US-Wahl - Wird Donald Trump es wieder schaffen?

Warum sollte Donald Trump trotz seines verpatzten Starts in den Wahlkampf vor leeren Rängen und des katastrophalen Umgangs mit der Pandemie noch einmal gewählt werden? Weil er genau das wiederholt, was ihm schon 2016 geholfen hat – und es wird ihm wieder helfen.

Die USA wählt im Herbst ihren Präsidenten – dann entscheidet sich, ob Trump im Weißen Haus bleiben wird / dpa
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Autoreninfo

Prof. Dr. Veit Etzold lehrt Marketing und Vertrieb an der Hochschule Aalen/Baden-Württemberg und berät unter anderem Mittelständler und DAX-Konzerne in strategischer Kommunikation.

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Auch wenn die Schlagzeilen in der vergangenen Zeit gegen den Präsidenten sprechen: Donald Trump wird 2020 erneut die US-Präsidentschaftswahl gewinnen, denn Feindbilder sind erfolgreicher als Lösungen. 

„The Donald“ macht sich fast alle zu Feinden. Wettert gegen ein chinesisches Virus, russisches Gas und deutsche Autos. Droht mit Truppenabzug und schimpft gegen den Obersten Gerichtshof per Twitter. Trumps Zwischenbilanz der Pandemie: desaströs. Corona, auf das der US-Präsident viel zu spät reagierte, hat in Amerika weit über 100.000 Menschenleben gekostet – mehr als Vietnam-, Korea- und Irak-Kriege zusammen. 

„The Donald“

Trump pflegt konsequent seine Marke, bedient die relevanten Stakeholder und bleibt seinem Erfolgsrezept treu: Er gibt den globalisierungsskeptischen weißen Amerikanern das Gefühl, ihre Ängste zu verstehen und beleidigt sie nicht als „deplorables“, wie es Hillary Clinton tat. Damit ist er von Anfang an viel näher an Bill Clintons berühmtem „I can feel your pain“ als die Gattin des Ex-Präsidenten selbst. Neurowissenschaftler aus Harvard würden Trump recht geben: Denn laut einer jüngsten Studie sorgt bereits die Tatsache, dass ein Verkäufer den Schmerz eines Kunden mitfühlt – ohne überhaupt eine Lösung zu bieten – für Vertrauen. 

Problem und Lösung – in einer Story „Held und Schurke“ – spielen seit seiner Wahl 2016 eine zentrale Rolle in Trumps Kommunikation. Da war der Held der Geschichte der durchschnittliche Amerikaner, der vom Establishment, Hillary Clinton, dem Deep State und den Demokraten über’s Ohr gehauen wird. Weil eine Story am besten wirkt, wenn es nur einen Schurken gibt, wählte Trump kurzerhand die Mexikaner aus, gegen die er die Mauer zu bauen gedachte. Die Mauer und ein Amerika, das „great again“ ist, waren Elevator Pitch und Happy End in einem. Dass der Slogan von Ronald Reagan gestohlen war – geschenkt. Auf die Frage nach seiner Absenderkompetenz hatte Trump eine ebenso einfache wie banale Antwort: Weil ich Bauunternehmer bin! Die intellektuelle Elite der USA biss ob solcher argumentatorischer Plumpheit in die Tischplatte, aber „blue collar America“ feierte Trump.

Wer gegen Trump ist, ist ein „Loser“

2020 ist die Lage anders: Ein Präsident, der seinen Erfolg an den Börsenkursen messen wollte, wird mit der größten Rezession und dem größten Börsencrash seit mindestens 2008 konfrontiert. Doch egal was passiert: Wer gegen Trumps Strategie ist, ist ein „Loser“. Wer für ihn ist, ist ein „Winner“. Trump beleidigt also nur die, die ihn ohnehin nicht wählen – er bemüht sich nicht, für die attraktiv zu werden, die ihn ablehnen. So demonstriert er seinen Anhängern Macht und Stärke und handelt dabei ganz anders als Politiker deutscher Volksparteien, die in Wahlkämpfen immer auch diejenigen erreichen wollen, die die Partei normalerweise nicht wählen. Erfolgreiche Marken agieren genau so zielgruppengenau und ausgrenzend wie Trump. Die Zigarettenmarke Prince Denmark hatte z.B. einmal als Motto: „Schmeckt nicht jedem. Gut so!“ 

„This looks like a winner“, sagte Trump einmal, als er mit einem Journalisten der „Financial Times“ ein Interview führte und sich das Steak aussuchte. Auch das ist eine goldene Trump-Regel: Man ist „Winner“ oder „Loser“, selbst als Steak. Und: Entweder er gewinnt – oder die anderen verlieren. 

Der Retter der Wirtschaft

Ein aktuelles Beispiel: Trump erlaubt den Gouverneuren, den Corona Lockdown eigenständig in ihren Gliedstaaten aufzuheben. Geht es gut, ist Trump der hysteriefreie Bezwinger von Corona und anpackende Retter der Wirtschaft. Geht es schief, sind die Gouverneure schuld. Diese „Blaming-Strategie“ funktioniert nicht nur bei Trump. Auch seine Wähler, die zum großen Teil aus strukturschwachen Gebieten kommen und sich vom Fortschritt abgehängt sehen, freuen sich natürlich, wenn Ihnen jemand die Verantwortung abnimmt und andere als Sündenbock hinstellt. 

