Feminismus in der Entwicklungspolitik - Gut gemeint ist nicht gut gemacht

Außenministerin Annalena Baerbock und Entwicklungsministerin Svenja Schulze haben am 1. März Leitlinien für eine „feministische Außen- und Entwicklungspolitik“ vorgestellt. Doch den von Baerbock angekündigten „Realfeminismus“ sucht man in einer sehr weit gefassten, eurozentristischen Perspektive vergeblich.

Svenja Schulze (SPD) und Annalena Baerbock (Die Grünen) verfolgen eine eurozentristische Außenpolitik/ dpa
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Autoreninfo

Katharina Hopp ist Referentin für Entwicklungspolitik in der Abteilung Agenda 2030 der Konrad-Adenauer-Stiftung.

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Am 1. März hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) seine Strategie für eine feministische Entwicklungspolitik präsentiert. Parallel dazu wurden auch die Leitlinien für eine feministische Außenpolitik des Auswärtigen Amts (AA) vorgestellt.

Zweifellos ist die Förderung der Rechte von benachteiligten Personen, nicht zuletzt gemäß der in der UN-Menschenrechtscharta postulierten Rechte, ein wichtiges Ziel deutscher Entwicklungszusammenarbeit. Der Begriff „Feminismus“, der die Förderung von Mädchen und Frauen suggeriert, ist hier jedoch nicht angemessen und führt zu Missverständnissen, besonders in der Kommunikation mit Partnerländern. Gravierender noch: Die im Konzept angestrebte Zusammenlegung verschiedener Zielgruppen lässt den nötigen Fokus auf Geschlechtergleichstellung in der Entwicklungszusammenarbeit vermissen.

Dieser aber ist unabdingbar, um den spezifischen Bedürfnissen von Mädchen und Frauen gerecht zu werden. Anstatt also deren Förderung deutlich in den Mittelpunkt zu stellen, werden unter dem Begriff des Feminismus die Rechte wirklich aller marginalisierten Gruppen zusammengefasst. Das ist gut gemeint, aber angesichts der Realität in vielen Ländern kaum umsetzbar. Hinzu kommt: Unter diesem breit ausgelegten Verständnis von Feminismus bleibt unklar, welchen Projektanteil die Rechte von Mädchen und Frauen überhaupt noch einnehmen. Nur weil Feminismus auf der Verpackung steht, hilft das Produkt nicht zwangsläufig gegen die tatsächlichen Symptome.

Eurozentrismus als Bevormundung?

Keine Frage: Für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ist die Förderung von Geschlechtergleichstellung seit vielen Jahren ein wichtiges Anliegen. Zweifelhaft ist jedoch, wie erfolgreich die Zusammenarbeit in kulturell fremden Kontexten mit einer Strategie sein kann, die eine eurozentristische Perspektive aufweist. Indem z.B. betont wird, dass „Geschlecht“ ein nicht-binäres Verständnis zugrunde liegt, was vermutlich selbst vielen Menschen hierzulande eher fremd erscheint, wird den lokalen Frauenrechtsorganisationen im globalen Süden nicht geholfen. Anders als in Berlin oft gedacht: Ein Automatismus zwischen dem Engagement für Mädchen- und Frauenrechte und dem Einsatz für die Rechte von LGBTQI+ Personen existiert nicht. Besonders nicht in anderen Kulturkreisen.

 

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Zudem werden Frauenrechtlerinnen in Entwicklungsländern ohnehin häufig mit dem Vorwurf der „Verwestlichung“ diskreditiert. Mit einer feministischen Strategie an der Hand wird ihre Arbeit weiter erschwert. Kurzum: Die neue Strategie des BMZ bietet anstelle einer Orientierung weiteres Angriffspotenzial gegen lokale Frauenrechtsorganisationen, die im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit unterstützt werden. Gleichzeitig bleibt unklar, wie sowohl mit Partnerregierungen als auch mit zivilgesellschaftlichen Organisationen umzugehen ist, die die Ziele des BMZ ablehnen. Trotz wohlgemeinter Intentionen riskiert die Strategie, in vielen Entwicklungsländern als bevormundend wahrgenommen zu werden. Den Anspruch, eine Entwicklungszusammenarbeit auf Augenhöhe zu verfolgen, erfüllt die Strategie damit nicht. Der Vorwurf des Neokolonialismus spielt insbesondere Akteuren wie China und Russland in die Hände, die stolz hervorheben, sich nicht in die kulturellen Fragen ihrer Partnerländer einzumischen, und dafür vielfach Respekt ernten.

Finanzierung unklar

Für Vorhaben, die Geschlechtergleichstellung als Hauptziel fördern, ist eine Steigerung der Projektmittel von derzeit rund 4 Prozent auf 8 Prozent geplant. Der BMZ-Haushalt, der dieses Jahr bei über 12 Milliarden Euro liegt, droht 2024 jedoch drastisch zu sinken. Die neue Strategie erklärt nicht, an welchen Stellen zukünftig gekürzt wird, um den feministischen Ansatz zu finanzieren. Angesichts zunehmender multipler Krisen, wie z.B. der Covid-19-Pandemie, die sich ganz besonders zulasten von Mädchen und Frauen ausgewirkt und sie vielerorts in ihrer Entwicklung zurückgeworfen haben, wäre es aber wichtig, Geschlechtergleichstellung in den Fokus der Entwicklungspolitik zu rücken. Die Umsetzung einer solchen Politik muss aber zugleich in die jeweiligen länderspezifischen Kontexte eingebettet sein, damit sie funktionieren kann.

Geschlechtergerechtigkeit nicht revolutionär

Außerdem: Die Ziele einer feministischen Entwicklungspolitik sind nicht gänzlich neu, wie von Frau Schulze suggeriert. Die Förderung von Mädchen und Frauen ist in der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit durch die Beachtung von Geschlechtergerechtigkeit (sog. „Gender Mainstreaming“) in Projekten bereits gängige Praxis. Auch ist die in der Strategie erwähnte Stärkung von LGBTQI+-Menschenrechten nicht revolutionär. Schon in der letzten Legislaturperiode hatten sich beide Ministerien ein Inklusionskonzept für LGBTQI+-Personen auf die Fahnen geschrieben, welches im März 2021 von der großen Koalition unter CDU/CSU und SPD verabschiedet wurde. Aktuell knüpft das BMZ damit weiter an die Ausrichtung der Vorgängerregierung unter Angela Merkel an. Der Grundgedanke ist also weder sonderlich neu noch kontrovers. Die Förderung von Menschenrechten gehört natürlich auch in den Fokus von Entwicklungszusammenarbeit. Die Schwerpunkte der feministischen Strategie sind allerdings falsch gesetzt.

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