Ermittlungen gegen Donald Trump - Das FBI schlägt zurück

Ex-Präsident Donald Trump droht eine Anklage auf Basis des Anti-Spionage-Gesetzes. Das stammt noch aus der Zeit des Ersten Weltkriegs und sollte damals jeglichen Protest gegen einen amerikanischen Kriegseintritt unterbinden. In den vergangenen Jahren wurde es häufig dazu missbraucht, Whistleblower wie Edward Snowden mundtot zu machen. Linke und Liberale hat das seinerzeit noch empört - heute geben sie dem FBI und den Geheimdiensten Schützenhilfe.

Irgendwas wir schon hängenbleiben: Donald Trump / dpa
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Gregor Baszak ist freier Journalist und lebt in Chicago. Er publizierte unter anderem in The American Conservative, Makroskop und UnHerd.

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Erinnern Sie sich an das Jahr 2013: Die Welt war erstaunt, wie heroisch dieser 30-jährige Mann sein konnte. Er ließ ein bequemes Leben auf Hawaii und seine attraktive Frau zurück und riskierte gar sein eigenes Leben. Und all das, um die Welt auf das illegale globale Überwachungssystem des amerikanischen Geheimdienstes NSA aufmerksam zu machen. Sein Name war Edward Snowden, und nachdem er den Journalisten Laura Poitras und Glenn Greenwald die Rohdaten zugespielt hatte, die die Machenschaften der NSA aufdeckten, veröffentlichten der Guardian, die Washington Post, der Spiegel und viele andere Publikationen die Ergebnisse. Das Prestige der amerikanischen Geheimdienste lag am Boden. Es wirkte wie ein Zeitenwandel. Doch Snowden selbst hing in Moskau fest, nachdem ihm die USA den Transit ins bolivianische Asyl verwehrt hatten. Wäre Snowden in die Arme der Amerikaner geraten, hätte ihm sogar die Todesstrafe wegen Hochverrats gedroht – auf Grundlage des Espionage Act.

Dass der damals amtierende US-Präsident Barack Obama ernst machen würde, wusste jeder. Obama ging in die Geschichtsbücher ein als derjenige Präsident, der so viele Journalisten wie noch keiner seiner Vorgänger ausspionieren und ihre anonymen Quellen ins Gefängnis werfen ließ, alles unter Bezug auf den Espionage Act. Doch seine Nemesis, der Celebrity TV-Star Donald Trump, versuchte sich ebenso unnachgiebig im Kampf gegen diesen vermeintlichen Verräter zu zeigen: Im Interview mit seinem Lieblingsfernsehsender Fox News deutete der baldige Amtsnachfolger Obamas an, Snowden gehöre exekutiert.

Welch Ironie, dass Trump nun selbst eine Anklage auf Basis des ausschweifenden Anti-Spionage-Gesetzes droht. Doch verdrücken Sie sich die Schadenfreude, auch wenn Sie Trump nichts abgewinnen können. Gewiss ist er in keiner Weise so kühn und selbstlos wie Snowden, Julian Assange oder Daniel Ellsberg. Und die Chance, Assange und Snowden per präsidialem Akt zu begnadigen, ließ Trump ungenutzt verstreichen. Aber es ändert nichts an der Tatsache, dass der Espionage Act brandgefährlich ist, da er eine erhebliche Einschränkung der Pressefreiheit erlaubt und damit droht, Informanten wie Snowden, die der menschlichen Freiheit einen wichtigen Dienst erweisen, mundtot zu machen.

