Biden stellt neue Regierung vor - Schluss mit America First

Neue Namen, ein anderer Ton und eine gute Portion Obama-Nostalgie: Joe Biden hat einen Teil seines zukünftigen Kabinetts vorgestellt. Mit der Besetzung sendet er ein klares Signal nach innen und außen.

Soll Amerika wieder zum global teamplayer machen: der designierte Außenminister Antony Blinken / dpa
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Daniel C. Schmidt ist freier Reporter. Er studierte in Manchester und London (BA Politics & Economics, MSc Asian Politics) und lebt zur Zeit in Washington, D.C.. Schmidt schreibt über Pop, Kultur und Politik.

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Und plötzlich greifen die Zahnräder der Geschichtsschreibung wieder ineinander und steuern Amerika in Richtung Zukunft: Nachdem Donald Trump am Montag überraschend formell den Prozess der Amtsübergabe durch die Bundesbehörde GSA einleiten ließ – wohlgemerkt ohne eine Wahlniederlage anzuerkennen –, stellte Joe Biden am Dienstagnachmittag einen Teil seines zukünftiges Kabinetts vor. 

Der designierte Präsident kündigte in einer Pressekonferenz zunächst eine Reihe von außen- und sicherheitspolitischen Posten an. So soll ab Januar Alejandro Mayorkas das Heimatschutzministerium leiten. Der gebürtige Kubaner und gelernte Anwalt, dessen Eltern als politische Flüchtlinge Anfang der 60er-Jahre nach Miami übersiedelten, wäre der erste Einwanderer auf diesem Posten.

Die erste Frau als Finanzministerin 

Auch Avril D. Haines, die Biden als Direktorin der nationalen Nachrichtendienste nominiert hat, würde nach der Bestätigung durch den Senat eine Zäsur setzen: Sie wäre die erste Frau in diesem so wichtigen Amt. Auch Janet Yellen, die ehemalige Fed-Chefin, würde Historisches gelingen mit ihrer Nominierung: Nach 231 Jahren und 77 Vorgängern wäre sie die erste US-Finanzministerin. 

Einen weiteren einflussreichen Posten hat Biden vor, mit einer erfahrenen Frau zu besetzen. Linda Thomas-Greenfield, einst Topdiplomatin für afrikanische Angelegenheiten im State Department, soll Botschafterin bei den Vereinten Nationen werden. Als Nachfolger von Mike Pompeo hat Biden Antony Blinken vorgesehen. Der designierte Außenminister ist ein jahrelanger politischer Weggefährte des designierten Präsidenten. Von 2009 bis 2013 war Blinken Bidens nationaler Sicherheitsberater, während des Wahlkampfs 2020 hat er ihn in außenpolitischen Fragen beraten. 

Schluss mit „America First“ 

Mit ihm hat er einen sachkundigen Beamten berufen, der bereits unter den Präsidenten Bill Clinton und George W. Bush wichtige außenpolitische Ämter bekleidet hat. Seine Wahl ist eine Abkehr von der amerikanischen Abschottung auf geopolitischer Bühne unter Präsident Trump und eine Hinwendung zurück zu einer multilateralen globalen Ordnung, die internationale Organisationen und Absprachen stützt. Eins von Blinkens ersten Amtshandlungen soll der Wiedereinstieg in das Pariser Klimaabkommen sein. 

Die Stadt und Europa kennt Blinken schon aus einem Teil seiner Schulzeit in Frankreich. Auch  deshalb wären mit der EU unter ihm wieder größere Anknüpfungspunkte zu erwarten. Wenn es um militärische Konflikte geht, scheut Blinken nicht davor zurück, notfalls einzugreifen. Wie auch Biden unterstützte er damals den Irakkrieg; für den von Trump befohlenen Raketenangriff auf einen syrischen Militärstützpunkt im April 2017 fand er lobende Worte.

Ein neues, altes amerikanisches Selbstverständnis

Insofern ist seine Wahl auch ein Signal an den Rest der Welt. Ein Signal, dass unter einem Präsidenten Biden ein neues altes amerikanischen Selbstverständnis herrscht. 

„Das hier ist eine Mannschaft“, sagte Joe Biden an der Seite der designierten Vizepräsidentin Kamala Harris bei der Vorstellung seiner neuen Kabinettsmitglieder, „die dafür sorgt, dass unser Land und unser Volk sicher und geborgen sind. Und es ist eine Mannschaft, die widerspiegelt, dass die Vereinigten Staaten zurück sind: Bereit, die Welt zu führen, und sich nicht von ihr zurückzuziehen; bereit, unsere Feinde zu konfrontieren – und nicht unsere Verbündeten zurückzuweisen.”

Signal an die Nato 

Das Signal nach außen heißt also: Keine Sorge, wir haben Euch noch lieb, verehrte Nato-Partner. Das Signal nach innen hatte Biden bereits im Wahlkampf formuliert: Seine Regierung solle Amerika repräsentieren, sprich weniger weiße Männer in den Führungspositionen, dafür mehr Frauen sowie Minister oder Ministerinnen mit Migrationshintergrund. 

Noch hat Biden bloß wichtige außen- und sicherheitspolitische Posten benannt. Standardministerien wie Arbeit, Wirtschaft, Justiz oder Bildung sind noch unbesetzt, hier kann es noch ein paar Ausreißer geben. Aber bislang ist eine Sache klar: Für seine Nominierungen fischt Biden noch in seinem sehr begrenzten Pool. 

Personal aus der Obama-Ära  

Alle Nominierten haben nämlich in der einen oder anderen Form bereits unter Trumps Vorgänger gedient. Fast wirkt die Truppe, die der ehemalige Vizepräsident sich da zusammenstellt, wie der nostalgische Versuch eine dritte Amtszeit herbeizusehnen, mit nur einem Unterschied: Präsident ist nun nicht mehr Barack Obama, sondern jetzt eben er, Joseph R. Biden. 

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