Iran - Viele Wege führen nach Teheran

Wie geht man am besten mit dem Iran um? In dieser Frage scheiden sich im Westen die Geister. Obwohl die diplomatischen Strategien alle sehr unterschiedlich sind, ist keine von ihnen erfolgreich. Wieso?

Was ist der beste Umgang mit Ali Chamenei, dem obersten Religiösen Führer des Iran? / picture alliance
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Chiara Thies ist freie Journalistin und Vorsitzende bei next media makers.

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Der Westen scheint momentan in einer Sackgasse zu stecken, wenn es um den Iran geht. Während die USA das Atomabkommen aufgekündigt haben, und das Land mit Sanktionen strafen, versucht die EU krampfhaft am Abkommen festzuhalten. Keiner der beiden Wege kann Erfolg haben, denn letztlich wird immer das Regime gestärkt.

Das Atomabkommen unter dem US-Präsidenten Barack Obama war eine „märchenhafte Zeit für den Iran“, sagt M. Naderpour, ein iranischer Journalist (Name von der Redaktion geändert). Das Regime hatte Zeit durchzuatmen, sich neu zu strukturieren und vor allem: Geld aus den USA. Sofort haben sie dieses in Aufrüstung des Militärs fließen lassen. Als der jetzige Präsident Donald Trump das Atomabkommen aufgekündigt hat, war er sich sicher, dass der Iran zurück an den Verhandlungstisch kommen werde. Doch das ist nicht geschehen. Der oberste Religiöse Führer, Ali Chamenei, vertritt erneut eine harte Linie gegenüber den USA. Und was Chamenei sagt, wird umgesetzt. Präsident Hassan Ruhani hat keine Macht, kann den politischen Kurs des Landes nicht bestimmen. Momentan schicken die USA also kontinuierlich Gesprächsangebote raus, die vom Iran ebenso kontinuierlich abgelehnt werden.

EU-Hilfsgelder führen ins Leere

Und so kamen beim Syriengipfel auch nur Russland, die Türkei und der Iran in Teheran zusammen. Die drei Präsidenten der Länder versuchten vergeblich sich auf eine gemeinsame Linie im Kampf um Idlib zu einigen. Aber nicht nur die USA bleiben bei diesen Gesprächen außen vor: Auch die EU fehlte. Die Staatengemeinschaft, die den Iran mit 50 Millionen Euro Hilfsgeldern unterstützen möchte. Außenminister Heiko Maas konnte im Vorfeld nur auf seinen türkischen Amtskollegen einreden. Doch ob das europäische Geld wie geplant bei iranischen Kleinunternehmen ankommt, ist fraglich.

Das Budget und die Hilfsgelder für die Katastrophenhilfe Anfang dieses Jahres in Kermanshah und aktuell Kerman wurden ebenfalls veruntreut. Das Geld floss in das Militär und den Aufbau syrischer Städte, so Naderpour. Sollte die EU den Iran also mit 50 Millionen Euro unterstützen, wird es wahrscheinlich ebenfalls dafür verwendet werden. Wer den Menschen im Iran helfen will, muss direkt die Produkte von Klein- oder Mittelstandsunternehmern kaufen, findet die iranische Menschenrechtsaktivistin und Nobelpreisträgerin Shirin Ebadi. Das wird mit den neuen Wirtschaftssanktionen der USA jedoch immer schwieriger. Denn diese werden vom Regime direkt an die Bevölkerung weitergegeben.

Schiitische Schutzmacht?

Die Korruption hat alle Lebensbereiche erfasst. Immer wieder werden neue Skandale offengelegt. Damit existiert die iranische Gesellschaft nicht mehr. Jeder denkt nur noch an sich selbst, sagt Naderpour. In den vergangenen Monaten horteten Regierungsangestellte Geld, Basisnahrungsmittel und Medikamente. Sogar der große Basar in Teheran ist geschlossen, die Preise sind durch die Inflation so stark gestiegen, dass de facto keine Kaufkraft mehr besteht. Auch die Waren werden immer knapper und knapper. Angespannt blickt die Bevölkerung auf November, wenn die zweite Sanktionswelle der USA in Kraft tritt. Die Händler sonnen sich derweil am Kaspischen Meer. Der Norden des Iran ist traditionell reicher, weshalb die Händler dort potenzielle Kunden haben.

Auch vor dem Atomabkommen haben die Sanktionen schon nicht geholfen, das Machtstreben des iranischen Regimes einzudämmen. Der Iran sieht sich als natürliche Schutzmacht der Schiiten an. Anfangs waren das neben dem Iran auch der Irak, Syrien und Libanon. Deswegen ist der Iran militärisch in Syrien und beansprucht einen „Schutzkorridor“ für sich. Mittlerweile sind auch Länder wie Bahrain, Jemen, Afghanistan, Aserbaidschan und andere im Schutzmacht-Begriff aufgenommen. Das ängstigt die umliegenden sunnitischen Länder, weshalb diese Waffen kaufen. „Drohungen aus dem Iran sind für die Vereinigten Staaten oder Israel der einfachste Weg, Waffen im Nahen Osten zu verkaufen“, fasst Naderpour zusammen.

Auch Präsident Trump hat sich in der Idlib-Frage eingeschaltet und eine rote Linie gezogen. Sollte Giftgas eingesetzt werden, greifen auch die Vereinigten Staaten in den Konflikt ein. Außerdem warnt er Iran und Russland, sich aus den Bombardements heraushalten. Langsam wirkt es im Syrienkrieg wie: Wer hat noch nicht, wer will nochmal? Beinahe vergisst man, dass es eigentlich um Menschenleben geht.

Trump hat sich verkalkuliert

Doch damit nicht genug, auch an anderer Front verschärft Trump den Konflikt zwischen den beiden Regierungen weiter. Die USA haben gegenwärtig den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat. Der US-Präsident will eine Sondersitzungen zum Iran einberufen und dieser selbst vorstehen. Damit brüskiert er natürlich das iranische Regime, aber das ist nicht das Problem. Er verstärkt damit die Angst und Verunsicherung vor den USA in der iranischen Bevölkerung. Denn Chamenei skandiert längst verstärkt wieder Anti-Amerika-Reden, während seine Bürger einen Krieg fürchten – egal, wer ihn beginnt.

Denn im Iran dauern die nationalen Proteste weiter an, werden immer systemkritischer. Noch ist die Furcht vor den gewaltbereiten Revolutions- und Polizeigarden groß. „Ruhe ist im Interesse aller. Wir wollen keinen Bürgerkrieg. Brüder und Schwester sollen sich nicht umbringen“, sagt die Menschenrechtsaktivistin Ebadi. Steigt die Inflation jedoch weiter an, wird es in dem Land nicht ruhig bleiben. Schon jetzt fehlt es am Nötigsten.

Und genau hier können beispielsweise die USA ansetzen. Statt generelle Wirtschaftssanktionen auszusprechen, könnten sie gezielt Regimeangehörige sanktionieren. So lassen sie momentan allein die Bevölkerung leiden. Auch Hilfsgelder aus der EU unterstützen letztlich nur die Machthaber. Das hält das iranische Regime aber nicht von dem Bau einer Atombombe ab – und das sollte doch eigentlich das Ziel sein.

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