Joe Bidens Disinformation Governance Board - Wie sich eine US-Fake-News-Behörde selbst zerlegte

Der Streit um das „Disinformation Governance Board“ ist nur der neueste Dreh im gespalteten Amerika, wo Rechte und Linke einander Desinformation vorwerfen. Die Fake-News-Behörde war nicht nur wegen ihrer Direktorin Nina Jankowicz umstritten, sondern auch aufgrund der vermeintlichen „Laptop Conspiracy“ um Joe Bidens Sohn Hunter.

Doch der Besitzer: Die Geschichte um Hunter Bidens Laptop erklärte die spätere Direktorin des Disinformation Governance Board, Nina Jankowicz, vorschnell zur Verschwörungstheorie russischen Ursprungs / dpa
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Eva C. Schweitzer arbeitet als freie Journalistin für verschiedene Zeitungen in New York und Berlin. Ihr neuestes Buch ist „Links blinken, Rechts abbiegen“.

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Gerade noch hat das „Department of Homeland Security“, die US-Behörde, die für Sicherheit und Terrorismusbekämpfung zuständig ist, ein „Disinformation Governance Board“ annonciert, das Desinformation bekämpfen soll — und schon liegt es auf Eis. Überdies warf die designierte Direktorin Nina Jankowicz das Handtuch. Denn in den USA war das Board schwer umstritten.

Liberale Verteidiger der Pressefreiheit waren dagegen — der Talkshowhost Bill Maher meinte, die Regierung sollte nicht entscheiden, was wahr und was falsch sei. Und außerdem: Wer würde wohl 2025 neuer Wahrheits-Zar? Und rechte Medien, der demokratischen Biden-Regierung gegenüber ohnehin feindselig eingestellt, sprachen von einem „Wahrheitsministerium“ à la Orwell. Vom Department of Homeland Security hieß es, es sei nur darum gegangen, Amerikaner vor Fake News aus dem Ausland zu schützen und den Schmuggel von Migranten zu stoppen. Welche Kompetenzen dieses Board tatsächlich haben sollte, ist völlig unklar.

Linke und Rechte werfen einander Fake-News-Kampagnen vor

Nina Jankowicz wurde durch ihre Bücher „How to Be a Woman Online“ und „How to Lose the Information War“ bekannt, das sich gegen russische Einflussversuche in Social Media richtet. Jankowicz ist Amerikanerin, aber ihre Familie ist polnisch-ukrainisch; ihr Großvater wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von Stalins Truppen als Zehnjähriger aus Ostpolen in ein Arbeitslager verschleppt. Sie selber war 2017 als Fulbright-Stipendiatin in Kiew und beriet die ukrainische Regierung in Sachen Kampf gegen Desinformation. Eine ihrer Ideen ist, dass bestimmte, überprüfte Twitter-Nutzer die Tweets andere Nutzer überarbeiten können, falls diese Fehlinformationen enthielten.

Der Streit um das „Disinformation Governance Board“ ist nur der neueste Dreh im gespalteten Amerika, wo Rechte und Linke einander Desinformation vorwerfen. Insbesondere Donald Trump hat seine Politkarriere darauf gegründet, liberale Medien zu Feindbildern zu erklären, die Fake News verbreiteten. Umgekehrt werfen Liberale Trump-unterstützenden Medien wie Fox News vor, Lügen zu produzieren, und demokratische Strategen vermuteten, dass von Putin bezahlte russische Trolle in den Sozialen Medien den Wahlkampf von Trump von 2016 beeinflusst haben.

Die Verschwörungstheorie, die doch keine war

Und während Trumps Berater Paul Manafort den Putin-treuen, in der Maidan-Revolution geschassten ukrainischen Premier Viktor Fedorovych Yanukovych unterstützt hat, hat Hunter Biden, der Sohn des Präsidenten, Millionen von Dollar mit Beratertätigkeiten für den ukrainischen Gaskonzern Burisma verdient, der unter Korruptionsverdacht steht. Dass dies problematisch ist, wurde nach der sogenannten „Laptop Conspiracy“ klar: Ein Laptop, der Hunter Biden gehörte, wurde in Delaware gefunden. Darauf befinden sich Emails, wonach Bidens Rolle in der Ukraine nicht so richtig koscher war. Jankowicz hatte dazu erklärt, bei der Laptop-Verschwörung handele es sich um eine russische Desinformationskampagne. Das war, nach alledem, was wir heute wissen, falsch.

Klar aber ist: Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist auch eine Art Stellvertreterkrieg zwischen Republikanern und Demokraten. Die Demokraten haben sich auf die Seite der Ukraine gestellt, bei den Republikanern ist das Feld gespalten. Zwar gibt es unter moderaten Konservativen Verteidiger der Ukraine. Die Rechtsausleger von CPAC — Conservative Political Action Committee —  hingegen hatten im Mai den ungarischen Premier Victor Orbán als Gastredner geladen, einer der wenigen europäischen Staatschefs, der sich nicht offen gegen Putin gestellt hat. Und Fox-News-Anchor Tucker Carlson, einer der bekanntesten Rechtspopulisten der USA, hatte kommentiert, der Biden-Regierung gehe es gar nicht um die Demokratie in der Ukraine, sondern um einen Regime Change in Moskau, und die Ukraine solle lieber verhandeln als kämpfen.

Republikaner halten Behörde für Partei-Instrument

Kein Wunder also, dass die Biden-Regierung gerade jetzt, wo Amerika womöglich tatsächlich in den Krieg verwickelt wird, gerne die Lufthoheit in der Debatte hätte. Unterstützt werden sie von Zeitungen wie der New York Times und der Washington Post, die den Rechten vorwerfen, eine Hetzkampagne gegen Jankowicz losgetreten zu haben.

Für Putin-freundliche Republikaner und unterstützende Medien aber ist Jankowicz keine Wahrheitshüterin, sondern eine demokratische Parteigängerin, die ein von Demokraten gesponsertes Wahrheitsministerium nutzen will, die Talkings Points der Demokraten unter das Volk zu bringen und Biden-Kritikern wie Carlson den Mund zu verbieten. Aufgegeben wurde die Idee eines „Disinformation Governance Board“ allerdings nicht. Das Department of Homeland Security holt derzeit den Rat von Michael Chertoff und Jamie Gorelick ein, die beide früher für das Department gearbeitet haben.

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