Federica Mogherini - Die Machtlose

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hat viel zu tun. Sie versucht das Atomabkommen zwischen EU und Iran aufrecht zu erhalten und Syrien zu befrieden. Inzwischen darf sie in Brüssel nur noch die Scherben zusammenkehren

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Die Italienerin Federica Mogherini steht vor einem Scherbenhaufen – sowohl in Brüssel, als auch in Rom / picture alliance
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Eric Bonse berichtet seit 2004 aus Brüssel über Europapolitik. Er betreibt auch den EU-Watchblog „Lost in Europe“.

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Ein unscheinbares Agenturfoto hätte Federica Mogherini beinahe ihre Karriere gekostet. Es zeigt die Italienerin im Kreml, wie sie Wladimir Putin die Hand schüttelt. Der Griff wirkt fest, der Blick verbindlich. Die Aufnahme entstand bei ihrer ersten Reise nach Moskau im Juli 2014, Mogherini war damals noch italienische Außenministerin.

Wer Putin so freundlich begegne, könne unmöglich für die Europäische Union sprechen, hieß es wenige Wochen später, als sich Mogherini in Brüssel für das Amt des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik bewarb. Vor allem Osteuropäer warfen ihr, der linken Sozialdemokratin, eine zu große Nähe zu Russland vor. Mogherini bekam das Amt trotzdem. Die damals 41-Jährige kandidierte für die europäischen Sozialisten, und die brauchten jemanden wie sie. Weiblich und sozialdemokratisch, so lautet die Stellenbeschreibung für das Amt des Außenvertreters in Brüssel. Italiens Ex-Premier Matteo Renzi boxte Mogherini durch.

Sie darf nur noch Scherben zusammenkehren

Doch das Foto mit Putin verfolgt sie noch heute. Es ist zum Symbol geworden – für eine ehrgeizige EU-Politikerin, die angetreten war, das Verhältnis zu Russland zu entkrampfen, und die nun mitansehen muss, wie ein neuer Kalter Krieg beginnt. 2014 konnte Mogherini noch optimistisch nach Moskau reisen, heute ist das undenkbar geworden. Denn die Russlandpolitik macht nicht sie, die resolute „Außenministerin“ der EU. Die Russlandpolitik machen Deutschland und Frankreich, neuerdings auch Großbritannien und die britischen Geheimdienste, die nach der Vergiftung des ehemaligen russischen Doppelagenten Sergej Skripal massive Vergeltung geschworen haben.

Gewiss, auch Mogherini hatte kurz mit dem „Fall Skripal“ zu tun. Sie durfte ein Treffen der EU-Außenminister in Brüssel leiten und Moskau mit Konsequenzen drohen. Doch bei der Ausweisung Dutzender russischer Diplomaten wurde sie schon nicht mehr gefragt. Sie darf nur die Scherben zusammenkehren – und davon gibt es viele. Denn nun ist ausgerechnet das zerbrochen, worauf Mogherini besonders stolz war: die Einheit der 28 EU-Staaten. Neun Mitgliedsländer haben sich der Strafaktion gegen Russland verweigert, die gemeinsame Außenpolitik existiert nur noch auf dem Papier.

Den undankbaren Job in Wort und Tat aufwerten

Als Mogherini ihr Amt in Brüssel antrat, war die anfängliche Skepsis schnell verflogen. Dabei galt sie nicht nur als Putin-freundlich, sondern auch als unerfahren. Nur ein halbes Jahr hatte sie zuvor als Außenministerin in Rom gedient, diplomatische Erfolge konnte sie keine vorweisen. Doch die Tochter des Filmregisseurs Flavio Mogherini, der unter anderem mit Pier Paolo Pasolini gearbeitet hatte, erwies sich als Glücksgriff. Sie fand sich in Rekordzeit in den neuen Job ein und stellte bald ihre unbeliebte Amtsvorgängerin Catherine Ashton in den Schatten. Ashton schwänzte Pflichttermine und nervte Journalisten mit Kommunikationsverweigerung. Ganz anders Mogherini: Sie geht auf die Presse zu und versteht es sogar, wohlklingende Begriffe zu prägen. Dass die umstrittene EU-Marinemission vor der libyschen Küste Sophia heißt und nicht mehr nur ­EUNAVFOR MED, ist ihr Verdienst.

Auch sonst versucht Mogherini, ihren undankbaren Job in Wort und Tat aufzuwerten. Sie spricht von „europäischen Interessen“ und bezeichnet Europa als „unverzichtbare Macht“. Nach der Wahl von US-Präsident Donald Trump erklärte sie sogar, die EU sei „eine Supermacht, die an Multilateralismus und Zusammenarbeit glaubt“. In der Praxis aber stößt sich die Politikwissenschaftlerin immer wieder an nationalen Interessen. Besonders schmerzlich war dies 2016, als Mogherini eine neue außenpolitische Strategie vorlegen wollte. Mit Rücksicht auf das britische EU-Referendum wurde der Termin immer wieder verschoben; am Ende schenkte dem Dokument kaum jemand Beachtung.

Europas letzte prominente Sozialdemokratin

Nach dem Brexit-Votum wurde es nicht besser: Seither ist Mogherini vor allem damit beschäftigt, die Außenminister zusammenzuhalten. Gegen Putin, aber auch im Streit mit Trump müssten die Europäer geschlossen auftreten, so ihr Credo. Es geht fast nur noch um Schadensbegrenzung, für hochfliegende Visionen bleibt keine Zeit. Dennoch werden Mogherini auch heute noch große Ambitionen nachgesagt. Sie gilt als Europas letzte prominente Sozialdemokratin – und als einzige Frau mit linker Vergangenheit, die bei der Europawahl 2019 Chancen haben könnte. Dazu bräuchte sie allerdings Rückendeckung aus ihrer Heimat Italien.

Doch seit der Erdrutschwahl im März sind die italienischen Sozialdemokraten in der Versenkung verschwunden, Mogherinis einstiger Mentor Renzi hat abgedankt. Europas machtlose Außenministerin steht vor einem Scherbenhaufen – nicht nur in Brüssel, sondern auch zu Hause in Rom.

Dies ist ein Artikel aus der Mai-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder in unserem Online-Shop erhalten.













 

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