Die Kritiker haben die Seiten gewechselt

Damals, 2013, war diese Einsicht selbstverständlich, zumindest unter amerikanischen Linksliberalen. Sie protestierten unentwegt gegen Bürgerrechtsverletzungen, die infolge des sogenannten „Krieges gegen den Terror“ begangen wurden. Auch Mainstream-Nachrichtensender wie CNN und MSNBC boten diesen Kritikern regelmäßig eine große Bühne. Heute schweigen im besten Fall viele dieser Kritiker – oder haben das Lager gewechselt. Nachdem der Durchsuchungsbefehl veröffentlicht wurde, mit dem sich Ermittler des FBI am vergangenen Montag Zugang zu Donald Trumps Privatanwesen in Florida verschafft hatten, witzelte der ehemalige Arbeitsminister von Bill Clinton, Robert Reich, Trump würde bestimmt bald um Spenden betteln. Dass Trumps Haus auf Grundlage des Espionage Act durchsucht wurde, tweetete der CNN- und MSNBC-Kommentator Tristan Snell, müsse bedeuten, dass die Beweislage gegen Trump unumstößlich sei. Snell schreibt auf seinem Twitter-Profil, er sei Anwalt. Deshalb müsste er eigentlich wissen, dass in den USA das Prinzip gilt: unschuldig, bis der Gegenbeweis erbracht wurde – vor einem Geschworenengericht aus Trumps Mitbürgern. Ein Durchsuchungsbefehl allein beweist rein gar nichts.

Noch weiter gingen der Historiker Michael Beschloss und Michael Hayden, der unter George W. Bush CIA-Direktor war. Beschloss erinnerte in einem Tweet daran, dass das Ehepaar Julius und Ethel Rosenberg im Jahr 1953 exekutiert wurde, nachdem es der Sowjetunion Atomwaffen-Dokumente zugespielt hatte. „Klingt richtig“, antwortete Hayden. Der Rubikon ist also schon längst überschritten. Denn hier deuten Anhänger der Demokratischen Partei durch die Blume an, sie wünschten sich die Exekution des vermutlich nächsten Präsidentschaftskandidaten der Opposition.

Aber auf welcher Grundlage denn? Archivrecherchen in den 90er-Jahren deckten auf, dass zumindest Julius Rosenberg tatsächlich Staatsgeheimnisse weitergegeben hatte. Trump wird bisher vor allem der Besitz in seinem Privatsafe vorgeworfen. Und ob sie tatsächlich der Geheimhaltung unterlagen oder nicht, ist strittig. US-Präsidenten haben das Recht, unilateral Geheimdokumente freizugeben. Und was genau in diesen Dokumenten stehen soll, wissen nur Trump und die Ermittler. Von Nukleargeheimnissen war in Presseberichten die Rede. Welchen konkret? Das sei geheim. Hier wird zwei Jahre vor den nächsten Präsidentschaftswahlen um Vertrauensvorschuss gebeten, dass bei der Strafverfolgung des eventuell nächsten US-Präsidenten schon alles mit rechten Dingen zugehen werde.

Zweifelhafte Fahndungsmethoden sind Standard beim FBI

Doch es gibt genug Beispiele, den US-Geheimdiensten jegliches Vertrauen zu verwehren. Michael Hayden selbst belog als noch amtierender CIA-Direktor den US-Kongress, als dieser ihn über die Überwachungsmethoden der Geheimdienste befragte – eine Straftat, die mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden kann. Haydens Auftritt blieb folgenlos. Heute darf er als gut bezahlter Kommentator auf CNN das Zeitgeschehen kommentieren.

Bei seiner Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag gab sich der US-Justizminister Merrick Garland erbost darüber, dass Trumps Parteikollegen die Integrität des FBI in Frage gestellt hatten. Denn die Bundespolizei würde bei den Ermittlungen gegen Trump äußerst professionell vorgehen – am selben Abend spielten anonyme Quellen aus dem Umfeld des FBI der Washington Post Informationen über den Stand der Ermittlungen zu.

 

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Und das ist noch das Geringste, für das sich das FBI verantworten müsste. Es ist erwiesen, dass der ehemalige FBI-Anwalt Kevin Clinesmith 2016 den Text einer E-Mail gefälscht hatte, um die Russland-Affäre rund um Donald Trump loszutreten. Ein Richter bezog sich später auf den gefälschten Text, um der Bespitzelung des Trump-Beraters Carter Page stattzugeben. Clinesmith musste keinen einzigen Tag Haft absitzen und hat seine Anwaltslizenz behalten. Dass die FBI-Führungsetage von Schlamperei im Zuge der damaligen Untersuchungen gegen Trump nichts gewusst haben soll, ist stark zu bezweifeln. Von der Tatsache ganz zu schweigen, dass das FBI wiederholt Terrorpläne selbst ausbrütet. Erst im April wurden zwei Männer des Vorwurfs der versuchten Entführung der amtierenden Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, freigesprochen. Während des Prozesses kam heraus, dass das FBI die Mitglieder der vermeintlichen Terrorgruppe zur Entführung angestachelt haben soll. Glenn Greenwald, der 2013 die Snowden-Enthüllungen publizierte, erklärte erst im Januar gegenüber Cicero, dass derartige zweifelhafte Fahndungsmethoden Standard beim FBI seien.

