Diether Dehm lässt sich mit Sputnik V impfen - Abschiedstour eines eitlen Linken

Diether Dehm hat sich in Moskau medienwirksam mit dem in der EU nicht zugelassenen Sputnik V impfen lassen. Für die russische Propaganda ist das ein Glücksfall. Für den Bundestagsabgeordneten der Linkspartei wohl einer der letzten medialen Höhepunkte.

Diether Dehm ist Bundestagsabgeordneter für die Linken / dpa
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Thomas Dudek kam 1975 im polnischen Zabrze zur Welt, wuchs jedoch in Duisburg auf. Seit seinem Studium der Geschichts­­wissen­schaft, Politik und Slawistik und einer kurzen Tätigkeit am Deutschen Polen-Institut arbei­tet er als Journalist.

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Der 9. Mai ist in Russland ein ganz wichtiger Tag. Mit einer Militärparade auf dem Roten Platz in Moskau wird der Sieg der Sowjetunion im „Großen Vaterländischen Krieg“ über das nationalsozialistische Deutschland gefeiert. Es ist ein Feiertag, der nicht nur von der russischen Politikelite zum Teil mit viel Pomp gefeiert wird, sondern auch von Gästen aus dem Ausland. Auf der Ehrentribüne, unweit von Russlands Staatspräsident Wladimir Putin, saß dieses Jahr auch der Linke-Bundestagsabgeordnete Diether Dehm. „Im Dezember noch wollten vier MdBs neben mir nach Moskau zur alljährlichen Mai-Siegesfeier über den Faschismus reisen. Aber jetzt im April hatten leider alle anderen coronabedingt wieder abgesagt“, erklärt Dehm gegenüber dem Cicero

Und wahrscheinlich wäre die Moskau-Reise von Dehm, der seine Eindrücke fleißig in den Sozialen Netzwerken und auf seiner Internetseite teilte, in Deutschland unbeachtet geblieben, wenn auf dem Reiseplan des Politikers nicht noch ein anderer Punkt im Terminkalender gestanden hätte: Die Impfung mit der russischen Covid-19-Vakzine Sputnik V in einer Moskauer Klinik. „Wäre ich im Bundestag mit Moderna geimpft, wäre das ja aus Steuergeldern bezahlt worden. Aber die Sputnik-Impfung in der Archimed-Privatklinik habe ich vollständig alleine organisiert und bezahlt. Selbst Taxifahrten, Blutprobe, PCR-Test und so weiter“, sagt Dehm. 

Held der russischen Propaganda

Was offenbar nicht ganz stimmt. „Die Impfung wurde auch unter Mitwirkung des russischen Fonds für direkte Investitionen und der Nachrichtenagentur SNA möglich“, lobte sich die russische Nachrichtenagentur SNA, die hier in Deutschland bis vor kurzem noch selber als Sputniknews bekannt war, und verbreitete die Nachricht gleich in die ganze Welt. Berichte über die Impfung Dehms finden sich beispielsweise im türkisch- und im spanischsprachigen Dienst des Nachrichtendienstes. Und natürlich findet man auch auf RT Deutsch einen Bericht inklusive eines Interviews mit Dehm. Der Hersteller selbst lobte sich wiederum auf Twitter mit seinem aus Deutschland berühmten Patienten, was mal eine nette Abwechslung war. Wegen seines aggressiven Tons erinnert der Twitter-Auftritt von Sputnik V nicht selten an russische Staatspropaganda. 

Wie Sputnik V und die russischen Staatsmedien die Impfung von Diether Dehm ausschlachten, zeigt aber auch, was für ein Glücksfall dieser für sie ist. Und dies nicht nur deshalb, weil Dehm als 71-Jähriger und zudem als Mitglied des Bundestages sich auch in Deutschland hätte impfen lassen können. Sputnik V wird auch im EU-Staat Ungarn verwendet, aber auf dem Impfstoff lastet ein großer Makel. Von der Europäischen Arzneimittelbehörde wurde Sputnik V bisher nicht zugelassen, auch weil Unterlagen aus Moskau unvollständig sein sollen.

Nicht gerade für den russischen Impfstoff sprechen auch die Erfahrungen in der von Covid-19 schwer betroffenen Slowakei. Als die dortige Arzneimittelbehörde den von Russland verkauften Impfstoff untersuchte, musste sie feststellen, dass dieser wenig gemein hat mit dem Sputnik V-Impfstoff, den die Fachzeitschrift The Lancet noch im Februar positiv besprach. Mit dem Ergebnis, das von den im März 200.000 gelieferten Ampullen bis heute keine einzige verwendet wurde.

