gegen Russland zu verteidigen.“ 

Tauziehen um Zwei-Prozent-Ziel

Alles, so scheint es, dreht sich in Brüssel um eine Zahl: Zwei. Dieser prozentuale Anteil vom Bruttosozialprodukt ist die Zielmarke für den finanziellen Beitrag zur Allianz. Donald Trump fordert sie ein, wo immer er kann, ganz besonders von dem Land seiner deutschen Vorfahren, von dessen Zahlungsunwillen er geradezu besessen ist.

Aber unmittelbar vor dem Gipfel ist klar: Trumps Forderung an Berlin wird nicht fruchten, jedenfalls nicht so, wie er sich das vorstellt. Angela Merkel hat sich da schon öffentlich festgelegt. 1,5 Prozent ist das deutsche Ziel bis 2024, mehr nicht. Mit dieser Koalition aus Union und SPD ist politisch nicht mehr drin. Basta. Es gehe auch nicht um Aufrüstung, so Merkel, sondern um Ausrüstung – gemeint ist die in weiten Teilen marode Bundeswehr

Deutschland ist der zweitgrößte Beitragszahler 

Allerdings ist dieser Betrag keineswegs so dürftig, wie das aus Donald Trumps Sicht aussieht. In Berlin weist man eifrig darauf hin, dass die deutschen Verteidigungsanstrengungen zwischen dem Tiefpunkt 2014 bis 2024 in absoluten Zahlen um satte 80 Prozent ansteigen werden.

Und auch sonst ist die deutsche Seite bemüht, in Brüssel gute Figur zu machen. Deutschland, so wird sich Trump anhören müssen, sei schließlich in Europa der zweitgrößte Truppensteller der Allianz. Das Land führt die Nato-Präsenz in Litauen an und demnächst auch wieder die schnelle Eingreiftruppe, die sogenannte Speerspitze. Von ihren 7600 Soldaten werden allein 4700 aus Deutschland  kommen – und die Deutschen seien im Nato-Budget auch der zweitgrößte Beitragszahler. 

Das 30-Mal-Projekt

Auch unterstütze man das neue wichtige Ziel, das in Brüssel beschlossen werden wird: die Nato-Truppen mobiler zu machen. Dafür entstehen zwei neue Hauptquartiere, in den USA und eben in Deutschland, in Ulm. Auch beim Nato-Einsatz in Afghanistan, am zweiten Tag des Gipfels das große Thema, ist die Bundeswehr mit mehr als 1000 Soldaten weiterhin der zweitgrößte Truppensteller. 

Und Deutschland wird sich im Abschlusskommuniqué zu einem weiteren Groß-Ziel dieses Gipfels verpflichten, was schon jetzt als Erfolg gefeiert wird: das 30-Mal-Projekt: 30 Batallione, 30 Flugzeugstaffeln, 30 Kriegsschiffe sollen in 30 Tagen für die Nato im Ernstfall verfügbar sein, und zwar bis 2020. Deutschlands Anteil: Zehn Prozent. Doch wie beim Zwei-Prozent-Ziel wird die Bundesregierung da erst einmal unter der Messlatte durchlaufen. Im Verteidigungsministerium haben die zuständigen Generäle klar gemacht, dass die Bundeswehr auf keinen Fall so schnell dafür bereit wäre. Das könnte in Brüssel peinlich werden.

Die Angst vor einem Trump-Putin-Deal 

Unklar bleibt auch, wie sich die Bundesregierung zu einem weiteren Beschluss der Allianz verhalten wird: die Nato wird sich für eine Ausbildungsmission im Irak verpflichten. Da ist die Bundeswehr bereits aktiv, und es bleibt offen, ob und wie sie sich in die Nato-Mission integrieren wird. 

Ob Donald Trump das alles beeindrucken wird, ist fraglich. Das 34-seitige Abschlusskommuniqué wird erneut scharf mit Russland ins Gericht gehen, vor allem wegen der andauernden Ukraine-Krise. Gleich danach wird Trump sich in Helsinki mit Russlands Präsident Putin treffen, und zur Brüsseler Nervosität trägt die Sorge bei, Trump könne dabei die Nato-Beschlüsse vom Tisch fegen, um mit Putin einen Deal zu machen.

Trumps NATO-Botschafterin glättet die Wogen

Seine Brüsseler Botschafterin Kay Bailey Hutchinson versucht, ihren Präsidenten hier einzuhegen und die Verbündeten zu beruhigen. Trump werde die Botschaft mit nach Helsinki bringen, dass Putin sein „bösartiges Verhalten“ verändern müsse. Gesprächsthemen gebe es neben der Ukraine genug, Syrien etwa oder das Abkommen über die Begrenzung atomarer Mittelstreckenraketen, das Russland verletze.

Und mehr Europa bei der Sicherheitspolitik? Alles schön und gut, vermittelt Hutchinson die US-Position dazu. Allerdings nur, solange die Nato der unbestrittene Schirm für die Verteidigung bleibe. Dann stellt sie doch noch einen schönen Erfolg der Allianz heraus. In Brüssel, so Trumps Vertreterin, sei man stolz darauf, dass bei der Fußball-Weltmeisterschaft alle vier Finalisten Nato-Mitglieder seien. 

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