Der Geheimdienstapparat in Washington D.C. ist rachsüchtig

Vertrauen muss man sich verdienen. Es steht einem nicht einfach so zu. Vielmehr fühlt man sich bei der Razzia gegen Trump an einen ungewöhnlich ehrlichen Ausspruch des Demokratischen Senatsführers Chuck Schumer aus dem Jahr 2017 erinnert. Damals sagte Schumer gegenüber der MSNBC-Moderatorin Rachel Maddow, Trump sei „ziemlich dumm“, sich mit den Führungsriegen von CIA und FBI anzulegen. Denn diese hätten jede erdenkliche Möglichkeit, sich an ihm zu rächen. Es war ein seltenes Eingeständnis der nahezu grenzenlosen Macht der amerikanischen Geheimdienste.

Der Espionage Act ist einer dieser Wege. Das Gesetz wurde 1917 erlassen, um praktisch jeglichen zivilen Ungehorsam gegenüber der amerikanischen Teilnahme am Ersten Weltkrieg zu verbieten. Und seither wurde der Espionage Act um vielerlei Befugnisse erweitert und verbietet laut dem amerikanischen Journalisten Matt Taibbi selbst die „bloße Aufbewahrung“ von Geheimunterlagen. Taibbi fügt an, dass in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr staatliche Dokumente als geheim eingestuft wurden, was wiederum die demokratische Kontrolle der Regierung praktisch unmöglich macht. Es ist schwer vorzustellen, dass heute ähnliche Enthüllungen wie die von Snowden möglich wären. Der rachsüchtige Geheimdienstapparat in Washington D.C. hat dafür gesorgt, mit freundlicher Unterstützung treuer Journalisten und prinzipienloser Ex-Liberaler.

Die Beweislast liegt nicht beim Beschuldigten

Was alles nicht heißen muss, dass Trump schuldlos gehandelt hat. Aber zu oft in den vergangenen Jahren stellten sich ähnliche sensationelle Beschuldigungen ihm gegenüber als falsch heraus. Ein letztes Beispiel: Anonyme Geheimdienstbeamte spielten während des Präsidentschaftswahlkampfs 2020 den Medien Informationen zu, wonach die russische Regierung Taliban-Kämpfern in Afghanistan Kopfgeld für getötete US-Soldaten gezahlt haben soll. Trump soll diese Informationen nicht ernst genommen und auch Wladimir Putin nicht damit konfrontiert haben. Im US-Diskurs handelte man Trump gegenüber wie immer nach dem Prinzip „schuldig, bis der Gegenbeweis erbracht wurde“. Weil anonyme Quellen dies behauptet hatten, müsse es schon stimmen, auch wenn sie jegliche Beweise schuldig blieben. Erst letztes Jahr räumte die Biden-Regierung ein, dass die US-Geheimdienste wenig Zuversicht in die Stichhaltigkeit der Vorwürfe habe.

All die genannten Beispiele sollten zeigen, dass die Beweislast auch dieses Mal beim FBI liegen sollte, erst Recht zwei Jahre vor der nächsten Präsidentschaftswahl. Vorwürfe sind schnell erhoben, Schlagzeilen schnell geschrieben – etwaige Beweise hinken oft hinterher, wenn sie denn je erbracht werden.

Der Wahlsieg Donald Trumps im Jahr 2016 war eine vertane Chance für die amerikanische Politik, in sich zu gehen und über die Ursachen dieses Schockergebnisses zu reflektieren. Deindustrialisierung, eine sinkende Lebenserwartung innerhalb der Bevölkerung und eine massiv ungleich verlaufende ökonomische Erholung nach dem Crash von 2008 ließen die Wut unter den Bürgern beständig anschwellen – bis sie sich an der Wahlurne entlud. Mit der beständigen Kriminalisierung des führenden Kopfes dieser politischen Bewegung wird sich an dieser Wut nichts ändern. Im Gegenteil.

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