Jeffrey Epstein und Donald Trump - Land der Verschwörungen

Der mutmaßliche Selbstmord des mutmaßlichen Mädchenhändlers Jeffrey Epstein lässt viele Fragen offen. Zudem kursieren bereits Gerüchte, Donald Trump oder Bill Clinton hätten Epstein um die Ecke bringen lassen. Sie waren auf seinen Partys mehrmals zu Gast

Manche mutmaßen Donald Trump hätte Jeffrey Epstein umbringen lassen / picture alliance
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Eva C. Schweitzer arbeitet als freie Journalistin für verschiedene Zeitungen in New York und Berlin. Ihr neuestes Buch ist „Links blinken, Rechts abbiegen“.

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Die Geschichte von Jeffrey Epstein, dem mutmaßlichen Mädchenhändler, der sich am Wochenende in einem New Yorker Knast umbrachte, hat alles, was ein gutes Drehbuch ausmacht: Sex, Crime, Verschwörungen, Verrat. Überdies verwandelt es die amerikanische Politik, die bislang ohnehin schon einer Reality-TV-Show ähnelte, nun in eine Art Folge von Akte X, bloß ohne Außerirdische. Noch.

Die andere interessante Beobachtung ist, wie extrem zweigeteilt Amerika heute ist: Amerikaner, die den Demokraten nahestehen mutmaßen, US-Präsident Donald Trump habe Epstein um die Ecke bringen lassen, weil er die laufenden Ermittlungen fürchtete, die rechte Trump-Basis hingegen verdächtigt die Clintons aus dem gleichen Grund. Denn sowohl Trump, als auch Bill Clinton waren Gast auf Epsteins Partys. Trump, natürlich, tweetete prompt, dass Epstein wohl tot sei, weil er zu viel über die Clintons wusste. Nun ermittelt Trumps Generalsstaatsanwalt William Barr, aber auch das FBI, wie Epstein überhaupt sterben konnte.

Aber von vorne: Am Morgen des 10. August wurde Jeff Epstein tot in seiner Zelle aufgefunden; Tod durch Erhängen. Erstaunlich, denn eigentlich wird Untersuchungs-Häftlingen alles abgenommen, womit sie sich umbringen können. Und schon vor drei Wochen hatte er einen Selbstmordversuch in ähnlicher Weise begangen, er sollte deshalb unter ständiger Beobachtung der Wachen stehen. Aber das war offensichtlich nicht der Fall. Warum? Überarbeitung, zu viele Überstunden der Wächter, hieß es. Wirklich? Er hatte zwischendurch einen Zellengenossen, einen Polizisten namens Nicholas Tartaglione, der wegen einer Mordanklage einsaß, aber als Epstein starb, war er alleine.

Verkauf junger Mädchen an Prominente

Epstein war ein New Yorker Finanzmakler, der vielleicht, vielleicht aber auch nicht Milliardär war. Er lebte auf großem Fuß, im schicken Villenviertel Palm Beach in Florida, mit einer eigenen Insel – die Trump prompt „Pädophilie-Insel“ taufte – und er hatte ein Stadthaus an New Yorks feiner Upper East Side, aber wer das alles bezahlte, ist nicht unklar. Geld floss in und aus den USA; über ausländische Konten auf den Cayman Islands in der Karibik; seine amerikanischen Konten waren bei JP Morgan Chase und Deutsche Bank, die sich nun hastig distanzieren und Kooperation mit den Behörden versprachen. Hauptsächlich verdiente er sein Geld damit, dass er den Reichtum anderer Leute managte, Lesley Wexler war der bekannteste davon, ein Kaufhauskönig.