Sein Mindset und seine Strategie hat Trump in Büchern wie „Think big and kick ass“, „Art of the deal“ und „How to get rich“ aufgeschrieben oder in TV-Shows wie „The Apprentice“ performt. Auch das ist typisch für erfolgreiche Marken, die weit weniger geheimnisvoll sind als das Coca-Cola-Rezept suggeriert. 

Trump macht es Amerikanern einfach

Kostprobe gefällig? „It doesn’t matter if your employees like you or not. Be damned sure that they respect you“, schreibt er in „Think big and kick ass“, immerhin bereits 2007 erschienen. Das klingt wie die Großraumbüro-Version von Machiavellis: „Es ist besser, gefürchtet als geliebt zu werden.“ Den Amerikanern macht es Trump einfach. Sie müssen weder denken noch handeln, sondern nur den richtigen Präsidenten wählen. 

Was macht Trump noch anders, und besser? Trump hat spätestens seit seiner TV-Erfolge mit „The Apprentice“ verstanden, wie man einen Stamm an Gefolgsleuten – im Online-Marketing: „Tribe of followers“ – aufbaut. Die Strategie dazu basiert auf den berühmten „Five Things“ von Marketing-Profi Blair Warren:

„Five Things“ 

1. Ermögliche die Träume der Menschen. Hat er gemacht mit „Make America great again“.

2. Verteidige ihre Fehler. Macht er ständig. Nicht die Amerikaner oder er selbst sind schuld, sondern die Deutschen, die Europäer, die Chinesen, die Demokraten, die Medien, der Deep State oder Amazon.

3. Nutze ihre Ängste. Wo immer anderswo etwas schief läuft: Trump predigt, dass er immer vor so etwas gewarnt habe und mit ihm so etwas nicht passieren wird. 

4.  Bestätige ihre Zweifel. Sie hatten schon immer ein komisches Gefühl, was das Establishment in Washington angeht? Habe ich, Donald Trump, auch! Trump ist wohl der erste Präsident der USA, der Staatsoberhaupt und außerparlamentarische Opposition gleichzeitig ist.

5. Wirf Steine gegen ihre Feinde. Der Höhepunkt war, als Twitter Trumps Tweets korrigiert hatte und Trump dann Twitter verbieten wollte.

Trumps Geheimwaffe

Trumps Geheimwaffe ist und bleibt der Vertrieb, den er in seinem Sinne perfektioniert hat: Er fühlt den Schmerz der Wähler und bietet erst im zweiten Schritt eine Lösung an. Dann identifiziert Trump gemeinsam mit seinen Anhängern Bösewichte, die die meisten seiner Wähler als Feindbilder teilen. Damit beweist Trump, dass die Inszenierung von Feindbildern politisch erfolgreicher funktioniert als die Ausarbeitung von Lösungsvorschlägen. Er zielt auf Emotionen und setzt auf das limbische System der Wähler - sein treuester Verbündeter. Dieses limbische System im Gehirn hatte, anders als die neuere Großhirnrinde, sein letztes Update vor 70.000 Jahren und will vor allem eines wissen: Kann mir mein Gegenüber helfen, die Gefahr abzuwenden oder lässt er mich mit dem Säbelzahntiger auf der Lichtung stehen?

Andere zu Schurken zu machen und sich selbst mit einer klaren Absenderstory – siehe die Mauer und der Bauunternehmer! – als Heilsbringer zu inszenieren, ist ein Fest für das limbische System und seine wichtigste Instanz, die Amygdala, auch genannt „Angstzentrum“. Wer erst Panik schürt und dann eine Lösung bietet, macht das Gegenüber erst wach und dann glücklich. Die Uni Dortmund fand in einer Analyse von Mission-Statements von Unternehmen heraus, dass sperrige und technokratische Aussagen im Gehirn Ekelgefühle erzeugen. Griffige, bildreiche Storys, bei denen sich das Gegenüber sicher fühlt, sorgen hingegen dafür, dass Endorphine (Glückshormone) ausgeschüttet werden. Ebenso das sogenannte „Kuschelhormon“ Oxytocin, das auch dann aktiviert wird, wenn wir mit James Bond mitfiebern. Auch wenn Trumps Anzüge schlechter sitzen, die Bond-Methode beherrscht er: Je größer die (inszenierte) Gefahr, desto größer die Sympathie für den Helden!          

Wie einst Gerhard Schröder 

In der deutschen Politik arbeitete Gerhard Schröder mit Trumps Vertriebsansatz: ein Menschenfischer und Tabu-Brecher mit Brioni-Anzug und Cohiba-Zigarre, der gern aneckte („Ministerin für Frauen und Gedöns“, „Autos kaufen keine Autos“), bei „Wetten, dass...?“ auftrat und das Fernsehduell mit dem Geständnis rettete, „dass er seine Frau lieben würde“. Schröder war der emotionale Macher, während Angela Merkel, damals noch mit dem „neoliberalen“ Leipziger Programm von 2003 im Gepäck, als seelenlose Technokratin dastand. 

Schröder hatte seine Fans. Genauso wie Trump sie hat. Denn kaum jemand schafft es, seine Zielgruppe trotz widrigster Umstände derart an sich zu binden wie The Donald. Daher gehe ich davon aus und befürchte es zugleich, dass die Komödie Trump weiter geht. Er muss nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort und für die richtigen Leute glaubwürdig sein. Das hat er bisher immer geschafft. Denn eines weiß The Donald, ebenfalls in „Art of the Deal“ erwähnt: Money is like comedy. It’s all about timing.

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