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„Die Pressefreiheit gilt auch für Wikileaks“

Der politische und juristische Druck auf Wikileaks wächst, auch wenn der der Chef der Internet-Plattform, Julian Assange, heute aus der Untersuchungshaft frei kommen könnte. In einem Appell, der am Donnerstag in Deutschland veröffentlicht wurde, stellen sich Zeitungen, Journalisten und Menschenrechtsorganisationen hinter Wikileaks und verurteilen die Angriffe auf die Organisation. Cicero Online sprach darüber mit dem Rechtsanwalt und Menschenrechtsaktivisten Wolfgang Kaleck, der zu den Erstunterzeichnern der Erklärung gehört.

Herr Kaleck. Sie gehören zu den Erstunterzeichnern eines Appells, der die Internetplattform Wikileaks gegen verbale Angriffe der US-Regierung und gegen Versuche, die Veröffentlichung von geheimen amerikanischen Regierungsdokumenten juristische zu verfolgen, in Schutz nimmt. Warum gerät die Pressefreiheit damit in Gefahr? Zunächst einmal muss festgestellt werden, auch Wikileaks ist durch die Pressefreiheit geschützt, das scheint für viele Beteiligte an der aktuellen Diskussion nicht selbstverständlich zu sein. Für Wikileaks gilt das Recht auf Pressefreiheit, auch wenn sich deren Methoden von dem Journalismus etablierter Medien fundamental unterscheiden. Auch die Mitarbeiter von Wikileaks sind Journalisten und sie genießen damit die gleichen Rechte wie alle Journalisten. Jetzt wird versucht, Wikileaks diesen Schutz abzusprechen. Die juristische Verfolgung von Wikileaks ist genauso ein Angriff auf die Pressefreiheit, wie es die Durchsuchung der Redaktionsräume von Cicero vor fünf Jahren war. Aber der Leumund von Wikileaks wirft doch die eine oder andere Frage auf. Gegen die Arbeitsweise von Wikileaks und gegen den Gründer Julian Assange ließe sich sicher einiges kritische Anmerken, aber darum geht es hier nicht, es geht ums Prinzip. Da geht es nicht um eine Organisation, ihre Gründer und ihren Frontmann Was ist das Prinzip Wikileaks? Dahinter steht das Recht, das Medien geheime Dokumente, die ihnen aus staatlichen Institutionen zugespielt werden, veröffentlichen dürfen. Das ist eine exemplarische gesellschaftliche Auseinandersetzung, die mittlerweile weltweit ausgefochten wird. Also geht es wieder um die alte Auseinandersetzung zwischen Journalisten und dem Staat. Wir leben in einem Land, das einen Friedensnobelpreisträger gehabt hat, der im Konzentrationslager ums Leben gekommen ist, weil er genau das getan hat. Carl von Ossiezky wurde 1931 nach einem Artikel über die geheime Rüstung der Reichswehr wegen Verrats militärischer Geheimnisse zu 18 Monaten Haft verurteilt. Auch daran muss man in dieser Situation erinnern. Auch in den USA hat das leaken von Informationen eine lange Tradition und auch in den USA sind immer wieder Journalisten deshalb kriminalisiert worden. Diese Auseinandersetzung ist so alt, wie es Medien gibt. Es immer dieselbe Frage, was muss geheim bleiben und was darf von Journalisten veröffentlicht werden. Und darf der Staat Journalisten bestrafen, die sich geheime Dokumente verschafft haben. Bei den Veröffentlichungen von Wikileaks sprechen wir doch von einer völlig neuen Qualität der Veröffentlichung von Geheimdokumenten. Das ist Richtig. Natürlich leben wir im Internetzeitalter. Heute gehen Informanten nicht mehr mit einem Aktenordner aus dem Büro, sondern mit einem USB-Stick. Wir reden also nicht über einzelne Dokumente, sondern riesige Datenmengen. Das bedeutet aber auch, dass Journalisten eine andere Verantwortung haben. Völlig klar. Aber unser Appell beschäftigt sich nicht mit der Qualität der journalistischen Arbeit von Wikileaks. Zu einem angemessenen investigativen Journalismus gehört es sicher auch, Dokumente nicht nur zu veröffentlichen, sondern auch zu bewerten und in den politischen und gesellschaftlichen Kontext zu stellen. Und Informanten zu schützen, gefährden die Veröffentlichungen von Wikileaks die Quellen der USA zum Beispiel in arabischen Staaten? Ich kann das nicht in jedem Fall beurteilen., aber soweit ich weiß, wird bei Wikileaks daran gearbeitet, die Sicherheit der Quellen zu gewährleisten. Bislang ist dies deshalb aus meiner Sicht nur eine unbewiesene Behauptung, mit der in den USA gegen Wikileaks Stimmung gemacht wird. Die Wikileaks-Mitarbeiter werden als „Terroristen“ bezeichnet und es wird gefordert diese wie Terroristen zu verurteilen. Warum tun sich viele klassische Journalisten so schwer damit, im Falle von Wikileaks die Pressefreiheit zu verteidigen? Viele erfahrene ältere Journalisten befinden sich hier durchaus in einem Dilemma, denn sie haben eine völlig andere Arbeitsweise. Deshalb geht es auch um einen Generationenkonflikt. Und sicher es auch etwas mit dem Gestus zu tun, mit dem viele Internet-Journalisten auftreten. Das Gespräch führte Christoph Seils. Lesen Sie hier den Wortlaut des Appells

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