Aber Epstein betrieb auch einen Prostitutionsring, der sehr junge Mädchen, teilweise unter 14 Jahren, an Prominente verkaufte, oft gegen deren Willen. Bereits 2008 war Epstein wegen Zuhälterei und Missbrauch Minderjähriger verurteilt worden. Inzwischen gibt es 36 Mädchen, die ihn der sexuellen Belästigung oder Vergewaltigung beschuldigen. Lange Zeit wehrte er sich gegen die US-Ermittler mit einer Armada hochbezahlter Anwälte, allen voran die in Paris geborene Ghislaine Maxwell, die auch seine Freundin und Managerin war. Im Juli aber, als Epstein in seinem Privatjet von einem Frankreichtrip zurückkehrte, wurde er in Untersuchungshaft genommen und auch nicht, wie sonst üblich, auf Kaution freigelassen, da die Justiz Fluchtgefahr annahm.

Parties mit Clinton und Trump

Das interessante an Epstein sind seine illustren Bekannten aus Politik und Wirtschaft, allen voran Trump und Clinton. Beide waren auf Epsteins Partys, es gibt Fotos von beiden, wie sie mit Epstein posieren, wenngleich beide behaupten, das sei lange her, und sie hätten nichts davon gewusst, dass Minderjährige missbraucht würden. Clinton ist mit Epsteins Privatjet mitgeflogen, aber auch Trump. Das war in der Zeit als Trump und die Clintons noch miteinander befreundet waren – beide Clintons waren zu Trumps dritter Hochzeit eingeladen. Trump machte zudem mit Epstein Geschäfte und nannte ihn 2002 einen „großartigen Kerl“.

Es gab auch eine Veranstaltung in Trumps Villa in Florida, Mar-A-Lago, wo 18 Mädchen eingeladen waren, die für einen Kalender posierten. Die einzigen männlichen Gäste waren Epstein und Trump. Trump sagt heute, er habe sich mit Epstein über einen Immobiliendeal zerstritten; es ging um den Kauf einer Villa in Florida, wo Trump letztlich Epstein überbot. Trump hat die Immobilie danach an den russischen Geschäftsmann Dmitry Rybolovlev weiterverkauft. Den Clintons wiederum wird von US-Rechten immer wieder vorgeworfen, sie ermordeten ihre politischen Gegner; prominentestes Beispiel ist der Clinton-Berater Vince Foster, der Selbstmord beging; manche Amerikaner glauben, daran sei Hillary schuld.

Verschwörungstheorien werden wieder hoffähig

Auch andere prominente Namen schwirren herum, darunter der  von Alan Dershowitz, bekannter Anwalt seit dem Mordprozess gegen den Football-Star O.J. Simpson (der eine Massage in Unterhosen einräumte, die ganz harmlos gewesen sei) oder der britische Prinz Andrew. Zwar kann Epstein nichts mehr erzählen, aber es ist gut möglich, dass irgendwo Dokumente oder Fotos vorhanden sind.

Amerika ist gewiss an Verschwörungstheorien nicht arm; die bekannteste davon die um das Attentat auf John F. Kennedy. Noch immer glauben viele Amerikaner, der Mörder Lee Harvey Oswald sei kein Einzeltäter gewesen, oder vielleicht sogar überhaupt nicht der Täter. Diese Frage konnte damals nicht restlos geklärt werden, auch weil Oswald, noch im Polizeigewahrsam, von Jack Ruby erschossen wurde, einem Nachtclubbesitzer aus New Orleans. Gab es im Falle Epstein einen Jack Ruby? Und wer könnte das gewesen sein? Einen Effekt dürfte die Epstein-Saga auf alle Fälle haben: Verschwörungstheorien werden in den USA damit wieder hoffähig. Schwerer allerdings werden es Romanautoren haben, denn die Wirklichkeit lässt sich nicht mehr toppen.

Über Selbsttötungen berichten wir in der Regel nicht – es sei denn, die Umstände der Tat führen zu einer besonderen Aufmerksamkeit. Sollten Sie selbst das Gefühl haben, Hilfe zu benötigen, dann wenden Sie sich bitte umgehend an die Telefonseelsorge. Dort können Sie kostenlos und anonym unter 0800-1110111 oder 0800-1110222 mit Beratern sprechen, die Ihnen helfen können, Auswege aus schwierigen Situationen zu finden.

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