Emmanuel Macron hatte am 24. April Grund zum Jubeln: Wenige französische Präsidenten vor ihm hatten die Wiederwahl so klar geschafft wie er. Doch im Augenblick des Triumphs hielt sich der 44-Jährige betont zurück. Vor der grandiosen Kulisse des Eiffelturms, wo ein paar Tausend Macronisten jubelten, ließ er seiner Frau Brigitte den Vortritt. Schon als sie mit ihm zu Fuß zur Wahlfeier erschien, waren alle Blicke auf sie gerichtet. Todschick im marineblauen Dress mit silbernen Einsätzen, hielt sie einem Mädchen zur Linken und ihrem Mann zur Rechten die Hand. Es war ein triumphaler Einzug auf dem Marsfeld.
Vor dem Rednerpult sagte Macron dann ein paar Dinge wie: Er wolle der Präsident aller Französinnen und Franzosen sein, und jetzt beginne eine neue Ära.
Doch dann erwischte eine Journalistin von France 2 im allgemeinen Trubel Brigitte Macron. Und was diese ins Mikrofon sagte, wirkte nicht belanglos, sondern sehr emotional. Der Wahlabend zeige, dass in Frankreich doch noch das Wohlwollen über die Wut siege, erklärte sie in Anspielung auf die unterlegene Rechtskandidatin Marine Le Pen. „In diesem Land ist eben alles Gute möglich“, sprach sie in die wackelige Kamera. „Deshalb ist Frankreich das schönste Land der Welt!“ Das ging der Fernsehnation viel eher ans Herz als alles, was der Wiedergewählte deklamiert hatte. Die Reporterin fragte nach, ob denn dieses Land nicht auf beunruhigende Weise gespalten sei. Brigitte zögerte keine Sekunde: „Vielleicht werden sich die Dinge nun ändern. Mein Mann hat wirklich den Willen, die Dinge zu verändern. Ich habe ein immenses Vertrauen in ihn.“
Der Aufstieg der Brigitte Macron
Das kurze Interview bewirkte mehr Likes als der im Amt bestätigte Präsident. Der Wahlabend war Brigittes Abend – und ganz anders als 2017: Von Macrons erster Wahl vor fünf Jahren blieb das Bild haften, wie der frisch gekürte Präsident gemessenen Schrittes – und mutterseelenallein – zur Rednertribüne vor der Louvre-Pyramide schritt. Brigitte war damals bloße Statistin gewesen. Die folgenden fünf Jahre über schuf sich Macron einen Ruf, abgehoben, selbstherrlich bis zur Arroganz zu sein, eiskalt hinter seinem charmanten Lächeln. Das war politisch verheerend. Deshalb rieten ihm seine Spindoktoren, er solle bei öffentlichen Auftritten seiner Frau die Paraderolle überlassen.
Und Brigitte spielt sie souverän. Von Macrons Wiederwahl 2022 werden die Franzosen die Première Dame (First Lady) in Erinnerung behalten. Wie sie „Emmanuel“ die Hand hielt, wie sie emotional den Wahlsieg kommentierte, wie sie die Marseillaise sang: Stets waren die Kameras auf sie gerichtet.
Die Paar-Inszenierung, die vielleicht in Amerika üblich wäre, es aber nicht in Paris ist, machte klar, wie sehr Brigitte Macron zum „Herz-Ass“ des Präsidenten geworden ist. Er ist elitär, sie populär. 25 000 Briefe erhält sie im Élysée-Palast jährlich. Ihr stylischer Look kommt ebenso gut an wie ihre volksnahe Sprache, die mit englischsprachigen Ausdrücken gespickt ist. Ohne viel Aufhebens begleitet die ehemalige Französischlehrerin soziale Projekte; sie gibt Arbeitslosen Unterricht oder nimmt jetzt ukrainische Flüchtlinge auf.
Authentizität ist der Schlüssel
Dass sie Mitte April 69 Jahre alt geworden ist, gereicht ihr auch nicht zum Nachteil; Macrons ehemalige Lehrerin macht sich selber über ihr Alter lustig. Schon vor seiner ersten Kandidatur im Jahr 2017 hatte sie einmal frisch von der Leber weg gescherzt, Emmanuel müsse sich sputen, wenn er ins Élysée kommen wolle – denn bald werde er nicht mehr kandidieren können angesichts ihrer alternden Visage („tronche“).
Mit solchen selbstironischen Sprüchen demonstriert Brigitte Macron, dass sie die 25 Jahre Altersunterschied zu ihrem Mann keineswegs als peinlich empfindet. Ihre Zweierbeziehung bleibt nach bald 20 Jahren offenbar eine Liebesgeschichte. Davon zeugt ein berührender ( offenbar authentischer ) Schnappschuss vom Abend des 24. Aprils: Als Macrons Wiederwahl um 20 Uhr klar wird, denkt er inmitten des allgemeinen Freudentaumels als Erstes an seine Brigitte: Zärtlich küsst er sie, die vor Aufregung beide Hände vors Gesicht geschlagen hat. Solche Bilder bleiben im nationalen Unterbewusstsein stärker haften als so mancher Diskurs des Staatschefs.
Noch etwas fiel am Wahlabend auf: Neben Emmanuel Macron lief ein unbekanntes Mädchen mit. Als wollte der Präsident vergessen machen, dass er selbst keine Kinder hat. Denn das ist ein Nachteil für das Storytelling vom beschützenden „Landesvater“. Bloß: Die Szene mit Macron und dem Mädchen wirkte reichlich gestellt. Brigitte Macron bringt dagegen aus ihrer ersten Ehe drei Kinder mit, die am Wahlabend auch teils mit von der Partie waren. Sie, die beliebte Landesmutter, braucht der Nation nichts vorzuspielen.
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