Die Linke, Sputnik V und San Marino

Doch Dehm lassen die Berichte aus der Slowakei nicht an dem russischen Impfstoff zweifeln. Im Gegenteil. „Natürlich ist mir bekannt, wie Regierungen Verträge falsch darstellen und Pharma-Konkurrenten Sputnik schlecht reden. Aber die Expertisen sprechen eindeutig für die über neunzigprozentige Wirksamkeit und die geringen Nebenwirkungen des russischen Vakzins“, sagt Dehm. Dabei verweist er auch auf die Erfahrungen in San Marino, wo offenbar auch durch die Unterstützung einiger Linkspolitiker der russische Impfstoff verabreicht wird. „San Marino hatte wegen exorbitanter Infektionszahlen Hilfe gebraucht, aber von der EU nur die kalte Schulter gezeigt bekommen. Durch Vermittlung von Linken im Europarat kam dann Sputnik nach San Marino und wurde unter Begleitung italienischer Universitäten dort flächendeckend verimpft. Und jetzt ist dort alles wieder geöffnet“, erzählt Dehm.

Von den Schlagzeilen profitiert aber nicht nur Sputnik V, sondern auch Dehm selbst. Obwohl der Musikproduzent viele Jahre einer der bekanntesten Köpfe der Linkspartei war, verlor er vor zwei Wochen in Niedersachsen seinen Listenplatz vier. Nun muss sich Dehm mit dem sechsten Platz begnügen, mit dem der Wiedereinzug ins Parlament ziemlich unwahrscheinlich ist. 

Fehlende Unterstützung in der Linkspartei

Diese Degradierung offenbart auch den Stimmungswandel innerhalb der Linkspartei. Joachim Gauck nannte Dehm, dem seit Jahren auch eine IM-Tätigkeit nachgesagt wird, einen „Brunnenvergifter“ und „Hexenjäger“. Am Rande der Bundesversammlung 2010 verglich Dehm die damalige Wahl zwischen den aussichtsreichsten Bundespräsidentschaftskandidaten Joachim Gauck und Christian Wulff mit der Wahl zwischen Hitler und Stalin. 2014 sorgte er für Schlagzeilen durch seine Teilnahmen an den Mahnwachen für den Frieden, die auch von Verschwörungstheoretikern und Antisemiten besucht wurden.

Auch die Beschäftigung des ehemaligen RAF-Terroristen Christian Klar, den Dehm für die technische Pflege seiner Internetseite als freien Mitarbeiter beschäftigt, blieb nicht ohne Echo. Und schon gar nicht seine verbale Attacke gegen Außenminister Heiko Maas, den Dehm vor drei Jahren als einen „gut gestylten NATO-Strichjungen“ beschimpfte. Für eine Partei, die nach der Bundestagswahl von einer rot-rot-grünen Koalition träumt, sind solche provokativen Auftritte und Aussagen eher eine Belastung als eine Bereicherung.

So ist der Impftermin in Moskau für Dehm auch der letzte schlagzeilenträchtige Höhepunkt während seiner Abschiedstournee als Bundestagsabgeordneter. Eine Abschiedstournee, bei der er in der Linken verbreitete Schlagwörter wie „deutscher Imperialismus“ verwendet, die Dehm aber ohne große Unterstützung seiner Partei absolvieren muss. „Den Journalistenandrang bei meinem Impftermin hat ein Genosse organisiert. Der Pressesprecher der Partei war nicht mal dabei“, beklagt Dehm. 

Die Eitelkeit des Diether Dehm

Doch auch wenn die Unterstützung der Linken fehlt, bei seiner Abschiedstournee offenbart Dehm die ihm auch nachgesagte Eitelkeit. Beispielhaft dafür ist eine andere Geschichte von seiner jüngsten Moskau-Reise. Auf Twitter veröffentlichte Dehm ein Foto, auf dem er vor der Lubjanka posiert. Dazu schrieb er: „Von der Lubjanka, wo ich Gespräche über unsere Freunde von den Ruhrbaronen geführt habe, durch 1.000 Kontrollpunkte, zum Roten Platz“. Lubjanka, bis heute Sitz des russischen Geheimdienstes, war ein zentraler Ort des stalinistischen Terrors, in dem Hunderttausende verhört, gefoltert und zum Teil sogar hingerichtet wurden.  

In der Redaktion des im Ruhrgebiet populären Journalisten-Blogs Ruhrbarone zeigt man sich über den Tweet von Diether Dehm überrascht. „Wir haben einige Male über ihn berichtet, aber ansonsten hatten wir mit Dehm nichts zu tun gehabt“, sagt Herausgeber Stefan Laurin. Doch die paar kritischen Artikel, zuletzt im August vergangenen Jahres, als sich die Ruhrbarone mit Dehms Corona-Lied auseinandersetzten, haben den Bundestagsabgeordneten offenbar getroffen: „Die hatten schon mehrfach Genossen und mich mit Rufmord überzogen, sogar als Corona-Leugner und Antisemiten. Diese antideutschen Ruhrbarone verleumden Andersdenkende genauso schlimm wie russische und amerikanische Geheimdienste. Und nur darüber sprachen wir, als wir über den Platz vor dem heutigen russischen Geheimdienst gelaufen sind. Und so steht es auch auf Facebook.“

Was man bei den Ruhrbaronen aber gelassen sieht. „In den Kellern der Lubjanka saßen mehr ehrenwerte Menschen ein, als in dem Gebäude je gearbeitet haben“, sagt Laurin.

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