Britische Handelsministerin Kemi Badenoch - Mit Optimismus und harter Arbeit

Handelsministerin Kemi Badenoch hat westafrikanische Wurzeln – und ist der Star im britischen Kabinett. Besonders vom rechten Flügel der Tories wird die 43-Jährige gefeiert.

Kemi Badenoch gehört zu den beliebtesten Politikern der Konservativen in Großbritannien / UK Parliament
Anzeige

Autoreninfo

Christian Schnee studierte Geschichte, Politik und Public Relations in England und Schottland. Bis 2019 war er zunächst Senior Lecturer an der Universität von Worcester und übernahm später die Leitung des MA-Studiengangs in Public Relations an der Business School der Universität Greenwich. Seit 2015 ist er britischer Staatsbürger und arbeitet als Dozent für Politik in London.

So erreichen Sie Christian Schnee:

Anzeige

„So eine wie dich möchten die dort nicht“, warnte ihre Tutorin am Phoe­nix College im Londoner Stadtteil Morden, als die Schülerin erwähnte, sie wolle in Oxford studieren. Nein, Rassismus sei das damals nicht gewesen, sagt sie – und fügt nach einer kurzen Pause hinzu: „Zumindest kein konventioneller Rassismus.“ Die Tutorin habe ihr den schwierigen Weg und womöglich auch die Enttäuschung ersparen wollen mit dem Hinweis, die Note „E“ reiche aus, um später als Krankenpflegerin zu arbeiten.

25 Jahre liegt das jetzt zurück. Die Schülerin von damals ist Olukemi Olufunto Badenoch, Handelsministerin im Kabinett von Rishi Sunak. Ihre Geschichte ist die von harter Arbeit, dem Willen, nicht aufzugeben – und einer Portion Optimismus. „Ich kann vergleichen, gerade wenn jemand jammert, wie schlecht wir es in Großbritannien haben.“ In Lagos hätten jeden Tag Soldaten auf der Straße patrouilliert. Wer das miterlebe, der lerne die Freiheit der britischen Gesellschaft zu schätzen.

Ein Darling der Parteibasis

Geboren wird sie 1980 in Wimbledon; ihre Eltern sind Yaruba aus Westafrika. Kemi, wie sie überall gerufen wird, verbringt Kindheit und Jugend in Nigeria, wo die Mutter, eine Professorin für Psychologie, einen Lehrauftrag hat. Mit 16 Jahren kommt sie nach England, studiert Ingenieurwissenschaften, später noch Jura. „Systematisches Denken gefällt mir, das Lösen von Problemen.“ Linke Aktivisten an ihrer Universität in Sussex empfand sie als privilegiert, ihre Parolen als irritierend. Badenochs Weg führt zu den Konservativen, für die sie später im Londoner Stadtrat sitzt.

Ihr herzliches Lächeln, das runde Gesicht, die schwarzen Locken mit den eingeflochtenen weißen Strähnen gewinnen ihr Sympathien im Publikum, bevor sie ans Podium tritt und so ernsthaft wie klug und eloquent für ihr Anliegen streitet. Eine Mischung aus Eigenschaften, an denen es in den Jahren Boris Johnsons fehlte.

Johnson war ihr Förderer, berief sie erstmals in die Regierung. Sie hielt zu ihm, als sein Stern im Partygate-Skandal sank. Erst als sie öffentlich für ihn lügen soll, sagt sie sich los und tritt zurück. Es ist der Sommer 2022. Im parteiinternen Wahlkampf um Johnsons Nachfolge gilt Badenoch als große Entdeckung und schafft es bis in die vierte Runde des mehrstufigen Auswahlverfahrens. Sie wird zum Darling der Parteibasis. Ihre leidenschaftlichsten Anhänger gehören zum rechten Flügel der Tories. 

 

Das könnte Sie auch interessieren:

 

Im Herbst 2022 wird sie zur Ministerin für Frauen und Gleichstellung befördert. In diesem Ressort, das Badenoch bis heute in Personalunion mit dem Handelsportfolio leitet, finden sich gewöhnlich Kämpfer für Transgender-Rechte und Kritiker von Polizeigewalt, die den ­Royals systemischen Rassismus unterstellen und Kompensation für die Verbrechen des Empires einfordern. Badenoch hat andere Prioritäten. Dem Votum für gleichgeschlechtliche Ehen in Nordirland bleibt sie fern, genderneutrale Toi­letten hält sie für überflüssig. Und auf Whatsapp lässt sie wissen, dass Unrecht in Afrika schon in vorkolonialer Zeit begangen wurde. Das genügt, um ihr in progressiven Kreisen den Ruf einer Reaktionärin und gefährlichen Kulturkämpferin einzubringen.

Freihandel ist eines ihrer wichtigsten Ziele

Als Provokation wird in diesen Zirkeln empfunden, dass ausgerechnet eine schwarze Frau sich die Klagen der Black-Lives-Matter-Aktivisten nicht zu eigen macht, die ethnische Minderheiten in Großbritannien bis heute Diskriminierung und Vorurteilen ausgesetzt sehen. „Vorurteile habe ich immer nur von Linken erfahren“, entgegnet Badenoch und fügt wie selbstverständlich hinzu: „Meine Geschichte ist ein Beispiel dafür, dass die Tories kein Problem mit Rassismus haben. Ich kam mit 16 in dieses Land und wurde Kandidatin für das Amt des Premierministers.“ 

Sie sei stolz auf Großbritannien und halte die Entscheidung, die Europäische Union zu verlassen, für „den größtmöglichen Vertrauensbeweis in die Zukunft des Vereinigten Königreichs“. Die letzten Worte gehen unter im Applaus der Tory-Mitglieder, von denen sie seit neuestem auf der Website conservativehome.com in der Rangliste der beliebtesten Kabinettsmitglieder auf Platz eins gewählt wird.

Ob der Brexit zum Erfolg wird, liegt nun auch an ihr. Das Aushandeln von Freihandelsabkommen ist die Kernaufgabe in Badenochs ministeriellen Portfolios. Freihandel ist für sie ein ganz persönliches Anliegen. Als Kind habe sie erlebt, wie das Regime in Nigeria den heimischen Markt für die Einfuhr von Reis und Tomaten sperrte. Damals begannen Menschen, Tomaten wie Kostbarkeiten über die Grenze zu schmuggeln. Ihre Mutter habe seinerzeit von London mit Reisbeuteln gefüllte Koffer mitgebracht, weil auch der in den Supermärkten von Lagos nur schwer zu finden war.

 

Dieser Text stammt aus der Oktober-Ausgabe von Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

 

Jetzt Ausgabe kaufen

Anzeige