Kim Jong-un reist nach Wladiwostok - Neue Achse Russland-China-Nordkorea?

Kim Jong-un soll dieser Tage mit Wladimir Putin einen Waffendeal aushandeln: Zwischen Nordkorea und Russland bahnt sich eine neue Allianz an. Offenbar soll sogar China eingebunden werden.

Nordkoreas „Oberster Führer“: Kim Jong-un / picture alliance
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Felix Lill ist als Journalist und Autor spezialisiert auf Ostasien.

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Sofern die Gerüchte wahr sind, die seit Montagabend von mehreren Seiten kommen, lässt Kim Jong-un gerade seine Koffer packen. Dem „Obersten Führer“ Nordkoreas steht offenbar eine Reise nach Norden bevor, ins ostrussische Wladiwostok, wo ab Sonntag über vier Tage die Investitionskonferenz „Eastern Economic Forum“ stattfindet. Kim Jong-un, so haben es die amerikanischen Zeitungen New York Times und Washington Post sowie die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap unter Berufung auf US-Quellen angedeutet, wäre dort eine Art Stargast.

Denn Kim soll mit Russlands Regierungschef Wladimir Putin einen Waffendeal aushandeln. Für beide Seiten wäre ein entsprechendes Abkommen ein Coup: Russland plagt sich seit Beginn des Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 mit einem enormen Waffen- und Soldatenverschleiß. Nordkorea dagegen befindet sich inmitten harter UN-Sanktionen und den Folgen der Pandemie in einer prekären wirtschaftlichen Lage, verfügt aber über Rüstungsgüter. So könnten die beiden Staaten, die durch ihre Ablehnung westlicher Demokratien verbunden sind, einander nützlich sein.

„Wie wir öffentlich angemahnt haben, schreiten die Waffenverhandlungen zwischen Russland und der Demokratischen Volksrepublik Korea (Anm.: Nordkorea) voran“, erklärte Adrienne Watson, Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats des US-Präsidenten, nun gegenüber Yonhap. „Wir haben Informationen, dass Kim Jong-un erwartet, dass diese Diskussionen auf diplomatischer Führungsebene weitergehen.“ Ein Deal stehe offenbar kurz bevor.

Vertiefte Kooperation zischen Russland und Nordkorea

Schon länger warnen Offizielle der USA vor möglicher militärischer Zusammenarbeit zwischen Russland und Nordkorea, was aber insbesondere aus Nordkorea bisher dementiert worden ist. Die jüngsten Entwicklungen scheinen nun aber für eine vertiefte Kooperation zu sprechen. Laut Yonhap reiste Russlands Verteidigungsminister Sergei Shoigu Ende Juli nach Nordkorea. Ende August war dann laut New York Times eine rund 20-köpfige Delegation aus Nordkorea in Russland.

Schon Shoigus Besuch in Nordkorea wurde von Beobachtern entsprechend interpretiert. Laut Fyodor Tertitskiy, Senior Research Fellow an der Kookmin-Universität im südkoreanischen Seoul, habe der Trip zwei Botschaften gesendet: „Dass Russland und Nordkorea Verbündete sind, und dass der primäre Fokus des Treffens auf Russlands Krieg gegen die Ukraine lag.“ Sollte Kim nun nach Wladiwostok reisen, spräche umso mehr für diese Argumentation.

 

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Konkret könnte Russland aus Nordkorea Munition für verschiedene Waffensysteme kaufen, einschließlich Artillerie. Bereits im vergangenen Jahr wollten US-Geheimdienste wissen, dass Russland Millionen von Artilleriegranaten und Raketen aus Nordkorea erworben hatte. Kim Jong-un könnte auf einer Reise nach Wladiwostok neben einer neuen Einnahmequelle aus Rüstungsexporten auch sein Satellitenprogramm stärken. Der nordkoreanische Versuch, einen Satelliten zu platzieren, ist zuletzt wiederholt gescheitert. In Russland wird auch hierzu nun Austausch erwartet.

Seitens der USA ist wiederholt kritisiert worden, dass Kooperation zwischen Nordkorea und Russland UN-Sanktionen verletzen würde. Denn während Russland seit Anfang 2022 harten Sanktionen der internationalen Gemeinschaft gegenübersteht, trifft dies auf Nordkorea bereits seit 2017 zu. Der diplomatisch isolierte Staat war wegen wiederholter Raketentests kritisiert worden. Mittlerweile ist in fast allen Sektoren der internationale Handel mit Nordkorea verboten. Ökonomischen Austausch zwischen Nordkorea und Russland, die eine gemeinsame Landgrenze teilen, hat es dennoch immer wieder gegeben.

Dabei steht eine Kooperation zwischen Russland und Nordkorea womöglich erst am Anfang. Zu Beginn der Woche berichtete Südkoreas Geheimdienst, dass Russlands Verteidigungsminister Shoigu vorschwebe, gemeinsame Marinemanöver abzuhalten – allerdings nicht nur zwischen Russland und Nordkorea, sondern auch mit China. In Südkorea interpretiert man diesen Schritt auch als Reaktion auf die zuletzt verstärkten Militärmanöver zwischen Südkorea, den USA und Japan.

Für China ist die Angelegenheit komplizierter

Kim Jong-un wäre gegenüber einer militärischen Achse zwischen Russland, Nordkorea und China wohl kaum abgeneigt: Seine regierende Kommunistische Partei führt er auf totalitäre Weise an, aber einen Großteil seiner Legitimation verdankt er der angespannten regionalen Sicherheitslage, wodurch er die hohen Militärausgaben inklusive eines Atomwaffenprogramms rechtfertigt. Russland wiederum hat durch den Angriff auf die Ukraine einen ähnlichen Pariastatus erlangt wie Nordkorea, sodass eine Kooperation auch auf formaler Ebene nur noch wenig Reputationsschaden verursachen würde.

Für China stellt sich die Angelegenheit komplizierter dar. Zwar macht auch das Pekinger Einparteiensystem kein Geheimnis daraus, dass es die westliche Demokratie als Staatsform ablehnt, sich zudem gegen den westlichen Führungsanspruch stellt. Aber die chinesische Regierung – die sowohl für Nordkorea als auch für Russland der wichtigste diplomatische und ökonomische Partner ist – hat es bisher auch im Interesse internationaler Handelsbeziehungen vermieden, sich im Krieg zwischen Russland und der Ukraine auf eine Seite zu schlagen. Eine Zusage zu Manövern gibt es in Peking noch nicht.

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